Die Dynamik der Panik - Schleife...


Bei Mondkind reicht es manchmal, wenn sie einmal in den Stundenplan schaut um zu antizipieren, dass der Nachmittag für sie mit Panik enden wird.
Wahrscheinlich hängt das damit zusammen, dass sie manchmal ziemlich unflexibel in ihrem Denken ist – denn eigentlich müsste das nicht sein.

Mondkind sieht in ihrem Stundenplan, dass sie bis fünf Uhr Uni hat.
Und da heute Freitag ist, muss sie danach noch einkaufen, die Wäsche machen, ihr Zimmer aufräumen und putzen und einen Plan für das Wochenende schreiben. Es wäre schön, wenn sie auch noch lernen würde, aber das ist zum Freitagabend nicht mehr obligat.

Die Dozenten verspäten sich heute mal wieder alle etwas, deshalb fangen die Veranstaltungen im Anschluss auch zu spät an und da das Zeitmanagement von jedem Dozenten heute nicht hinhaut, wird irgendwann klar, dass sie mächtig überziehen werden – was Mondkind noch mehr stresst.

Es geht nicht darum, dass  Mondkind das zeitlich nicht mehr schaffen würde. Bis 22 Uhr ist genug Zeit, um alles zu erledigen. Es geht darum, dass sie am Ende der Woche einfach immer ein bisschen erschöpft ist, meistens ein wenig Kopfschmerzen hat und dann Angst vor ihrer eigenen Entscheidung bekommt, die Dinge auf morgen zu verschieben.
Jeder normale Mensch würde wohl sagen: „Naja, wenn ich heute nicht mehr putzen kann, dann mache ich es halt morgen.“
Für Mondkind geht das nicht. Wenn das Freitag auf ihrem Plan steht – und die Punkte zum Freitagnachmittag stehen da jede Woche unverrückbar – muss es gemacht werden.

Wenn sie das auf den Samstag schieben würde, würde das das gesamte  Wochenende über einen Rattenschwanz hinter sich her ziehen, weil sie zu spät anfangen würde zu lernen, vielleicht am Samstag generell unmotivierter starten würde, weil es nicht aufgeräumt ist. Wenn ihr Schreibtisch sie zum Arbeiten einlädt, klappt es meistens besser. Und da sie dann nicht genau abschätzen kann wie viel Zeit sie wirklich verloren hat, weiß sie nicht, wie lange sie abends nacharbeiten muss, was dann wiederum zur Folge hat, dass sie lieber einige Zeit länger macht, um sicher zu sein, dass es genug war. Da kann die „Erholung“ zum Wochenende schon mal ganz schnell hinüber sein.
Und samstags einkaufen gehen kann sie auch nicht, da Einkaufen eine „schreibtischferne“ Aktivität ist und sie deshalb zusätzlich stresst. Sie weiß zwar, dass es nicht lange dauert, aber es beunruhigt sie den ganzen Tag das noch erledigen zu müssen und nicht genau auf die Minute zu wissen, wie lang es dauern wird, was sich auch wieder auf ihre Konzentration niederschlägt, sodass sie auch hier nacharbeiten muss.

Und deshalb merkt sie im Seminar, wie sich zuerst ihre Finger immer mehr um den Kugelschreiber verkrampfen und sich irgendwann ihre Halsmuskeln anfangen anzuspannen und wieder erschlaffen, wenn sie eine kurze Pause brauchen. Ihre Beine wippen auf und ab, ihre Füße drehen sich auch eigenartig im Kreis – Mondkind ist angespannt wie ein Flitzebogen und versucht es noch irgendwie zu verbergen. Was nicht ganz gelingt – sie spürt, dass irgendwann die Blicke auf ihr ruhen.
Irgendwann ist sie kaum noch in der Lage mitzuschreiben, weil ihre Finger so verkrampft sind und sie fragt sich, ob sie das wohl zu Hause noch wird lesen können.

Panik schieben ist ziemlich anstrengend und für den Verlauf des weiteren Tages nicht unbedingt förderlich. Denn als sie nach Hause kommt ist sie vollkommen erledigt – muss aber ihre Panik zum Glück nicht mehr verbergen. Dennoch braucht sie erstmal ein paar Minuten Ruhe, ehe sie wieder aufspringt.

Man mag davon halten, was man will. Für Mondkind ist das alles unglaublich anstrengend. Es gibt Momente, da bringt sie jede Minute Verlust mit einem Durchfallen durch die Klausur in Verbindung – deshalb muss die Zeit ja auch nachgearbeitet werden. Das ist nicht nur ein vollkommen absurdes Denken – eigentlich weiß Mondkind auch gar nicht so recht, wieso ihr das dann plötzlich doch wieder so viel bedeutet, durch die Klausur zu kommen. Das ist vielleicht das größte Paradoxon in diesem Studium. Einerseits scheint sie schon irgendwie dran zu hängen, andererseits stellt sich das für sie selbst häufig anders da. Es ist ein sinnstiftender Beruf – das mit Sicherheit, aber Mondkind zweifelt immer noch daran in diesem System arbeiten zu können und jede bestandene Klausur bringt sie nun mal näher dorthin.

Genau das war das Denken, an dem Mondkind unter anderem in der Klinik arbeiten sollte. Nur leider relativiert sich das Problem ja von alleine, wenn sie nicht mehr zur Uni geht. Und als dann klar war, dass sie den Block, den sie angefangen hatte, nicht zu Ende führen wird, war der Druck auch ganz plötzlich weg. Auch deshalb fand Mondkind es gut von der Klinik aus zur Uni gehen zu dürfen, weil man dann in genau solche Zustände mal hätte hinein grätschen können, um das vielleicht irgendwie in den Griff zu bekommen. Nur war das durch die schwache Personalbesetzung in der Sommerzeit nicht mehr möglich – da war man wahrscheinlich relativ dankbar, quasi einen Patienten weniger betreuen zu müssen.

Gerade in Bezug auf das Examen wäre es wichtig, dass sich Mondkind irgendwie aus dieser Panik – Schleife raus holen kann. In dem vorgegebenen Lernplan wird es häufiger Tage geben, an denen Mondkind nicht durchkommt. Das muss ja nicht immer daran liegen, dass sie verbotenerweise den Schreibtisch verlässt – an manchen Tagen ist sie einfach unkonzentriert.

Mondkind war schon mal besser. Vor ein oder zwei Wochen hat sie wieder angefangen sich so sehr zu stressen – eigentlich nachdem es ihr zwischendurch mal so schlecht ging und das vermehrte Arbeiten nur dazu angedacht war, dass sie sich selbst ein wenig aus dem Loch zieht.
Es hat sie schonmal wesentlich weniger gestresst, sich mit Leuten zu treffen – teilweise hatte sie die Uhr sogar bewusst nicht im Blick.

Nachdem sie in den letzten Wochen kaum einen Tag ohne „schreibtischferne“ Aktivität verbracht hat und sie das jetzt wieder so enorm stresst, bleibt sie dieses Wochenende vielleicht einfach mal zu Hause. Nachzuarbeiten gibt es nach den letzten beiden Tagen immerhin genug.

Am Ende wird Mondkind es heute doch irgendwie hinbekommen. Ein Mal muss sie sich noch aufraffen und gleich noch den Lernplan schreiben. Gelernt hat sie dann zwar heute nicht mehr, aber nach so einer Aktion kommt ihr Kopf meistens auch kaum noch zur Ruhe, sodass es dann auch irgendwie absolut keinen Sinn hat. Und Freitagabend ist auch die einzige Zeit in der Woche, in der es zwar nicht gut ist, wenn sie nicht lernt, aber in der sie es akzeptieren kann (und auch mal einen Blogeintrag schreiben kann, ohne auf die Uhr zu schauen, wie lange sie dafür gebraucht hat, weil auch die Zeit natürlich sonst nachgeholt werden muss).

Stattdessen hat sie sich gerade einige Zeit durch alte Tagebucheinträge gelesen – von 2010. Einige Dinge hatte sie schon verdrängt… - manches ist einfach unfassbar.


Alles Liebe
Mondkind

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