Stippvisite... ?


„Magic Monday“ mal wieder überstanden. Nach 12 Stunden auf der Station.
Der Tag war ein bisschen unorganisiert, aber ich bin ganz gut durchgekommen. Dafür bahnen sich halt ein paar kleinere Katastrophen für die nächsten Tage an.
Gefühlt musste heute die halbe Station eine Lumbalpunktion bekommen. Zum Glück hat es keinen meiner Patienten getroffen, aber irgendwann werde ich sicher auch wieder dabei sein. Zwei Patienten musste ich heute übernehmen, bei denen das Konzept nach der Entlassung unklar ist. Das wird morgen in der Chefarztvisite wieder Stress geben – das ist leider absehbar. Aber nachdem ich heute schon schnellstmöglich den Sozialdienst darauf angesetzt habe, geht es jetzt eben nicht schneller. Dann kann ich morgen zumindest sagen, dass ich dran bin und mir das Problem durchaus bewusst ist.
Und die Frau mit ihrem akuten Nierenversagen ist ein kleines Wunder. Genauso schnell, wie die Nieren sich verabschiedet haben, erholen sie sich auch wieder. Mittlerweile sind wir fast wieder bei den Vorwerten. Ein Moment, in dem selbst einer Mondkind mal ein ehrliches, erleichtertes Lächeln über die Mundwinkel huscht.

Ansonsten habe ich es jetzt zumindest mal versucht, nachdem ich dazu angehalten wurde, mich aktiv um Verbesserung zu bemühen, mit dem Oberarzt über die aktuelle Situation auf der Arbeit zu sprechen, um da den Druck raus zu nehmen. Genauer gesagt habe ich ihm zu dem Thema eine Mail geschrieben. Das hat nämlich den Vorteil, dass nicht alle zwei Minuten ein Telefon klingelt und danach alle Beteiligten den Faden wieder verloren haben. Langsam müssten wir halt mal überlegen, wie ich die Dinge lernen kann. Und wie wir sie bis dahin lösen, dass mich das nicht so exorbitant stresst.
„Wir kriegen das hin“, ist alles, was ich bislang dazu gehört – oder eher gelesen… - habe. Was trotzdem nichts daran ändert, dass heute schon wieder drei Briefe mit nicht befundeten EEGs in meinem Fach lagen, die ich dann mal auf meinem Schreibtisch gelagert habe.
Die Therapeutin hat vorgeschlagen, dass ich zumindest versuchen soll die zu befunden und dann damit zum Oberarzt dackeln und ihn um Rückmeldung bitten soll. Für so ein 20 – minütiges EEG werde ich nur leider zwei Stunden brauchen. Mindestens. Es braucht eben viel Erfahrung, um begründen zu können, warum man eine Zacke jetzt für eine epilepsietypisches Potential oder ein Artefakt hält. Meistens ist es Letzteres, habe ich von den Kollegen gehört. Und es ist ja nicht so, als würde ich da nicht jeden Abend bis 19 Uhr sitzen.

Auch meine beiden Tage Urlaub für nächste Woche wurden jetzt endlich mal genehmigt. Hauptsächlich hatte ich die wegen der Küche genommen, die nämlich am Dienstag kommt. Zwischenzeitlich war mal geplant gewesen, den Feiertag zu nutzen und der Studienstadt zwischen Freitag und Montag einen Besuch abzustatten.
Ehrlich gesagt verunsichert mich das im Moment alles sehr. Einige Freunde hängen mir da jetzt ziemlich in den Ohren und irgendwie ehrt es mich schon, dass ich scheinbar nicht vergessen werde, da oben. Auch, wenn wir uns nur noch ganz selten sehen werden und ich so viel arbeite, dass telefonieren eigentlich nur mal kurz am Wochenende, wenn ich nebenbei noch den Haushalt um die Ohren habe, möglich ist.
Andererseits weiß ich nicht, woher ich jetzt die Kraft für diese Mammut – Tour nehmen soll. Wer sich noch an mein PJ erinnern kann weiß, wie sehr diese Touren geschlaucht haben und wie sehr ich danach meistens in der Ecke hing. Das kann ich mir nur jetzt nicht mehr leisten.
Und auch emotional war das eine große Herausforderung – und die wird es auch wieder werden. Es war ein schneller Abschied Ende August. Und wie wird es sein, all die vertrauten Ecken wieder zu sehen, durch die man das letzte Mal mit der Hoffnung gestreift ist, dass es endlich besser wird...? Schmerzhaft vermutlich. Denn jetzt… - jetzt weiß man gerade immer noch nicht, ob man das Ende des Jahres noch erleben wird.
Und wenn ich schon mal da bin, dann statte ich vielleicht auch der Klinik mal einen Besuch ab. Aber zurück an diesen Ort zu kommen, an dem man so bemüht war die Dinge zu wenden, damit es genau nicht so läuft, wie es jetzt ist – wie wird das werden?  Kann ich dieses ganze emotionale Chaos, das im Zusammenhang mit der Klinik steht aushalten und danach wieder „ausknipsen“? Und so tun, als würde ich mit beiden Beinen im Leben stehen, obwohl ich mich von meiner emotionalen Verfassung her sicher locker unter die Patienten einreihen könnte?
Wer sich noch an meinen Psychosomatik – Besuch auf dem Klinikgelände vor geraumer Zeit erinnern kann wird noch wissen, dass die Erinnerungen mich mehr überflutet haben, als ich das vorher gedacht hätte.

Leben zwischen den Welten...
Irgendwie hat das noch nicht aufgehört...
Ein bisschen vermisse ich sie schon... - die Stadt, in der ich studiert habe. Und in der ich am Ende doch ein paar Freunde gefunden habe.


Wäre das nicht sinnvoller, Kräfte zu sparen? Vielleicht mal die Zeit zu nutzen und sich mit Kakao und Buch aufs Sofa zu chillen… ? Obwohl jeder der mich kennt weiß, dass ich das nicht tun werde. Und stattdessen lieber mein Konzept eines dreiphasigen Flussdiagramms aufstelle, das ich mir überlegt habe und das bis Ende des Jahres fertig sein soll, um mich über die angedrohten Dienste zu retten.
In Wahrheit werde ich ein paar freie Tage wohl eher nicht mit „chillen“ verbringen, sondern damit mich davon zu überzeugen, dass es keine gute Idee ist, den Schlupfwinkel, dass ein paar Tage mal keiner nach mir fragt, auszunutzen. Und dann wird das eben auch nicht so entspannend.

Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß ist, dass ich jetzt mein Bett brauche.
Und nicht darüber nachdenken darf, was da morgen wieder auf mich wartet. Chefarztvisite. Ohne Konzept bei so manchem Patienten, den ich heute geerbt habe. Sehr ungünstig für eine Chefarztvisite.

Mondkind

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