Ein bisschen Panik
Die Weihnachtsfeiertage sind vorbei und ich bin quasi auf dem Sprung.
Ich frühstücke noch bei meinem Vater und dann bringt er mich zurück in die
Studienstadt und repariert noch meine lila Lampe neben dem Bett, die meiner
Untermieterin kaputt gegangen war.
Meine Aufgabe der nächsten 1,5 Tage ist es, die Kisten wieder
auszupacken. Außerdem sehe ich Freitag endlich meine Therapeutin wieder und ich
wollte mich auch noch vor Silvester mit zwei Freunden treffen. Hinsichtlich
Silvester hängt mir meine Mama schon wieder in den Ohren und möchte wissen,
wann auf die Minute genau ich denn nun komme.
Nachdem ihre erste Frage bei meinem obligatorischen Anruf zu
Weihnachten allerdings war: „Mondkind, Du möchtest doch nach dem Examen sofort
anfangen zu arbeiten?“ und sie auf mein „So ziemlich ja“ entgegnete: „Also nicht
erst in die Klinik oder so etwas?“, habe ich auf die ganze Nummer schon wieder
keine Lust mehr. Natürlich war das eine Lüge und für einen kurzen Moment habe
ich überlegt, ihr an den Kopf zu knallen, dass das mit dem Oberarzt in der
Neuro und dem Oberarzt der Psychiatrie schon abgesprochen und auch mehr oder
weniger eingefädelt ist. Ich entschließ mich dann aber doch, es zu lassen.
Meiner Mama ist alles zuzutrauen und ich muss nicht denselben Fehler wie im
Frühling machen.
Einfach in die Kerzen schauen und ein bisschen denken... |
So allmählich bekomme ich Panik. Alles was in der Ferne noch irgendwie
machbar erschien, wirft jetzt viele Fragen auf. Das fängt mit dem Ummelden in
die Studienstadt an. Ich weiß überhaupt nicht, was ich für Dokumente mitbringen
muss – der Mietvertrag macht keinen Sinn, davon abgesehen habe ich die Kiste
mit diesen Unterlagen in meinem Elternhaus einquartiert. Vielleicht irgendeinen
PJ – Vertrag? So etwas muss es ja eigentlich geben, allerdings läuft das an
unserer Uni alles etwas komisch und keiner weiß, wo da welche Dokumente landen.
Da werde ich ewig hinterher telefonieren müssen. Davon abgesehen ist das
nächstgelegene Bürgerbüro bis auf weiteres ausgebucht.
Dann geistert mir der nächste Arzttermin in der Ambulanz durch den
Kopf. Der Neuro – Oberdoc hatte da einige Änderungsvorschläge hinsichtlich der
Medikamente, die mich zumindest ganz gut arbeitsfähig halten. Auf meinen
Einwand hin: „Ich bin gerade mal 25 – ich kann doch nicht drei Psychopharmaka
nehmen“, erklärte er mir, dass ich das – bis wir unser Ziel in Form eines
bestandenen Examens erreicht haben – schon machen könne. Und danach – so seine
Überzeugung – wird es ja ohnehin besser, wenn ich wieder in der Neuro bin und
dort auch bleibe. Nur ob das mein ambulant behandelnder Psychiater – der schon
wieder ein anderer ist und den ich absolut nicht kenne – auch so sieht, ist
fraglich.
Und dann bekomme ich ohnehin die Krise, wenn jede Woche ein oder zwei
Nachmittage ausgebucht sind. Arbeiten geht gerade so, aber darüber hinaus
bekomme ich ziemlich wenig gebacken. Auf der Neuro habe ich es nicht mal
geschafft einkaufen zu gehen – das wird mit einem winzigen Kühlschrank und ohne
der Möglichkeit im Krankenhaus essen zu gehen, auch nicht funktionieren.
Und dann frage ich mich: Oh man Mondkind, was hast Du eigentlich in
den letzten Monaten gemacht? Das Neuro – Fallbuch ist nicht fertig
durchgearbeitet und zusammen gefasst, für Innere habe ich mal so überhaupt
keinen Plan, wie ich fürs Examen lernen soll und unsere Chirurgievorlesungen
haben nie stattgefunden und vor der
Klausur hat man uns die Fragen vorgesagt. Also kann ich in Chirurgie auch
nichts. Und im Januar wird lerntechnisch auch nicht viel werden.
Auch mit den Finanzen wird es schwierig. Durch das PJ - Gehalt, wird der Unterhalt wohl eingestrichen. Jetzt muss ich aber auch wieder Miete zahlen und das Leben in der Uni - Stadt ist ohnehin teurer. Die Freundin von meinem Vater hat mir auch erklärt, dass sie mir im Sommer ihr Auto verkaufen würde, da sie ohnehin ein neues bräuchte. Ich bräuchte halt im Dorf dort unten wahrscheinlich auch eins - jedenfalls würde es vieles erleichtern. Aber woher soll das Geld kommen... ? Ich muss erstmal sehen, dass ich ohne Minus über die Monate komme und die Klinik - Zeit überbrücken kann.
Auch mit den Finanzen wird es schwierig. Durch das PJ - Gehalt, wird der Unterhalt wohl eingestrichen. Jetzt muss ich aber auch wieder Miete zahlen und das Leben in der Uni - Stadt ist ohnehin teurer. Die Freundin von meinem Vater hat mir auch erklärt, dass sie mir im Sommer ihr Auto verkaufen würde, da sie ohnehin ein neues bräuchte. Ich bräuchte halt im Dorf dort unten wahrscheinlich auch eins - jedenfalls würde es vieles erleichtern. Aber woher soll das Geld kommen... ? Ich muss erstmal sehen, dass ich ohne Minus über die Monate komme und die Klinik - Zeit überbrücken kann.
Panik – Schleife. Was ist, wenn es jetzt zu viel wird? Wenn alle
Eingeweihten in der Neuro zwar behaupteten, dass sie es sehr bewundern, wie
souverän ich mich durchschlage, aber einfach davon ausgehen, dass ich die
Chirurgie auch schaffe.
Ich lag gestern Nacht im Bett und mir ist aufgefallen, dass es eine
Sache in den letzten Monaten nicht so stark gab: Das Gehangel von Punkt zu
Punkt.
Wenn ich in der Panikschleife drin war und mich selbst nicht mehr
daraus befreien konnte, half ein Anruf an den Neuro – Oberdoc und wenn ich am
Nachmittag die Klinik verlassen habe, ging es meist schon etwas besser. Nicht
weil mir irgendwer hätte etwas abnehmen können, sondern weil man einfach mal
kurz drüber reden konnte. Und ich schon während des Erzählens dachte: „Mondkind,
eigentlich ist das doch ein bisschen albern. Natürlich schaffst Du das. Und
irgendwann ist jeder Tag zu Ende.“
Das gibt es nicht mehr. Mittlerweile habe ich wieder genau im Kopf,
wie viele Tage es noch bis zur Therapietunde sind. Und wenn ich bedenke, dass
der Termin nach dem Freitag erst Ende Januar ist und das dann vielleicht der
Letzte ist… Ich kann ehrlich gesagt immer noch nicht nachvollziehen, warum mir
die Therapeutin nicht glaubt, dass der Beginn des Jahres mit allen Umstellungen
und allen zu erledigenden Dingen mir so unfassbar viel Angst macht. Ich
verstehe nicht, warum man mir nicht ein winziges Stück entgegen kommen und all
die Anstrengungen die ich unternehme, um den Alltag zu schaffen, nicht würdigen
kann. „Frau Mondkind, es muss nicht erst etwas passieren“, sagte die
Therapeutin mal. Aber ein planmäßiges Geradeaus laufen unter den größten
Anstrengungen, um ein Eskalieren der Situation zu verhindern, ist
offensichtlich kein ausreichender Grund um die Hilfe zu erhalten, die es
braucht.
Es ist einfach anstrengend, dieses Hangeln von Punkt zu Punkt. Und zu
wissen, dass es dazwischen irgendwie klappen muss – egal wie groß die Abstände
sind. Ich kann halt echt viel verlieren. Und wenn ich es verliere, dann ist das
so. Weil da ganz am Ende niemand ist.
Mondkind
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