Weil Familie doch immer hinterher zieht...
20 Uhr.
Ich bin fertig mit dem Tag.
Ob es die Hitze ist, meine psychische Verfassung, die gerade ziemlich
im Eimer ist, die dünne Personaldecke im Krankenhaus – ich weiß es nicht. Auf
jeden Fall bin ich einfach nur müde.
Und da ist sie auch wieder: Die altbekannte Angst morgens auf Arbeit
zu gehen. Angst davor, Fehler zu machen, zu arg kritisiert zu werden, wenn ich
weiß, dass das Gleichgewicht, das ich am Morgen aufgestellt habe sehr wackelig
ist und schon ein etwas schärferer Ton, es fast zum Kippen bringt.
Tage, in denen ich wie ein Schwamm bin. In denen ich alles aufsauge;
allen voran die negativen Dinge.
20 Uhr, bereits geduscht und auf dem Weg ins Bett.
Eine whatsApp der Schwester: „Kannst Du nochmal anrufen?“
Ich rufe an.
Ich höre, was gerade in der Familie wieder los ist. Und alles, was man
immer so kommen sieht und doch hofft, dass es nicht passiert, kommt.
Ich möchte es an der Stelle nicht genau erklären, aber meine Schwester
geht da unter. Emotionale Erpressung vom Feinsten. Spurst Du nicht wie wir
wollen, sterben am Ende noch die Meerschweinchen. Keine logischen
Argumentationen. Nur Zwang, Erpressung, verbale Gewalt.
Ich bin einfach immer wieder froh, dass ich nicht mehr dort bin. Dass
ich es geschafft habe, mich von dieser Familie los zu reißen. Dass ich jetzt
meinen eigenen Weg gehe, der auch nicht einfach ist, aber zumindest habe ich
eine Chance, dass es irgendwann mal okay wird.
Und dennoch - egal, wo ich in Deutschland nun auch sitze: Die Familie
holt einen doch immer wieder ein. Und irgendwie liebt man sie ja doch alle. Und
ist auf der anderen Seite so wütend, traurig und hilflos. Denn man kann ja doch
nichts machen.
Man redet und diskutiert immer gegen Wände. Und ist das schwarze Schaf
der Familie, weil man ein paar Dinge einfach mal gesagt hat.
Und auch wenn meine Mutter das wohl eher nicht für möglich halten
würde, sitze auch ich hier und zerbreche mir den Kopf darüber, wie man für
alle die Situation verbessern kann.
Und manchmal frage ich mich, ob ich je hätte gehen dürfen. Ob ich es
nicht einfach hätte mitaushalten und mittragen müssen. Ich kann mich doch nicht
einfach so aus dem Staub machen und mit guten Ratschlägen aus der Ferne um mich
schmeißen.
Und mehr als kaputt gehen hätte ich daran auch nicht können. Und das
bin ich ja nach meinem Auszug trotzdem. Das hat auch nicht mehr verhindert,
dass es in der Psychiatrie geendet ist.
Es ist einfach so, so furchtbar. Und ich sitze hier am anderen Ende
von Deutschland und kann einfach nichts tun. Überhaupt gar nichts.
Das war es dann wohl jetzt mit dem frühen Schlafen, nehme ich an…
Und ich weiß, ich darf darüber nicht verzweifeln. Nicht so sehr, dass
ich nicht mehr arbeiten kann. Es ging noch nie um so viel, wie in diesen Tagen.
Vielleicht ist auch das etwas zu absolutistisch gedacht, aber wenn ich hier
auffalle oder ausfalle, kann ich mir am Ende doch noch die Zukunft verbauen,
für die ich so lange gekämpft habe.
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Der Kurpark mal aus einer anderen Perspektive... |
Mondkind
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