Kopfstand



Es ist alles anders. Wirklich alles.

Es gibt keinen Wecker mehr, der morgens um 5 Uhr klingelt. Dass ich – obwohl die Uni im Moment schon halb 8 los geht – bis kurz nach 6 Uhr liegen bleiben kann, kommt mir immer noch vor, wie im Urlaub. Ich muss morgens auch nicht mehr durchs Haus rennen, weil ich mich so sehr beeilen muss. Stattdessen kann ich beim Frühstück nochmal kurz die Mails abrufen und auf dem Blog vorbei schauen.

Der Weg zur Uni wird mit dem Fahrrad bestritten. Es gibt keine Zeit mehr, an der ich an der Bushaltestelle stehen muss, es gibt kein Bibbern mehr, ob wohl die Anschlüsse passen.
Dafür werde ich im Moment ziemlich oft nass auf dem Weg zur Uni, oder wieder nach Hause.

Ich spare unfassbar viel Zeit. Vier Stunden pro Tag. Und auch das ist etwas, womit mein Kopf lernen muss, umzugehen. Immer noch spule ich die ganze Woche vor mir ab, lege fest, wann eingekauft wird, wann gewaschen wird, wann am Fahrrad gewerkelt wird, wann ich in die Bibliothek gehe, um vorzudrucken und wann geputzt wird. Das diente immer dazu, dass ich nicht alles an einem Tag an den Hacken habe und gar nicht mehr zum Lernen komme und wenn irgendetwas dazwischen kam, war das eine Tragödie.
Im Endeffekt ist es jetzt aber egal. Wenn ich an einem Tag wasche und einkaufe, komme ich noch lange nicht auf die vier Stunden Zeitersparnis. Ich muss mir nicht mehr so einen Stress machen. Es kommt wie es kommt und das ist okay.

Ich merke immer noch, wie kleinste ungeplante Dinge mich ganz fahrig machen. Wenn ich vergessen habe, etwas zu drucken und nochmal in die Bibliothek muss. Oder wenn ich beim Einkaufen etwas vergessen habe. Bei mir springen dann immer die Alarmglocken und ein „Hilfe das passt jetzt nicht auch noch in den Tag!“
Doch es passt. Es ist alles gut. Ich muss nicht mehr hetzen. Im Prinzip fällt mir erst jetzt auf, was das für ein abgefahrenes System in meinem Hirn ist und so langsam kann ich auch nachvollziehen, woher der Bluthochdruck plötzlich in der Klinik kam.

Ich komme auch theoretisch an den Punkt, an dem ich mit Lernen fertig bin. Früher gab es das nicht – früher musste immer gelernt werden, da stellte sich die Frage nicht. Ich habe so viel Zeit auf den Schienen gelassen – da musste jedes freie Minute effektiv genutzt werden, um das alles irgendwie zu schaffen.
Und wie finde ich jetzt raus, wann es genug ist, um die Klausur zu bestehen? Denn ob es genug war, zeigt ja erst die Klausur und wenn ich die nicht bestehe, ist es zu spät.
Ich neige dazu, die vier Stunden, die ich spare doch mit Uni zu füllen, wenn ich nicht gerade einen Teil davon wegen mangelnder Organisation verbrauche.

Ich glaube, hier wirklich nicht nur physisch, sondern auch mit meinem Kopf hier anzukommen, wird noch eine ganze Weile dauern.

Aber ich bin dran.

Alles liebe
Mondkind

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