Reise - Tagebuch #3

Ich versuche positiv zu denken.

Mehr im Hier zu sein, weniger in der Vergangenheit und auch nicht in der Zukunft.

Ich werde nicht durchs Examen fallen, weil ich eine Woche lang nur halb so viel gearbeitet habe wie sonst.

„Depressionen sind eine Einstellungssache“, höre ich oft von meinem Umfeld. „Du musst nur positiv denken“, sagen die Menschen.

Ich versuche wirklich es morgens nicht allzu schwer zu nehmen, aber mir ist es einfach elend, wenn ich morgens aufstehe und daran denke, dass ein ganzer Tag auf mich wartet. Es ist wie ein Blitz, der meinen Körper durchzuckt, in kraftlos wieder in die Kissen sinken lässt, einen Käfig aus Blei um mich herum baut, aus dem ich mich nur mühsam befreien kann.

Und manchmal kommt das auch im Lauf des Tages immer und immer wieder.



Ich merke auch, dass mir das hier alles ein wenig zu viel wird. Es sind unglaublich viele neue Eindrücke, die am Tag auf mich einströmen und die ich aus meinem Alltag nicht gewohnt bin. Beim Wandern mag das noch gehen, da kann man nebenbei ein wenig Achtsamkeitsübung einbauen und sich versuchen voll und ganz auf das Plätschern des Wassers, die Farben des Waldes, das Singen der Vögel und die Geräusche, die entstehen, wenn man über den Waldboden läuft einzulassen. Ein Stadtbummel oder das Besuchen von Verwandten, wenn man einmal hier ist, ist allerdings irre anstrengend. Da ist zu viel Neues, da sind zu viele Menschen und die entfernten Verwandten, die von der Depression nichts wissen und bei denen man viel überlegen muss, was man sagt und ohne kleine Notlügen nicht davon kommt.

Ich bin ausgezogen, weil ich neugierig war, wie das Leben allein ist. Na klar... Und das ist nur der Anfang...



Ich komme mir selbst so undankbar vor, wenn meine Stimmung auf Reisen so niedergedrückt ist. Das war schon immer ein Problem. Vielleicht ist es eben allerdings irgendwie Teil der Krankheit und vielleicht würde es mich weniger Kraft kosten, das auch einfach so zu akzeptieren.

Ich bin ja schon ein wenig weiter gekommen und schaffe das auch schon hin und wieder, mich auf die guten Momente zu konzentrieren. Es gab Zeiten, da wäre so eine Reise für mich gar nicht denkbar gewesen.



Vielleicht würde es noch ein wenig helfen, das Medikament in seiner Dosis noch ein wenig zu erhöhen. Dann wären vielleicht diese Episoden von Schwere, die aus dem Nichts kommen, auch ein wenig milder. Allerdings bin ich eben nicht so der Psychophopharmaka – Fan und die haben ja auch genug Nebenwirkungen. Abgesehen davon sehe ich den Herrn Psychiater nur so selten und der verschreibt nicht unbegrenzt viel. Es ist kein Problem zwischendurch zu einer Vertretung zu gehen, aber irgendwie ist meine Erfahrung da auch nur begrenzt gut. Wenn die einen eben gar nicht kennen, ist das vielleicht gerade im psychiatrischen Bereich schwer.



***
Heute waren wir in der Stadt. Ich habe schon gleich früh morgens angekündigt, dass ich nicht den ganzen Tag durch Läden gehen möchte, auch wenn mein Kleiderschrank eine Shopping – Tour eventuell nötig hätte. Das halte ich aber wirklich nur sehr begrenzt durch – da sind zu viele Menschen, zu laute Musik, zu viele Farben und Muster und zu viele Entscheidungen die getroffen werden müssen.



Deswegen haben wir am Ende den Kompromiss getroffen nur am Anfang und am Ende unseres Tages durch einige ausgewählte Läden zu streifen und dazwischen das „Sandstein – Barock“ zu genießen, wie ein Freund es letztens so treffend ausgedrückt hat.

Obwohl ich all diese Gebäude schon so oft gesehen habe, kann ich mich aber wirklich nicht daran satt sehen. Jedes Mal wenn ich hier bin, muss ich wieder daran vorbei gehen, davor stehen, dieselben Geschichten immer und immer wieder hören. Es ist wunderschön und Fotos vermögen nicht, diese eigenartige Stimmung einzufangen, die mich diese Stadt lieben lässt.

Ob es mit der Architektur oder dem Frieden zusammen hängt der gewahrt war, während wir hier gewohnt haben und an den ich mich kaum erinnern kann, weiß ich nicht. 

Blick über die Elbe

Semperoper
So... - und jetzt flott an mein halbes Kapitel Zusammenfassung für heute gesetzt!

Alles Liebe
Mondkind 

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