Neuer Campus und Bewerbung
Psychisch läuft es alles andere als gut. Es mag mit dem Stress
zusammen hängen jetzt Entscheidungen – zwar nicht für immer – aber zumindest
für die nächsten Jahre treffen zu müssen. Damit, dass ich bald umziehen, noch
alles organisieren muss und in der Studienstadt wieder alles anders sein wird.
Und damit, dass ich wieder ein anderes soziales Gefüge um mich herum habe.
Der Seelsorger meinte, dass sich in jeder sozialen Beziehung die
Situation des Verlassen Werdens wiederholt. Ich habe das damals gar nicht als
so krassen und prägenden Einschnitt wahrgenommen, als unser Vater ausgezogen
ist. Das kam alles sehr plötzlich, unsere Mutter war komplett überfordert, aber
es musste weiter gehen. Zwei Wochen später standen die nächsten Klassenarbeiten
an. Zeit, um das zu verarbeiten, gab es nicht.
Es wäre eine Thematik, die ich eigentlich mal in der Ambulanz ansprechen müsste, damit man das vielleicht mal durchbrechen kann.
Es wäre eine Thematik, die ich eigentlich mal in der Ambulanz ansprechen müsste, damit man das vielleicht mal durchbrechen kann.
Freitag habe ich kurz mit dem Neuro – Oberarzt geredet. Er erklärte
mir, dass ich das alles weit besser geschafft habe, als er es mir zugetraut
habe. Allerdings muss man ja dazu sagen, dass ich es geschickt auf zwei
Schultern verteilt habe. Ich hoffe, er ändert seine Meinung dazu in den letzten
beiden Wochen nicht noch, wo es alles tendenziell nicht besser werden wird und
der Seelsorger nicht mehr da ist.
Es ist ein merkwürdiger Zustand. Beschreiben kann ich es nicht. Ich
kann nur sagen, dass es manchmal wirklich unaushaltbar wird. Und dann solche
Dinge passieren, wie Dienstagabend.
Ich bemerke, dass ich abends manchmal mit Magenschmerzen zusammen
gerollt im Bett liege, weil ich den ganzen Tag so angespannt und gestresst bin.
Ich spüre, dass mein Herz mehrfach am Tag anfängt zu rasen. Ich nehme auch
wahr, dass es mir mit den Menschen um mich herum zu anstrengend und zu viel
wird und ich selbst mir wenig zutraue. Plötzlich habe ich wieder Angst, eine
Anamnese zu erheben, die Kollegen um Rat zu fragen, den Oberarzt anzurufen. Die
tun mir alle nichts.
Wenn ich könnte, dann wäre es Zeit, einen Gang zurück zu schalten.
Aber ich kann nicht. Denn alles was da kommt, wird unweigerlich passieren. Ich
kann nichts daran ändern; mich nur damit arrangieren.
Ich habe deshalb lange überlegt, ob ich heute wirklich zum Tag der
offenen Tür des neuen Campus gehen soll. Allein zwischen ganz vielen
unbekannten Menschen. Und vielleicht muss man Small – Talk mit Kollegen halten.
Und das ist gerade schwer.
Aber ich möchte doch schon wissen, wie das Krankenhaus in dem ich
eventuell bald arbeiten werde, von innen aussieht. Also entschließe ich mich
doch zu gehen.
Allein der Eingangsbereich ist imposant. Rundherum sind hier unter
einer Glaskuppel, die es von der Größe her mit der des Bundestages aufnehmen
kann, die Facharztpraxen untergebracht. Die Beleuchtung rührt von riesigen
Ringen her, die von der Decke hängen. Alle höher liegenden Etagen sind im Stil
von Emporen realisiert, sodass alle Stockwerke miteinander verbunden sind und
man immer das Wahrzeichen der
Klinik - die Glaskuppel - über sich sieht.
Über eine Rolltreppe kommt man dann in den Klinikkomplex, der aus vier
Gebäuden, die miteinander verbunden sind und einem Innenhof besteht.
Ganz im Ernst – natürlich sind einige Dinge noch nicht ganz fertig.
Aber für drei Jahre Bauzeit, hat man ein beeindruckendes Gebäude aus dem Boden
gestampft.
Relativ früh auf meinem Rundgang komme ich am Gehirnmodell vorbei.
Also… - „Gehirn“. Das Ganze erinnert eher an ein undefinierbares Gebilde auf
einem Kinderspielplatz. Ich glaube, ich muss mich bis morgen nicht mehr
verrückt machen, die Neuroanatomie auf dem Schirm zu haben. Ein bisschen
detaillierter hatte ich mir das Gehirnmodell schon vorgestellt.
Ich bin kaum fünf Minuten unterwegs, da läuft mir der Chef der inneren
Medizin in die Arme. Er möchte wissen, wo ich jetzt gerade arbeite und wie es
mir gefällt. Ich habe schon Sorge, dass er auf das Thema Stellenplanung kommt,
aber er verschont mich zum Glück.
Der Rundgang führt durch alle vier Klinikkomplexe und irgendwann habe
ich gar keine Ahnung mehr, wo ich eigentlich bin. Die Patientenzimmer sind
immer für maximal zwei Patienten. Es sind große, helle Zimmer. Als Patient wird
man sich schon einigermaßen wohl fühlen, denke ich.
Auch vom OP – Bereich bin ich positiv überrascht. Natürlich wird auch
hier alles steril sein, aber die Räume sind nicht so abstoßend, wie viele
andere OP – Sääle, die ich im Verlauf des Studiums gesehen habe. Vielleicht
wäre hier sogar die Chirurgie aushaltbar.
Ich komme an der neuen Neuro – Notaufnahme vorbei. Eigentlich hatte
ich nicht unbedingt hinein gehen wollen, aber man hat mich schon gesehen und
winkt mich herein. Einer der Oberärzte führt den Ultraschall von Halsgefäßen an
neugierigen Besuchern durch. Ehrlich gesagt möchte ich den Job nicht machen.
Was macht man denn jetzt, wenn man da wen mit einer 80 %- igen Stenose oder so
etwas ähnlichem heraus fischt?
Irgendwie denke ich immer, dass jede Unsicherheit im eigenen Tun in
der Neuro sofort auffallen muss. Ich glaube im Verlauf des Studiums vergisst
man ein wenig, wie viel der Otto – Normalverbraucher über die Medizin weiß. Die
meisten wissen nicht, wie die Gefäße verlaufen. Und merken gar nicht, wenn der
Arzt mal eine Weile suchen muss. Das soll keineswegs eine Abwertung sein, aber
ich stresse mich immer so damit, weil ich Sorge habe sofort durchschaut zu
werden.
Kurz nachdem ich den Rundgang fortgesetzt habe, kommt der Neuro –
Oberarzt von der Stroke Unit auf mich zu – der, mit dem ich noch über das Thema
Stelle reden muss. Das erledigen wir gleich mal im Gehen, denn wie so oft in der
letzten Zeit ist es wieder Thema. „Mondkind, Du brauchst keine Bewerbung,
ich schreibe Dich einfach auf den Stellenplan…“, erklärt er mir. „Ich muss den
Plan nur bald abgeben und dann könnte ich Dich schonmal einkalkulieren. Ab wann
könntest Du denn?“ „So ganz sicher ist es noch nicht – ich komme auf jeden
Fall, nur über den Zeitpunkt kann ich aktuell leider nur zwischen Juli und
Oktober sagen“, entgegne ich. „Okay, das reicht für mich erstmal, aber dann
plane ich Dich ein.“
Naja… - damit wäre die Entscheidung getroffen würde ich mal sagen,
oder? Obwohl ich das, denke ich, nochmal ansprechen muss, denn bei all den
Eindrücken heute, gehen manche Dinge vielleicht unter... und ich sollte auch zumindest fragen, ob es möglich wäre, zunächst im Personalwohnheim unterzukommen. Wie soll ich aus 500 Kilometer Entfernung eine Wohnung suchen, wenn ich darüber hinaus nach dem Examen auch gerade in der Psychiatrie bin?
Für mich ist das jetzt in Ordnung so. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, ich habe es nach bestem Wissen und Gewissen entschieden und wie sich der Campus entwickelt – das weiß keiner. Heute glaube ich, dass es für meine berufliche Laufbahn viele Chancen geben wird, aber wenn sich das irgendwann anders darstellt, kann man sich immer wieder umorientieren. Und dann muss ich mir keine Vorwürfe machen – ich kann heute noch nicht in die Zukunft schauen.
Für mich ist das jetzt in Ordnung so. Ich habe mir viele Gedanken gemacht, ich habe es nach bestem Wissen und Gewissen entschieden und wie sich der Campus entwickelt – das weiß keiner. Heute glaube ich, dass es für meine berufliche Laufbahn viele Chancen geben wird, aber wenn sich das irgendwann anders darstellt, kann man sich immer wieder umorientieren. Und dann muss ich mir keine Vorwürfe machen – ich kann heute noch nicht in die Zukunft schauen.
Aber ich glaube, wenn ich mir immer sagen würde: „Mondkind, was wäre
wohl geworden, wenn…“ und jede Stelle, die ich antrete mit der Neurologie hier
vergleichen würde – das wäre auch nicht entspannt.
Es wird schon gut werden…
Wo wir mittlerweile in diesem Gebäude genau sind – ich habe den
Überblick verloren. Aber dazu gibt es an jeder Ecke in blau gekleidete,
freundliche Streckenposten, die den Weg leiten. Immer wieder trifft man
bekannte Gesichter. Manche kennen mich nicht – wie die Leute in der Anästhesie
oder der Kardiologie. Hier war ich „nur“ im kardiovaskulären Praktikum und eine
von vielen.
Aber in der Endoskopie laufe ich ehemaligen Kollegen in die Arme und
auch beim Schwenk über die Palliativstation hört man altbekannte Stimmen.
Der Weg durchs Krankenhaus hat bestimmt eine Stunde gedauert und ist
nichts für müde Füße. Ich hätte Euch so gern ein paar Bilder präsentiert, aber
da werden zum Einen immer viel zu viele Menschen drauf sein und zum anderen ist
an jeder Ecke das Logo des Unternehmens verewigt.
Die Preisfrage ist: Was mache ich jetzt mit der Bewerbung? Der Chef
hat mir erklärt, er hätte gern eine Bewerbung in Papierform. Der Oberarzt
meint, es ist nicht nötig. Stellt sich die Frage: Wer ist verantwortlich für
diesen Stellenplan?
Wenn der Chef eine Bewerbung möchte, werde ich schon eine schreiben
müssen. Und das ist auch wirklich nicht das Problem – wenn ich etwas kann, dann
ist es schreiben. Es ist mir auch wichtig, dass die Bewerbung am Ende
qualitativ hochwertig ist, auch wenn es eigentlich klar ist, dass es nur eine
Formalität ist, weil viel mehr als die Bewerbung der Eindruck der letzten
Monate zählt. Dennoch ist es mir ein Anliegen, dass die Bewerbung so gut wie möglich wird, um zu verdeutlichen, wie wichtig mir eine Tätigkeit an genau
diesem Krankenhaus ist. Es ist nur die Frage: Was mache ich mit dem
Bewerbungsfoto? Ich habe eigentlich weder die Zeit noch das Geld, jetzt Fotos
machen zu lassen. Ich habe noch Bewerbungsfotos, die schon einige Jahre alt
sind. Die sind auch gut und wurden professionell gemacht. Ich glaube nur, es
gibt kein ausgedrucktes Foto mehr davon und wenn, dann sind die im Haus meiner
Mutter garantiert verloren gegangen. Digital habe ich sie aber noch. Wenn man
sich erkundigt, wie Bewerbungen auszusehen haben, gehen alte Fotos ja mal
absolut überhaupt nicht. Aber steht das jetzt in irgendeiner Relation, für 70
bis 100 Euro neue Fotos machen zu lassen, von denen ich genau eines brauche?
Ich weiß es nicht. Falls jemand dazu eine Idee hat… -- >
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So… - morgen ist zweiter Advent – ich wünsche allen Lesern einen
besinnlichen Sonntag. Ich selbst bin ganz froh, dass ich vom Weihnachtsflair
morgen nicht viel mitbekomme und vom frühen Nachmittag bis in die Abendstunden
neben dem Gehirn stehe – dann bin ich abgelenkt und kann psychisch nicht ganz
so abstürzen; dann macht nur mein Körper darauf aufmerksam, dass irgendetwas in
Schieflage ist.
Und auch wenn viele Kollegen das anders sehen (und man vielleicht nach
einer gewissen Anzahl von Stunden auch keine Lust mehr hat), aber irgendwie kann
das denke ich ganz nett werden. Ich hoffe nur, ich komme mit der Kollegin
zurecht, mit der ich es mache – das war in den letzten Tagen etwas schwierig.
Ob der Tag dann morgen so interessant ist, dass er einen Blogeintrag
wert ist – man wird es sehen…
Mondkind
Für ein Bewerbungsfoto brauchst du ja so gesehen ein lächelndes Passfoto. Passfotos kann man z.B. auch bei dm machen lassen. Vielleicht kann man da mal nachfragen. Ansonsten mach mit einer Freundin Fotos vor einem neutralen Hintergrund. Kann man dnn für ein par Cent bei dm ausdrucken. Direkt vom Handy. Das Foto muss ja nicht Germany's Next Topmodel tauglich sein. Grade nicht in deinem Fall wo die Stelle fast sicher ist. Du sollstest lächeln und darauf erkennbar sein.
AntwortenLöschenDanke Dir, das wäre natürlich auch noch eine Idee... Wobei ich dafür vielleicht lieber einen vernünftigen Fotoapperat anstatt des Handys nehmen sollte. Aber der ließe ich aktivieren.
LöschenIst dann halt die Frage, ob man ein selbst erstelltes, aktuelles Foto nimmt, oder ein professionelles Foto, das halt zwei bis drei Jahre alt ist...