Von emotionaler Intelligenz, Primäremotionen und Leitsätzen
Hallo Ihr Lieben,
die Züge sind im Moment so
pünktlich wie die Eieruhr – folglich verpasse ich quasi immer meine Anschlüsse,
hänge viel auf Bahnhöfen herum und habe eine Menge Zeit zum Schreiben.
Es gibt aber auch viel zu
berichten.
Gestern bin ich das letzte Mal in
mein Elternhaus gefahren um die Schweinchen zu sitten und um sie noch einmal
auszumisten. Natürlich ist der Weg dorthin weit und es wäre angenehmer gewesen,
hätte meine Schwester mir zu dem Zweck das Auto ausgeliehen. Immerhin versorge
ich die Schweine am Ende doch für sie.
Über die Zeit habe ich – mancher
mag mich dafür auslachen – eine Bindung zu den Tierchen aufgebaut. Mittlerweile
setzen sie sich ohne Angst auf meinen Schoss oder liegen auf meinem Bauch
während ich lerne und zumindest beim Zusammen fassen, scheinen sie meine Arbeit
geradezu zu beflügeln.
Nachdem ich gestern vier Stunden
konzentriert gearbeitet habe, hatte ich meine anderthalb Kapitel schon fertig.
Ich beschloss eine Pause einzulegen, fütterte die Schweinchen einzeln und hintereinander
und habe mir danach Bananenpancakes gemacht(Wann hatte ich das letzte Mal so
viel Zeit über, dass ich mir das erlaubt habe…?)
Und danach habe ich noch ein
halbes Kapitel gemacht.
Ich frage mich: Ist es wirklich –
so wie es mir immer vorkommt – verschwendete und unproduktiv verlebte Zeit,
dorthin zu fahren? Die Schweinchen geben mir soviel, ich finde es angenehm,
wenn sie neben mir herum wuseln und ich bin ganz selig, wenn Cosmopolitan nach
dem Ausmisten fünf Minuten durch das Gehege popcornert und ich ihn schon
irgendwann vorsorglich in die untere Etage setze, damit er nicht herunter fällt
bei seinem unkontrollierten Gehüpfe.
Ist es die Fahrt dann nicht wert?
Ist es nicht so viel mehr wert, als einfach eine Stunde länger – vielleicht
sogar im Kern relativ unmotiert – am Schreibtisch gesessen zu haben?
Heute stand dann ein Seminar in
der Uni auf dem Programm. Der Titel – „emotionale Intelligenz“ verwirrte mich
etwas, denn ich konnte mir absolut nichts darunter vorstellen.
Damit Ihr auch wisst, wovon die
Rede ist:
Unter Emotionaler Intelligenz
(EI) wird die Fähigkeit verstanden, Gefühle (bei sich und anderen) und
menschliche Beziehungen richtig einschätzen und entsprechend handeln zu können.
Populär wurde der Begriff "Emotionale Intelligenz" durch das gleichnamige
Buch des amerikanischen Journalisten und Psychologen David Goleman aus dem Jahr
1995. Goleman sieht in der Emotionalen Intelligenz eine wichtige Voraussetzung
für die berufliche Karriere und erfolgreiche Führung.
(Aus: Lexikon der Psychologie)
Das Seminar ist richtig
interessant und im Lauf des Tages hinterfrage ich viel.
Eine der interessantesten Aspekte
des Tages ist Folgender. Es gibt – das variiert je nach aktuellem
Forschungsstand – 8 Primäremotionen, die in jeder Kultur zu finden sind. Vier
davon sind der „Kern“, über die restlichen herrscht immer mal wieder
Uneinigkeit.
Bei den Emotionen handelt es sich
um
- Freude
- Wut
- Angst
- Trauer
- Ekel
- Scham
- Liebe
- Hass
Diese Emotionen hat jeder Mensch,
allerdings sind nur 37 % der Menschen in der Lage anzugeben, was sie überhaupt
gerade fühlen. Das kommt einem erstmal verdammt wenig vor. „Ich weiß doch, wie
es mir geht“, möchte man meinen.
Allerdings ist es auch
gesellschaftlich verankert, welche Emotionen das jeweilige Geschlecht überhaupt
zeigen darf. Mädchen dürfen Angst haben, sie dürfen traurig sein, ekeln und
lieben, aber es ist gesellschaftlich wenig akzeptiert, wenn Mädchen Wut zeigen
oder hassen. Das bleibt den Jungs überlassen. Jungs dürfen wütend sein, die dürfen
sich miteinander raufen, aber sie dürfen keine Angst haben und nicht traurig
sein.
Das klingt furchtbar
stereotypisch und das ist es auch und vielleicht sind diese „Erwartungen“ auch
gerade dabei sich zumindest etwas zu aufzuweichen in unserer Gesellschaft.
Jede Emotion ist durch eine
andere ersetzbar und wird vornehmlich durch eine Emotion ersetzt, die
gesellschaftlich akzeptierter ist.
Gerade im Kindesalter – so hat
uns die Dozentin erklärt – nimmt das teilweise merkwürdige Formen an. Freude
ist zum Beispiel nicht immer erwünscht. Kinder die sich freuen sind laut, sie
machen vielleicht Dreck. Für einige Erwachsenen sollen Kinder optisch anwesend,
aber bitte nicht hörbar sein.
Akzeptierter ist da zum Beispiel
die Traurigkeit. Da wird das Kind von seiner Mama in den Arm genommen und
getröstet und erhält das, was es in dem Moment braucht.
Im Lauf der Zeit werden
Stimmungen und Bedürfnisse dann quasi „verschoben“ ausgedrückt, sodass man –
weil das Gefühl das gerade wirklich da ist, nicht ausgedrückt werden darf – auf
ein anderes ausweicht.
Wenn man diese Primärmotionen
kurz und ganz intensiv fühlt, dann ist es meistens ein „echtes“ Gefühl . Wenn
man jedoch etwas fühlt, das nicht so richtig intensiv ist und lange anhält und
man keinen Grund dafür findet, dann kann das auch dadurch entstehen, dass
dieses Gefühl zu Stande kommt, weil sich das eigentliche Gefühl gar nicht mehr
ausdrücken lässt.
Menschen die lange traurig sind
und gar nicht wissen warum – vielleicht fast depressiv (obwohl ich ihr Beispiel
nicht so glücklich gewählt fand, denn in der Depression steht ja eigentlich die
Leere und Sinnlosigkeit im Vordergrund) – ist man vielleicht in Wirklichkeit wütend.
Und das meinte die Dozentin als
sie erklärte, dass viele Menschen gar nicht wissen, was sie fühlen.
Ich weiß gerade noch nicht, was
ich davon halten soll. Im Prinzip halte ich ja nicht so viel davon, in den
Kindheit herum zu wühlen. Das hat den Eltern gegenüber etwas Anmaßendes und
schlecht haben sie es sicher nicht gemeint. Wenn ich mich allerdings zurück
erinnere, durfte ich mich kaum je freuen. Sobald meine Schwester und ich über
den Flur getobt sind, wurde genervt gefragt, ob wir denn nicht leise spielen
können. Das ging soweit, dass unsere Eltern uns getrennt haben und uns überhaupt
nicht mehr zusammen gelassen haben. Da musste immer einer im Wohnzimmer
verweilen und der Andere in seinem Zimmer.
Ich bin auch sehr selten wütend.
Manchmal fragen mich andere Menschen, ob mich dieses oder jenes nicht wütend
machen würde. Hier kann ich genau sagen: Nein. Ich bin beinahe nie wütend. Ich
reagiere dann immer damit, dass ich enttäuscht bin (was ja auch eine Form von
Traurigkeit ist).
Ich finde das zumindest mal eine
interessante Theorie. Ich meine – wie abgefahren ist das: Eigentlich immer,
wenn ich eigentlich erwarte Freude zu
fühlen – zum Beispiel weil ich etwas mache, das ich früher sehr gern gemacht
habe, werde ich unendlich traurig und leer. Und ganz ehrlich: Das ist irgendwie
wirklich so. Gerade Dinge, die mich eigentlich entspannen müssen, stressen mich
unendlich… Und ich meine: Freude… - wie
fühlt sich das so ganz richtig an? Ich weiß das gar nicht genau…
Mit Sicherheit ist damit nicht
alles zu erklären – das wäre ein bisschen einseitig, aber interessant ist es
allemal.
Viel später im Seminar ging es
noch um das Transaktionsmodell. Es ist angelehnt an das Modell der
Psychoanalyse. Statt „Ich“, „Es“ und „Überich“ gibt es hier „“Erwachsenen –
Ich“, „Kind – ich“ und „Eltern – ich“.
Im Zuge dessen haben wir auch
über „Bannsätze“, sowie „Antreiber“ und „Erlauber“ gesprochen. Antreiber sind
eigentlich nichts anderes als Glaubenssätze und die Erlauber sind die Sätze,
die ich dagegen setzen kann. Die Antreiber entstehen meist durch das „Eltern –
ich“, auch wenn das teilweise ungewollt ist. Es kann sein, dass die Eltern zum
Beispiel immer sehr auf Leistung
geachtet haben und dann im Zuge einer Trübung dies auf das „Erwachsenen – ich“
übergangen ist mit dem Antreiber „Ich muss perfekt sein“. Dagegen gibt es den
Erlauber „Ich darf Fehler machen“.
Ehrlich gesagt sind solche
Erlauber – Sätze ja nicht so schwierig zu finden. „Jeder Mensch darf Fehler
machen.“, „Aus Fehlern kann man lernen“, „Der Mensch ist keine Maschine“, „Du
musst Pausen machen.“
Nur: Ich persönlich glaube mir
das selbst nicht. Mein Kopf weiß, dass ich ihn gerade veräppeln möchte. Ich
habe die Dozentin dann gefragt, wie lange das denn wohl dauert, bis man die
Erlauber – Sätze verinnerlicht hat. Tja… - und die Antwort war dann
ernüchternd. Es daurt sehr lange und viele schaffen es nie. Na dann –
Gratulation.
Ich höre mir das seit Jahren von
den verschiedensten Beratungsstellen, Ärzt und Therapeuten an und es kommt mir
immer noch vor, als dürfe ich das alles nicht und als seien Pausen nur eine
lächerliche Entschuldigung für Faulheit. Da helfen mir auch einschlägige
Studien nicht weiter.
Morgen geht es weiter mit dem
zweiten Teil und dann fahre ich morgen Abend noch zu meiner Oma. Ich fahre die
ganze Nacht durch und hoffe, dass ich zumindest ein klein wenig im Bus schlafen
kann…
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Ich würde es ja gern dem 🐷 nachtun - aber ich muss noch packen 🚍 |
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