Psychiatrie #60 Ein Ende und Reflektion
Ich weiß nicht, ob ich schon bereit bin. Für eine Reflektion der
vergangenen zwei Tage und der letzten Wochen. Es ist am Ende definitiv nichts
so gelaufen, wie es wünschenswert gewesen wäre. Nichts.
60. Blogpost aus der Psychiatrie. Und der Letzte. Mit einem Ende, das ich im Leben nicht vermutet hätte vor ein paar Tagen.
Samstagmorgen gehe ich bewusst meine Wohnung auf und ab. Nach beinahe
zwei Monaten riecht das erste Wasser, das nach dem Hahn aufdrehen aus der
Leitung kommt, seltsam abgestanden. Das Wasser, das ich noch auf meinen Händen
gespürt hätte, hätte ich damals den Hahn zwei Sekunden länger offen gelassen.
Auf meinem Bett liegen noch zwei Stapel von T – shirts und Pullovern,
die übergangsweise in dem Koffer geparkt waren, den ich mitgenommen habe. Und
daneben liegen eine dünne Strickjacke und ein kurzärmliger Schlafanzug, der
nicht mehr in den Koffer gepasst hat.
Die Küche haben die Nachbarn im Verlauf der letzten beiden Monate
weitestgehend leer geräumt. Die Kaffeemaschine hat in den letzten beiden
Monaten keine Wunderheilung erfahren, faucht immer noch und der Kaffee ist weit
schlechter als der Klinikkaffee. Da muss ich mal flott eine Lösung finden –
denn Mondkind ohne vernünftigen Kaffee, ist keine Mondkind.
Und… - es ist so sauber, dass man vom Boden essen könnte. Ich habe
meine Nachbarn gefragt, ob sie geputzt haben. Haben sie nicht. Vielleicht
sollte ich meine Putzroutine doch mal überdenken.
Ich spüre dieses Flattern in mir, das ich auch schon beim
Ergotherapeuten auf der geschützten Station hatte. Es ist zu früh für die alte
Welt. Viel zu früh.
Aber von vorne.
Gestern.
Freitag.
Morgens auf der geschützten Station. Ich bin schon eine Weile wach,
aber meine Motivation aufzustehen, ist wirklich gering. Die Uhren ticken hier
anders. Langsamer. Eine abgeschlossene und in sich geschlossene Welt.
Und ich… - beschließe noch ein paar Minuten liegen zu bleiben. Wer
weiß, in welchem Bett ich heute Nacht liege. Und, ob ich überhaupt in irgendeinem
Bett liege…
Beim Blutdruck messen fällt mein Blick auf die Ausgangsliste. Ich
suche meinen Namen, hinter dem „Kein Ausgang“ mit drei Ausrufezeichen steht.
Haben die ernsthaft Angst, dass ich weg laufe… ? Ich weiß es nicht. Die
scheinen mir ja viel Mist zuzutrauen.
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Mondkind eingewickelt in zwei Jacken, völlig übermüdet und erschöpft. |
Am Morgen sammelt mich der Ergotherapeut nochmal ein. Ich kenne ihn
noch von vor rund zwei Monaten. „Ich freue mich Sie wieder zu sehen, aber nicht
unter diesen Umständen…“ Es ist ein gutes Gespräch. Ein sehr Gutes. Vielleicht
– wenn man der ganzen Situation irgendetwas Gutes abgewinnen möchte – dann ist
es dieses Gespräch.
Im ersten Teil erzähle ich vom Job. Seitdem ich weg bin, habe es zwei
„Stationsrevolutionen“ gegeben. Es gehe niemand mehr nach 19 Uhr und wer das
erwäge zu tun, werde mit seinem Stuhl vor das abgeschlossene Büro geschoben.
Die geplanten Aufnahmen seien mittlerweile reduziert worden, weil selbst der
Chef eingesehen habe, dass das nicht mehr schaffbar sei. Außerdem gebe es mehr Zusammenhalt im Team,
man treffe sich jetzt öfter, gehe nach der Arbeit mal gemeinsam etwas essen. Ob
das alles am Ende zu Staub zerfällt, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht
wissen. Aber das kann ich jetzt nicht wissen und auch in zwei Wochen nicht.
Wenn ich das höre, dann entsteht eine gewisse Vorfreude auf die Arbeit – ob das
am Ende haltbar ist wird sich aber erst zeigen, wenn ich es versuche.
Im zweiten Teil des Gesprächs geht es um den verstorbenen Freund. Ich
erkläre, dass das auf der anderen Station kaum Thema sein durfte, ich mit dem Seelsorger
noch ein bisschen gearbeitet habe, aber dass das Thema steht, seitdem er weg
ist. Eigentlich wollte ich nicht weinen. Und mich hier emotional angreifbar
zeigen. Aber dann erkläre ich, dass es immer noch so viele Fragen gibt, die das
aufgeworfen hat, von denen ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Dass es
lange gedauert hat, zur Wahrheit zu stehen. Ehrlich zuzugeben, dass zwischen
unserem letzten Telefonat und seinem Ableben nur wenige Stunden gelegen haben.
Nicht zu glauben, dass ich mir irgendwann meine eigene Geschichte abnehme und
die Wahrheit vergesse, wenn ich sie nur lange genug ein bisschen verdreht
erzähle. Über die letzten Tage bin ich dahin gekommen, dass ich ihn für mich
selbst mit allen Wahrheiten im Kopf behalten möchte, die es jetzt sind. Wie es
geendet hat – das wird immer furchtbar bleiben. Aber Ziel muss es sein, die
Situation anzunehmen und zu akzeptieren. Einen Ort in mir zu finden, an dem die
Situation ruhen und ausruhen kann. An dem ich sie mir immer mal wieder
anschauen kann. Wenn ich das möchte. Aber wenn in mir all das einen so festen
Platz hat, dann weiß ich auch, dass er immer da ist. Auch, wenn ich nicht immer
an ihn denke. Wie genau ich das realisieren möchte, weiß ich noch nicht. Aber
es wird hoffentlich werden. Stück für Stück.
Ich merke, wie während des Gesprächs ein innerliches Flattern beginnt.
Irgendwie tut das Herz ein bisschen weh, ich zittere dezent. Es fühlt sich so
falsch an, hier aufrecht mit so einer festen Stimme zu sitzen, zuzugeben, dass
ich unsicher bin, aber zu vermitteln: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt das zu
versuchen. Ich weiß selbst nicht, woher plötzlich meine Wortgewandheit kommt,
die doch sonst so oft fehlt. Ich merke, wie ich fühle, dass es viel zu früh
ist. Viel zu früh.
Der Ergotherapeut findet meine Ausführungen gut. Und dann gibt es noch
ein paar Tipps und Tricks, wie ich zwischendurch etwas ruhiger werden kann.
Nur kurz danach sammelt mich der Stationsarzt nochmal ein. Er habe
Rücksprache mit der Stationsärztin von der alten Station gehalten – die habe
gesagt, ich hätte während des stationären Aufenthaltes Medikamente gesammelt.
Wieso um alles in der Welt haben die mich am Donnerstag nicht darauf
angesprochen? Ich habe das schon an dem Tag nicht verstanden, was dieser
Aufstand plötzlich soll, wo ich doch nichts Neues gesagt habe. Versteht mich
nicht falsch – wäre es während der Behandlung mit der Suizidalität ausgeartet,
wäre das okay gewesen mich auch zwischendurch mal auf die geschützte Station zu
legen (obwohl ich im stationären Rahmen immer absprachefähig war, aber nun
denn…), aber so wie es gelaufen ist, war das absolut daneben. Und zeigt, dass
sie das Thema irgendwo immer auf dem Schirm hatten, aber keine große Ambitionen
hatten das ernst zu nehmen. Gehofft haben, dass ich im Entlassgespräch die
richtigen Worte wähle, was ich rückblickend betrachtet auch definitiv hätte tun
sollen. Habe ich aber nicht. Ich habe ein Mal für mich und dieses Leben
gekämpft. Und dann wollten sie die Verantwortung eben nicht haben. Aber neu war
das alles nicht.
Danach ruft eine Freundin an. Die auch um meine Situation weiß. „Ich
frage mich – wenn schon der sehr geschätzte Herr Psychiater kommt – ob ich mit
ihm ein Mal ein ernsthaftes Gespräch über das Thema Suizidalität führen soll…“,
sinniere ich. „Ob ich ein Mal sagen sollte: „Wissen Sie, ich weiß nicht, warum
es so ist – und vermutlich habe ich einfach nur ganz doll Angst vor mir selbst.
Aber wenn ich diesen Raum betrete, dann merke ich richtig, wie ich mir eine
Rolle anziehe und versuche all das was in mir rebelliert, zu übertünchen. Um
Ihnen zu sagen, dass es mir gut geht. Weil ich Angst habe. Weil mir die
Situation Angst macht. Weil ich gerade spüre, dass Psychiatrie auch anders
kann. Weil ich formal freiwillig, aber faktisch unfreiwillig auf einer Station
festgehalten werde, auf der ich nicht sein möchte. Weil das Thema Suizidalität
im Hinterkopf tickt. Weil ich absprachefähig bin und hoch und heilig
versprechen kann, dass im stationären Setting nichts passiert, aber weil ich
immer noch überfordert mit dem Leben bin. Und… - weil ich mit dem Thema
eigentlich dringend Hilfe brauche. Und zwar so richtig. Keine geschützte
Station und Medikamente, die das Hirn lahm legen. Sondern ein Mal ein Konzept,
wie man diesem Thema begegnen kann. Keine Ahnung, ob es das überhaupt gibt.
Aber ich kann ja nicht die Einzige sein, wenn es ein bekanntes Symptom bei
Depressionen ist. Und wie immer man das anstellen kann, aber ich brauche eben
wirklich Ihre Hilfe dabei…“
Findet die Freundin gut. Sehr gut. „Dann entlassen die mich aber heute
nicht…“, sage ich. „Weißt Du nicht. Mondkind, der Herr Psychiater ist gut. Wenn
Du wirklich ehrlich bist. Er hat mir schon so oft aus der Patsche geholfen. Sag
ihm das. Ein Mal… Und schau was passiert. Das ist es wert…“
Das Telefon steht nicht still. Die Nächste ist eine Kollegin.
Der Chef wisse, dass wir beide immer mal Kontakt haben und habe sie
gefragt, wie es denn aussehe mit mir. Mittlerweile würde noch eine Kollegin
ausfallen – wenn ich Montag nicht komme, bräuchte man heute noch einen
Krisenstab. Bis 15 Uhr müsse man das eigentlich wissen, erklärt sie mit
Nachdruck. „Naja… - ich warte auf den Oberarzt. Der wollte mittlerweile am
Nachmittag kommen.“ Und die Pflege sagte, dass der Nachmittag bei Ärzten um 15
Uhr beginne.
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Kaffee ist auf der geschützten Station Mangelware... |
Irgendwann ist es schon beinahe 16 Uhr. Als der Stationsarzt auf mich
zukommt.
„Frau Mondkind, ich müsste Sie noch ein Mal sprechen…“ Ich laufe
hinter ihm her in sein Büro. „Also der Oberarzt kann nicht kommen, aber ich
habe mit ihm telefoniert. Also… - Sie
dürfen gehen…“, sagt er. Ich schaue ihn an. „Gegen ärztlichen Rat, aber das
unterschreiben Sie mir schnell. Das sagt schließlich nur aus, dass Sie die
Klinik nicht verklagen können…“
Okay, auf die Wendung der Ereignisse war ich jetzt schon wieder nicht
eingestellt. Aber ich unterschreibe ihm das. Wer weiß, wer hier Montag den
Oberarzt spielt. Ob ich noch irgendeine Chance habe, von dieser Station runter
zu kommen und weiter an mir zu arbeiten. Ich bin gerade in keiner guten
Position dort. Aber es macht etwas mit einem. Nicht so richtig lebensfähig entlassen zu werden. Wir haben alle auf dem Schirm, was ich fühle. Aber Keiner kann mir eine Lösung anbieten.
Ich frage nochmal nach der Dienstbefreiung, mit der die Oberärztin
mich eigentlich erstmal vor den 24 – Stunden – Diensten retten wollte. Ob ich
die je zur Anwendung gebracht hätte weiß ich nicht, aber damit in der
Hinterhand hätte ich zumindest mal mehr Spielraum bei der Diskussion um die
Dienste gehabt. Davon wisse man nichts, die alte Station habe das Attest nicht
rüber geschickt – das könne man jetzt nicht machen. Es war auch noch geplant,
dass die mir zumindest mal ein Rezept über die Ambulanz mitgeben, damit ich
erstmal Medikamente habe. Das klappt natürlich auch nicht. (Ich erinnere mich
gerade an Herrn Therapeuten: „Frau Mondkind – wir können jetzt keine halben
Sachen mehr machen. Ich war schon ein bisschen erschrocken, als ich erfahren
habe, dass Sie seit Monaten Ihre Medikamente nicht genommen haben…) Mal
schauen, ob ich noch eine Lösung finde – mal eben bei der Hausärztin vorbei
komme ich nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln – dazu ist sie zu weit weg.
Ansonsten wird es wohl doch darauf hinaus laufen. Ich muss mir endlich den
Arztausweis besorgen.
Im Endeffekt ist es alles absolut blöd gelaufen. Es gibt weder ein
Konzept das funktionieren kann für die Zeit danach, noch habe ich wirklich
damit gerechnet dieses Wochenende wieder hier zu sein. Die Kraft fehlt vorne
und hinten. Und ich meinte das eigentlich schon ernst bei Herrn Therapeuten.
Und dass am Ende keiner die Verantwortung für diese Entlassung
übernehmen wollte – oder auch sich überhaupt mal ernsthaft mit mir auseinander
setzen wollte – zeigt schon irgendwie, dass sie das immer auf dem Schirm
hatten, aber jetzt genauso hilflos dastehen, wie ich.
Und so manches Mal frage ich mich: Was hat sich eigentlich geändert in
den letzten beiden Monaten, außer dass aus dem Sommer ein Herbst geworden ist?
Die Fragen im Zusammenhang mit dem Freund haben noch keinen Platz gefunden, mit
der Suizidalität ist es nicht einen Funken besser geworden. Ich habe viel über
Schematherapie gelernt, Dialoge zwischen mir und dem inneren Kind geschrieben,
aber am Ende nicht erfahren, wie ich dem Kind die Bedürfnisse zugestehen kann.
Die Welt dreht sich wieder. Mal schauen, wie lange.
***
„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und
ein anderes Ergebnis zu erwarten.“ Das ist ein Kommentar unter einem der letzten
Blogposts – Psychiatrie #59.
Das ist auf vielen Ebenen sicher richtig – das was jetzt hier
passiert, das ist das Gleiche wie immer und wird – vermutlich – auch genauso
enden wie immer. Was ich aber versucht habe war, es ein einziges Mal anders zu machen.
Indem ich wirklich versucht habe ehrlich zu denen zu sein, wohlwissend was
passieren kann. Gedanklich habe ich mich auf Kommentare gestützt wie: „Frau
Mondkind – wir bringen Sie da durch. Aber Sie brauchen einfach noch ein
bisschen Zeit…“, was der vertretende Stationsarzt gesagt hat. Von der
Pflegerin, die bei meinem Gespräch, das mich auf die geschützte Station
gebracht hat dabei war, kam auch mal: „Sie sollen das Thema bei uns ansprechen.
Das ist überhaupt nicht schlimm. Wir finden Lösungen – wir müssen Sie nicht
zwangsläufig auf die geschützte Station verlegen, das wollen wir verhindern…“
Das Ergebnis von meinem Ansprechen des Themas war genau der kurze Prozess, den
ich befürchtet hatte.
Das Thema Suizidalität war nicht neu – wie man es mir am Donnerstag unterstellt
hat. Es ist nicht so, dass davon niemand etwas gewusst hat. Ich hatte ja mit
dem Herrn Therapeuten schon ein paar Tage eher ein Gespräch darüber – und das
war auch nicht das erste Mal, dass es auf den Tisch kam. Ich habe gesagt, dass
ich nicht sagen kann, dass wir beide uns nochmal wieder sehen – sprich, dass
ich das bis dahin überlebe. Wir haben dann erstmal eine Bestandsaufnahme
gemacht, die auch schon mal weiter geholfen hat. Er hat mich nochmal alle
Optionen, die ich sowohl beruflich, als auch hinsichtlich der Lebensführung
generell habe, aufzählen lassen und mit Buchstaben an die Tafel geschrieben.
Hat dann einen senkrechten Strich davor gezogen und mich auf die andere Seite
des Strichs gemalt. Und dann gesagt: „Sie sehen also alle Optionen, die Sie
haben. Aber Sie erleben all diese Optionen als blockiert. Warum…?“ Ich habe
darüber eine Weile nachgedacht und es war schwierig für mich auf so eine simple
Antwort zu kommen, weil ich immer alles versuche logisch zu begründen. „Ich
habe keine Lust und keine Kraft mehr…“, habe ich irgendwann leise gesagt.
Daraufhin herrschte dann erstmal kurz Stille, bis der Therapeut sagte: „Das
erklärt Ihren Zustand und damit auch, warum wir gerade sind, wo wir sind…“ Das
erklärt letzten Endes auch deutlich die letzten zehn Monate. Das ist nicht so,
dass ich keinen Plan davon habe, wie ich mein Privatleben organisieren muss –
sei das nun der Punkt Mobilität, soziales Netzwerk, Einrichten der Wohnung.
Aber alles, was mehr als Funktionieren und Überleben ist, fällt automatisch von
der Liste. Selbst die kaputte Kaffeemaschine (und Kaffee ist mein
Lebenselixier) hat mich bisher nicht dazu gebracht, mich darum zu kümmern. Am
Endes kann man auch einfach Wasser auf Kaffeepulver schütten.
Letzten Endes kann man lange argumentieren und da auch einer Meinung
sein, oder eben nicht, woher diese Krankheit kommt. De facto werde ich sie aber
wohl leider haben. Und genau das, was ich da jetzt erlebe, ist nun mal ein
Symptom davon. Und da hätte man weiter machen müssen. Mittlerweile haben wir
also die Ursache, aber keine Lösungsmöglichkeiten.
Ob die Suizidalität nun Bewältigungsmechanismus ist oder nicht – im
Endeffekt ist aber auch die einfach da. Punkt. Und ich habe es mir nicht
ausgesucht. Und ich habe das Thema auch nicht angebracht, um da die Leute zu
ärgern. Dass die mich mehr zurück ärgern können, das weiß ich schon. Haben sie
dann ja auch. Es glaubt wohl keiner ernsthaft, dass eine geschützte Station,
auf der ständig Streit und Unruhe herrscht, auf der Menschen auf die Idee
kommen, sich die Unterarme aufzuschneiden, im medizinischen Schock landen und
im beinahe intensivpflichtigen Zustand verlegt werden müssen, oder andere
Menschen mal den Inhalt eines Kühlpacks schnabulieren, ein geeigneter Ort ist,
um zur Ruhe zu kommen, Lösungen zu finden und die Seele ein Stück heilen zu
lassen.
Am Ende habe ich es ein Mal anders gemacht, um wirklich Hilfe zu
bekommen. Geeignete Hilfe. Menschen, die keine Angst vor dem Thema haben – was
vermutlich schwer ist – sondern sich einfach mal hinsetzen und mit mir zusammen
überlegen und mich sicher dadurch geleiten. Damit ich ein Mal aus der Klinik
gehen kann und weiß, dass dieses Thema zumindest leiser tickt.
Geklappt hat das nicht. Und jetzt habe ich noch viel mehr Probleme am
Hals, als ich vorher hatte. Wie keine Dienstbefreiung und kein Rezept und auch
vermutlich keine Station mehr, von der ich das Gefühl habe, dass sie hinter mir
steht und mich unterstützt. Ob die mich nach der Nummer nochmal aufnehmen
würden, wenn es brennen würde, weiß ich nicht. Und ich weiß auch nicht, ob ich
das möchte. Und… - auch das ist ein Fakt – hängt Herr Therapeut in diesem Team
mit drin. Ob er eher zum Team hält oder mich auch weiterhin unterstüzt – was
dort wohl keiner mehr unterstützenswert findet – das weiß ich nicht.
Ich glaube nicht, dass es am Ende nochmal nötig ist, die Klinikzeit von
vorne bis hinten zu reflektieren. Vielleicht fehlt mir auch gerade die Kraft
dafür, weil gerade die letzten beiden Tage nochmal anstrengend waren und man
die Stunden bis zum Wiedereinstieg in den Job jetzt fast zählen kann.
Es war – das kann man grob sagen – ein deutlicher Bogen. Es hat ganz
schwierig angefangen, auf der geschützten Station. Und so sehr wie ich da auch
runter wollte, so konnte ich doch akzeptieren, dass mich diese Station gerade
erstmal schützt. Vielleicht nicht nur vor mir selbst, sondern auch vor den
Anforderungen der Welt da draußen, die kaum zu uns nach drinnen kam. Auf der
offenen Station war da am Anfang ganz viel Hoffnung, aber auch ein großes
Problem die Themen unter zu bringen. Irgendwann hat sich das dann aufgelöst,
ich hatte das Gefühl zu wissen, was ich wo ansprechen kann. Ein paar Tage hatte
ich das Gefühl, dass das diesmal richtig gut werden kann. Und dann lief das
alles irgendwann ganz langsam rückwärts und bergab. Ich wusste nicht, wie ich
mit bestimmten Fragen hinsichtlich des Freundes umgehen kann und in der Klinik
hat das wenig Raum gefunden. Dann kam das Geschreibsel – Verbot, dann die Mails
von der potentiellen Bezugsperson die mich mein eigenes Ich komplett in Frage
hat stellen lassen. Irgendwie haben wir dann nicht mehr zueinander gefunden und
die Krönung war die völlig vergeigte Entlassung. An der ich natürlich nicht „unschuldig“
bin, aber letzten Endes habe ich nur das versucht, was mir die ganze Zeit
unterstellt wurde, dass ich das nicht mache – ein Mal für mich selbst und
dieses Leben kämpfen. Indem ich da nicht raus gehe und allen vermittle, dass
alles gut ist – sondern, in dem ich ein Mal Querulant bin und sage, dass es
nicht okay ist. Dass ich es mir nicht vorstellen kann, dass es zu früh ist,
dass ich einfach nicht sicher bin, dass ich das alleine schaffe. Dass ich ein
Mal für das Leben kämpfe – paradoxerweise indem ich zugebe, gerade zu müde
dafür zu sein.
Und jetzt… - abwarten. Und hoffen. Dass alle Puzzleteile doch noch
irgendwie auf den richtigen Platz finden. Und es zumindest weiter geht wie
vorher. Mit Überleben und Funktionieren. Es flattert in mir. So viel Unruhe. So viel Angst. Um mich. Um dieses Leben.
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Ehrlicherweise völlig unvorbereitet... - der Ort in der Ferne in der Nacht... |
Mondkind
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