Mein Leben in fünf Jahren...

Heute hatte ich mal einen Tag Pause von der Pendelei.
Den brauchte ich aber auch ganz dringend.
Wenn ich früh genug damit anfange, kann ich es mir leisten beim Wecker zwei oder drei Mal auf die Snooze – Taste zu drücken, noch ein Liedchen zum Aufwachen zu hören, den ersten Kaffee zu kochen und dann ganz gemütlich 7:30 Uhr am Schreibtisch zu sitzen. Den habe ich am Abend davor schon aufgeräumt, damit ich morgens motiviert starten kann.

Ich habe es heute auch mal wieder geschafft, mit dem Hund spazieren zu gehen. An jeder Weggabelung hat er mich mit seinen großen Augen angesehen und hat bemüht unauffällig den Weg in Richtung Verlängerung der Runde genommen.
Ich habe ihn heute gelassen. Ich braucht es zwischendurch mal in Bewegung zu sein und dennoch nicht zu hetzen, meine Gedanken mal wieder wandern zu lassen, Kreise zu rennen und sich am Ende doch ein bisschen zu beruhigen. 

*** 

Mein Leben in fünf Jahren... Das ist die Aufgabe, die aus der letzten Therapiestunde entstanden ist.
Ich habe da schon so meine Vorstellungen. Ich weiß, an welchem Krankenhaus in welcher Stadt ich arbeiten möchte. Ich hätte gern einen Freund und eine kleine Wohnung, die nach meinem Geschmack eingerichtet ist. Bezüglich Freizeit: Ich würde gern wieder reiten gehen, glaube allerdings nicht, dass das in das arbeitsreiche Leben einer Assistenzärztin passt. Vielleicht habe ich ein E – Piano zu Hause stehen und spiele von Zeit zu Zeit etwas darauf. Das kommt aktuell viel zu kurz und ich hätte gern mehr Zeit dafür und da ist man nicht so dran gebunden.
Ich hätte gern ein Tier. Vielleicht einen (oder dann wohl eher zwei) Hasen. Ich finde mittlerweile auch Meerschweinchen ganz süß, aber wenn man meiner Schwester glauben darf, haben die einen Stopfmagen und müssen ständig fressen. Mama ist zwischendurch immer mal zu Hause und füllt dort die Heuraufe auf – ich glaube aber, bei Hasen ist das nicht so eng zu sehen...?
Vielleicht würde ich mir auch langsam mal Gedanken um eine Familie machen, auch wenn ich in 5 Jahren immer noch mitten in der Facharztausbildung stecke, und das wohl noch ein wenig warten muss.

Also ja – das sind schon ein paar Dinge und manchmal bin ich auch ein bisschen gespannt, wie es am Ende wohl wird, aber ich glaube kaum, dass das realistisch ist, wenn ich genau darüber nachdenke. Ich denke halt schon, dass mich der Job extrem stressen wird, wenn ich einmal die Verantwortung selbst trage und ich befürchte, dass mir die Patienten auch irgendwie nachhängen. Selbst in dem einen Monat, den ich dort Fanulatur gemacht habe, habe ich viel erlebt. Schicksale und Tragödien, die mir unglaublich nahe gegangen sind. Und auch Symptomatiken, hinter denen sich am Ende viel mehr verbarg, als man es für möglich gehalten hätte. Natürlich muss man sich vor Augen halten, dass man nicht bei jedem Patienten, der mit Kopfschmerzen ankommt initial alles an Diagnostik machen kann, das die Neurologie zu bieten hat. Aber wenn sich am Ende doch herausstellt, dass es für das Outcome des Patienten glücklicher gewesen wäre, die endgültige Diagnose ein paar Tage eher zu haben, dann macht man sich doch Vorwürfe, fragt sich, wo man ein Detail übersehen hat, ob man hätte anders reagieren können. Und das selbst, wo ich als Studentin zumindest keine Verantwortung für den Fall hatte.
Wenn ich an die Famulatur denke, dann wird mir bewusst, dass ich es dort geschafft habe, ein klein wenig los zu lassen. Es war nicht oft und auch nicht lang, aber manchmal habe ich nachmittags mit einem Buch eine halbe Stunde auf der Bank in der Sonne gelegen und habe gelesen. Es sind einfach schöne Erinnerungen an diesen Ort, die mich vielleicht schon hoffen lassen, dass ich irgendwann die Kurve kriege, aber die sich wohl nicht wiederholen werden, wenn ich erst dort arbeite, mehr Zeit im Krankenhaus als woanders verbringe und jeden Tag eine hohe Verantwortung trage.

Auch die Sache mit dem Freund: Wo soll der denn herkommen? Um einen zu finden, müsste man mehr socialising betreiben, als ich das aktuell mache. Man müsste nachhaltig Zeit haben. Und vor allem dürfte man nicht ständig in einem depressiven Loch verschwinden und einfach überhaupt nichts mehr fühlen und niemanden sehen wollen. Wer will denn so etwas?
Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich nicht in jeder Krise die Beziehung in Frage stellen würde...

Und ob ich es wirklich mal schaffe, mir ein wenig Freizeit zu gönnen, das steht – wie bereits angedeutet – doch sehr in Frage.

Wenn ich es also mal realistisch betrachte: Wie sieht es aus – mein Leben in fünf Jahren?
Ich werde mein Examen gemacht haben und ich werde irgendwo – hoffentlich in der Neuro – arbeiten. Vielleicht bin ich ja sogar an dem Ort, an den ich gern hin würde, dann habe ich hoffentlich sogar ganz nette Kollegen (klar, nicht alle Oberärzte sind gleich nett und wenn man in der Position ist, überhaupt Fehler machen zu können, was als Studentin bisher ja nicht so richtig der Fall ist, wird man auch die ein oder andere verbale Ohrfeige bekommen...)
Aber ich befürchte, ich werde keinen Freund haben, werde in einer kleinen, zweckmäßig eingerichteten Wohnung leben, die mir eventuell nicht so richtig gefallen wird. Vielleicht würde ich gern etwas daran ändern, aber wahrscheinlich bin ich nach dem Dienst zu müde, um noch in Baumärkten vorbei zu fahren.
Ich werde meine dienstfreien Tage vielleicht zumindest mit einem gemütlichen Frühstück beginnen, ehe ich wieder auf der Suche danach bin, irgendetwas Produktives zu tun und vielleicht werde ich mich gar freuen, wieder auf Station zu kommen (und hoffentlich schon so viel Routine haben, dass ich keine Angst vor der Arbeit habe und mich doch nicht freue).
Vielleicht habe ich sogar zwei Hasen, um nicht völlig zu vereinsamen.

Da ist eine Diskrepanz zwischen Wunsch und dem, was eher Realität sein wird. Darüber muss ich mir jetzt auch nochmal Gedanken machen.

***
Heute habe ich immerhin meine 1,5 Kapitel geschafft und ein paar mega ätzende Themen.
Damit habe ich schon etwas vorgearbeitet für morgen, weil ich Früh erstmal zum Hausarzt muss, um eine Bescheinigung für mein nächstes Praktikum zu organsieren. Das wird mal ein angenehmer Arztbesuch – nicht so wie beim Psychiater. Ich glaube, da werde ich nie ruhig hingehen, aber morgen muss ich ja nicht mein Seelenleben offen legen, sondern nur meinen Impfausweis vorzeigen und beweisen, dass ich keine ansteckenden Krankheiten habe.

Alles Liebe
Mondkind

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