Erwartungen und Zweifel im Job
Who
cares if one more light goes out?
In a sky of a million stars
It flickers, flickers
Who cares when someone's time runs out?
If a moment is all we are
We're quicker, quicker
Who cares if one more light goes out?
Well I do
In a sky of a million stars
It flickers, flickers
Who cares when someone's time runs out?
If a moment is all we are
We're quicker, quicker
Who cares if one more light goes out?
Well I do
(Linkin
Park – One more light)
Der mindestens fünfte Versuch, diesen Blogpost zu
verfassen. Ich bin verwirrt.
Wie hat eigentlich ein Jobstart auszusehen? Wie
viel Überforderung darf das sein? Wie viel muss man aushalten? Und wann ist es
einfach zu viel? Sollte man irgendwann das Gespräch suchen?
„Mondkind, die Patientin am Ende des Flurs, die
schmiert mit ihren Herzfrequenzen ab. Die ist teilweise nur noch bei 20…“ Die
Pflege steht im Arztzimmer. Shit - die
hat doch schon einen externen Schrittmacher – wie kann das passieren? Also hin
rasen, sich das selbst anschauen, die Kardiologen schnell ran organisieren und
sie fragen, warum das Pacing nicht funktioniert. Die kommen dann sogar, nachdem
sie einmal die Augen verdreht haben, demonstrieren, dass das Ding funktioniert.
Trotzdem gibt der Monitor ständig Alarm und wertet da offenbar etwas anderes
aus, als der Schrittmacher.
Nachts schrecke ich manchmal vom Asystolie –
Klingeln in meinem Ohr hoch.
Angst. Angst vor dem, was da kommt. Jeden Tag.
Doppler, die liegen bleiben, weil ich mit den
ganzen instabilen Patienten nicht allein in den Doppler will. Was ist, wenn die
da reanimationspflichtig werden? Aber wenn sie den Doppler bei der Entlassung
oder Verlegung nicht haben, gibt es richtig Stress. Also Monitore im Auge
behalten, das Treiben der Kollegen und wenn es den Patienten etwas besser geht,
einen Kollegen anhauen.
Lumbalpunktionen. Irgendwann wird auch auf mich
dieses Thema wieder zukommen. Und ich befürchte, dass da auch keiner mitgehen
mag. Ich habe es ja schon gemacht letztes Jahr. Ich weiß ja, wie es geht. Und
dennoch habe ich super viel Angst davor und hoffe jeden Tag, dass nicht heute
der Tag ist, an dem ich es machen muss.
Angst, vor akuten Verschlechterungen, vor
Reinfarkten, vor Untersuchungsergebnissen, die nicht schnell genug gesehen
werden, die nicht erwartet waren und ein „Mondkind, warum hast Du nicht…?“ nach
sich ziehen.
Stress unter den Kollegen mit der dünnen
Personalbesetzung. Ein Chef, der die Idee hat, dass wir ja nun alle unsere
Handynummern der Sekretärin geben können, um auch wenn wir frei haben,
erreichbar und abrufbar zu bleiben. Die Idee, dass Urlaubstage ja auch
eigentlich ausbezahlt werden könnten. Die laute Frage in der Frühbesprechung,
warum die Assistenzärzte so oft krank sind. (Ich kann es absolut nicht bringen,
in näherer Zukunft nochmal wegen eines Psychiatrie – Aufenthaltes auszufallen –
da werde ich hinterher meines Lebens nicht mehr froh…)
Ein Ansprechen vom Chef – ihm sei da eine Beschwere
zu Ohren gekommen, dass ich mich gegenüber einer Kollegin wohl im Ton vergriffen
habe. Was irgendwie nicht stimmt. Und wenn, dann muss man das doch nicht über
den Chef klären.
Es ist nicht genug. Nie. Egal, wie schnell ich mich
versuche anzupassen und zu lernen.
Kaum klappt etwas, kommt die nächste Hürde. Kaum
macht man etwas, das man nicht unbedingt tun müsste, kommt der nächste Auftrag.
Ob man eine exponentielle Lernkurve erwartet? Ich
weiß es nicht.
Ich weiß nur, dass ich jeden Morgen mehr Angst bekomme.
Das Gefühl habe, dass jeden Tag mehr erwartet wird. Und ich frage mich ein
bisschen, ob es das wert ist.
Wie viel kann man aushalten, wenn man den
Belastungen nichts entgegen setzen kann? Wenn man nach einem langen Tag in eine
leere und dunkle Wohnung kommt? Wenn alles, was man abends noch auf die Reihe
bekommt, einen Tee trinken und Schreiben ist? Nicht zuletzt, weil man frühestens um 20 Uhr hier ist. Und es am nächsten Morgen mit
Angst wieder los geht?
Ist es das wert? Ja, es ist ein ehrenvoller Job.
Aber vielleicht nicht unbedingt für einen Hasenfuß, der kaum überzeugt von
seinem Tun ist. Was ist, wenn das einfach nicht der richtige Job für mich ist?
Was ist, wenn all das Springen über die Schatten, irgendwann nicht mehr
funktioniert? Weil es einfach schon immer mehr Überwindung, als alles andere
war.
Und dann… - ja, dann ruft abends mal der Papa an.
Erste Frage: „Mondkind, wie weit bist Du mit der Wohnung und dem Wohnzimmer?“
Du setzt noch zur Verteidigung an. „Mondkind, wenn das so weiter geht, sieht es
bei Dir in fünf Jahren immer noch so aus, wie jetzt…“
Ist schon klar. Nach beinahe drei Wochen hat man im
Job angekommen zu sein. Routine. Laut meinen Eltern zumindest.
Und obwohl mein Kopf kurz vor dem Explodieren ist,
kann ich niemanden mehr ansprechen. Weil es sich nicht so anfühlt, als hätte
ich eine Berechtigung dafür. Es gibt so viele Menschen auf der Station, die
mehr verloren haben und die mehr leiden. Und dann… - dann bin ich im Moment
auch etwas sensibel. Wenn ich noch ein Mal höre: „Beim Berufsstart ist so etwas
normal…“, dann ticke ich aus und wer rettet mich dann da raus?
Eigentlich wollte ich heute mal auf der Station der
Psychiatrie anrufen – die hatten das ja angeboten - aber ja… - heute war
stundenlanges Telefon in der Hand drehen nicht von Erfolg gekrönt. Morgen
könnte ich mit der Therapeutin reden. Früher Nachmittag hat sie angeboten. Aber
ich muss auffindbar sein, wenn einer meiner vielen kritischen Patienten sich
verschlechtert und ich weiß auch nicht, in welchem Raum ich mal telefonieren
sollte. Der Chef sollte mich nicht irgendwo erwischen.
Eine Freundin hängt mir in den Ohren, den
Seelsorger anzurufen und hat mir angedroht sich alternativ über die Rezeption durch
die Klinik verbinden zu lassen, bis sie ihn in der Leitung hat. Nun denn… - ich
glaube nicht, dass ich das morgen machen werde.
Es ist einfach immer ein bisschen blöd, wenn man
den Punkt sich Hilfe zu holen, verpasst hat.
Und wen interessiert es eigentlich, wenn es ein
Licht weniger auf dieser Welt gibt?
Es ist schon mehr als ich erwartet hatte, dass ich
jetzt noch hier bin. Und so unterschwellig schützt mein Oberarzt mich schon
noch ein wenig. Aber lange werde ich nicht mehr auf der Schlaganfall – Station bleiben,
wenn ich im Januar Dienste machen soll. Da brauche ich noch ein paar
Rotationen.
Überlegungen in der Nacht. Ich glaube, ich bleibe
noch, solange wie er mein Chef ist. Solange gibt es zwischendurch zumindest mal
noch ein paar beruhigende Worte. Und außerdem habe ich lange darauf gewartet,
dass es die Konstellation mal gibt.
Aber danach… - lohnt sich das dann noch? Gibt es
dann irgendetwas, das die Ängste aufwiegt? Irgendetwas, für das es sich lohnt,
so viel aushalten zu müssen?
Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht.
Mondkind
Bildquelle: Pixabay
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