Reise - Tagebuch #1

Ich bin zurück in der Stadt, in der ich geboren wurde. Es ist komisch, dass ich mich mit einer Stadt, in der sich kaum gelebt habe, doch irgendwie identifizieren kann.
Das letzte Mal war ich vor zwei Jahren hier.
Wie viel sich doch geändert hat in dieser Zeit. Ich bin zu Hause ausgezogen – unter schwierigen Umständen - und ich habe endlich meine Halbgeschwister kennen gelernt, von denen ich 19 Jahre lang nichts wusste, die aber so nah bei meiner Oma wohnten, dass man von ihrer Wohnung auf den Balkon meiner Oma sehen könnte.
Wer weiß, wie oft wir uns über den Weg gelaufen sind, ohne zu wissen, dass wir gerade unseren Geschwistern über den Weg gelaufen ist.

Ich habe das erste Mal meine Oma für mich allein. Bisher habe ich sie immer zusammen mit meiner Oma und meiner Schwester besucht.

Ich bin so gerührt, dass sie mich ernsthaft an einem Samstag morgen um 20 nach 6 vom Bahnhof abholt. Sie hat darauf bestanden, obwohl ich mehrmals erklärt habe, dass ich auch mit dem Bus fahren kann.
Heute hat sie das Frühstück vorbereitet und mich erst geweckt, als Müsli und Kaffee auf dem Tisch stand.

Ich bin dankbar für ihren Einsatz um mich.

Es ist schon sehr lange her, als wir mal in der Schule gelernt haben, dass sich die Jugend immer an Menschen orientieren, die eine Generation überspringen. Gegenüber den Eltern ist man eher etwas rebellisch eingestellt, aber die Großeltern sind Vorbilder.
Ich würde meine Oma jetzt vielleicht nicht unbedingt als Vorbild bezeichnen, aber zumindest sind wir in vielen Dingen auf einer Wellenlänge. Sie hat mir meinen Auszug von zu Hause nie verübelt, sondern hat mir erklärt, dass ja jeder schlussendlich auf eigenen Füßen stehen müsse – der eine eben früher und der andere später. Für sie ist es auch völlig okay, dass ich im Moment einen Typen ganz nett finde, der 20 Jahre älter ist. „Am Ende weiß man ohnehin nie, was das Leben bringt“, sagt sie. Und irgendwo hat sie ja Recht. Ob das mit uns etwas wird, das weiß ich noch nicht, aber sie würde die Beziehung akzeptieren. Sie war sogar sehr interessiert – und ich habe es genossen mal über unsere gemeinsame Zeit erzählen dürfen.

Zwischendurch komme ich auch immer mal wieder zum Arbeiten – ich habe schon fast wieder ein Kapitel fertig. Ich merke die Unruhe zwischendurch und manchmal ist es schwierig das auszuhalten, aber bisher geht es noch – obwohl wir bisher auch nicht wirklich viel unternommen haben und ich in jeder freien Minute etwas getan habe. Das geht ab morgen nicht mehr und ich denke, dann wird es auch schwieriger.

Heute waren wir im grossen Garten. Es war so wunderschön genau die Zeit erwischt zu haben, in der die Krokusse in voller Blüte stehen. Wie ein lila Teppich sieht es aus, der sich über weite Teile des großen Gartens erstreckt.


"Krokusswiese" im großen Garten

 Alles Liebe
Mondkind

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