Home

Another summer day
Has come and gone away
In Paris and Rome
But I want to go home



[…]



And I feel just like I'm living someone else's life
It's like I just stepped outside
When everything was going right



(Michael Buble / Westlife)





Zu Hause.

Zu Hause ist ein schwieriger Begriff geworden. Mondkind benutzt ihn fast genauso inflationär wie jeder andere, obwohl sie nicht nach Hause kommt, wenn sie durch eine Haustür geht.



Zu Hause – das gab es schon lange nicht mehr, bevor Mondkind ausgezogen ist.

Zuletzt hat sie mit ihrer Schwester und ihrer Mama unter einem Dach gewohnt, aber sie hatten sich nichts mehr zu sagen, obwohl sie einander brauchen.

Dass Mondkind mal nach Hause kam und in den Arm genommen wurde oder gefragt wurde, wie ihr Tag war, war schon sehr lange her. Sie lebten unter einem Dach, aber doch irgendwie getrennt. Aneinander vorbei. Und wenn sie sich etwas zu sagen hatten, bestand das nur aus Epressungen und unterschwelligen Drohungen.

Mondkind liebt ihre Familie. Liebt sie trotz allem, was geschehen ist und glaubt, dass vielleicht alle Beteiligten so sehr gefangen in dem System sind, dass sie nicht anders handeln konnten und immer noch können.



Mondkind hat versucht ein zu Hause an einem neuen Ort zu finden.

„Wo wohnst Du denn jetzt?“, wurde Mondkind gefragt, nachdem sie im Krankenhaus beim Mittagessen erzählt hatte, dass sie von zu Hause ausgezogen war. „Bei einer Familie zur Untermiete“, gab Mondkind zurück. „Was heißt Untermiete?“, fragte der Oberarzt. „Hast Du da so eine kleine Einliegerwohnung?“ „Nein ich wohne bei denen mit im Haus“, erwiderte Mondkind. Der Oberarzt hakte nochmal genau nach, was das heißt und sie erklärte, dass sie da im Prinzip wie ein Familienmitglied eingegliedert ist, obwohl sie keins ist.

„Und wie viel kriegst Du dafür?“, fragte er. Mondkind schaute irritiert die anderen an. „Ich denke mal, sie muss Miete bezahlen“, klinkte sich die andere Oberärztin ein. „Also ernsthaft, aber das hätte ich mir nicht angetan, selbst wenn mich jemand dafür bezahlt hätte“, sagte der Oberarzt und schob sich die nächste Gabel in den Mund.



Mondkind fühlt sich ein wenig gekränkt von diesen negativen Kommentaren, obwohl sie weiß, wo die anderen das Problem sehen und genau das das Problem ist.

Sie vermisst diesen Wohnort. Sie vermisst ein „Hallo Mondkind, schön, dass Du da bist“. Ein „Mondkind, wie war Dein Tag.“ Ein „Mondkind, hast Du Lust mit mir eine Runde mit dem Hund zu gehen?“ Sie vermisst die Umarmung, wenn sie morgens das Haus verlässt und die ihr Kraft für den Tag gibt und sie vermisst – auch wenn es manchmal nervt – das pausenlose Gegacker am Esstisch.



Und gleichzeitig weiß sie: Sie gehört dort einfach nicht hin. Sie ist kein Familienmitglied und sie hat kein Recht auf irgendetwas. Und manchmal tut es weh.

Es tut ihr weh, wenn sie abends die Treppen herunter kommt und ihre Vermieterin und deren Tocher aneinander geschmiegt auf dem Sofa sitzen. Es tut ihr weh, wenn eine Geschäftigkeit im Haus herrscht, jeder auf Zack ist, offensichtlich weiß was geplant ist und sie nur hört, dass zwischendurch mal jemand zur Tür hinein kommt und fünf Minuten später das Auto wieder anspringt und das Haus komplett leer ist. Sie fühlt sich dann so ausgeschlossen, aber eigentlich „darf“ sie das gar nicht fühlen, denn sie gehört nicht dazu.

Und gleichzeitig gehört sie eben doch irgendwie dazu – zumindest, wenn es um Organisation geht. Wenn mal absolut keiner für den Hund da ist, sie aber eigentlich auch keine Zeit hat. Und selbst dann kann sie – weil sie ja auch irgendwie nicht dazu gehört – es sich nicht heraus nehmen mit ihrer Vermieterin zu streiten, oder nein zu sagen.

In der Position ist sie einfach nicht.



Sie würde gerne einen Ort finden, der ein zu Hause ist. Einen Ort, an den sie wirklich gehört. An dem sie sich fallen lassen kann und immer Menschen da sind, die sie willkommen heißen.

Manchmal glaubt Mondkind nach allem was sie durch gemacht hat, an jedem Ort der Welt leben zu können – zumindest in Bezug auf das Heimatgefühl. Weniger als in den letzten anderthalb Jahren kann man sich gar nicht heimisch fühlen. Das Wort Heimweh ist ihr fremd geworden. Wie kann man etwas vermissen, das man nicht mehr hat? Vielleicht lebt sie aber auch im permanenten Heimweh. Weil ihr immer etwas fehlt.



Home - dieses Lied hört Mondkind nur in Stille. Nur, wenn sie alleine ist. Tränen rollen können, ohne, dass es jemand mitbekommt. Seitdem Mondkind auf der Suche ist, ist dieses Lied zu ihrer Hymne geworden. Egal wo sie ist, egal, wie lau die Sommerabende sind, egal, wie wunderhübsch die Städte sind und egal wie viele Menschen um sie herum sind und ihr vielleicht sogar das Gefühl geben wollen, nicht alleine zu sein.

Aber etwas fehlt. Immer.

Alles Liebe
Mondkind

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