Der Hase Humphrey

Da ich weiß, dass einige Leser dieses Blogs hin und wieder dieselben Probleme haben wie ich, möchte ich auch einige kleine Hilfen nicht vorenthalten...
Und während der Verkehrslärm der Großstadt und die Glocken der gegenüberliegenden Kirche mich schon am frühen Morgen geweckt haben und ich noch warte, dass meine Freundin sich unter der Bettdecke hervor schält, dachte ich ich könnte doch ein wenig schreiben...

***

„Ich weiß auch langsam nicht mehr, wie das weiter gehen sollen mit der Negativität“, erklärt Mondkind, wobei sie und ihr Gegenüber sich stillschweigend geeinigt haben, dass „Negativität“ ein anderes Wort für Suizidgedanken ist. Mit dem Unterschied, dass „Negativität“ nicht ganz so schlimm klingt und Mondkind einfacher darüber sprechen kann.
„Es gibt keinen Tag ohne. Das begleitet mich morgens beim Aufstehen, bis ich abends ins Bett gehe und gefühlt steht es immer kurz vor dem Kippen. Ich weiß aber auch, dass ich es mir wahrscheinlich nur noch schwerer machen würde, wenn ich dem nachgeben würde…“

Kurzes Schweigen auf der anderen Seite.
„Hast Du denn schon mal versucht, der Negativität einen Namen zu geben?“
„Ähm… - nein…?“
„Mach das doch einfach mal. Stell Dir ein Tier vor und benenne es. Zum Beispiel der „Hase Humphrey…“ (Ich habe das mal gegoogelt, den gibt es wirklich, aber ich hatte noch keine Zeit, mich mit diesem Hasen zu befassen…)
„Und dann…?“
„Dann führst Du jeden Morgen ein kurzes Gespräch mit dem Tier. Vielleicht hilft das, eine gewisse Distanz zu der Negativität aufzubauen und das von Außen etwas rationaler zu betrachten. Dann erschlägt es Dich nicht ganz so sehr und Du fühlst Dich vielleicht nicht so machtlos. Und Du siehst vielleicht, dass Du - auch wenn es so akut ist - mehr als die Negativität bist. Denn der Hase ist zwar da und wird so schnell auch nicht gehen, aber er ist eben nur ein Teil. Warum er sich bei Dir hin und wieder so stark in den Vordergrund drängt, das muss man noch klären. Aber es wäre eine Möglichkeit es erstmal zu akzeptieren, dass es so ist, ohne sich davon völlig vereinnahmen zu lassen.“

Das Gespräch ist mittlerweile einige Tage her. Manchmal überfällt es Mondkind so stark, dass sie diesen Tipp „vergisst“, aber sie hat es schon ein paar Mal versucht. Wahrscheinlich ist das – so wie alles – auch eine große Frage der Übung.
Aber es ist eine verdammt gute Strategie.
Es so zu versuchen, hat Mondkind in zwölf Wochen Klinik keiner erklärt. Dass dieses Gespräch mit einem Menschen statt gefunden hat, der absolut gar nichts darüber wissen dürfte, ist mal eine ganz andere Sache. Aber vielleicht ist auch das erstmal in Ordnung, wenn es für beide Seiten okay ist. Und Fragen wie "Wie steht es eigentlich mit der Negativität?" oder "Was macht denn das Schlafen?" im Gespräch einfach so eingestreut werden, ohne daraus ein großes Fass zu machen. 

Mondkind

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