Der Plan einer Lösung
Morgens 6 Uhr.
Mondkind spitzt alle möglichen Leute nochmal auf den Klinik – Plan an.
Schreibt der Therapeutin ihre Rechnung mit den Urlaubstagen und dass die ganze
Situation hier ja nicht nur entweder die Lösung hat das PJ abzubrechen, oder
gar nichts zu machen.
Und sie versucht nochmal Möglichkeiten zu finden, an den Neuro - Oberarzt zu
kommen.
Am Ende funktioniert beides. Nachdem Mondkind heute in der Notaufnahme
gezittert hat wie Espenlaub, Angst hatte, dass ihr die Patientin mit Luftnot
unter den Händen wegstirbt und der Kollege noch feststellte: „Mondkind Du bist
traurig“ und Mondkind einfach nur angefangen hat zu weinen, war der Tag dann um
kurz nach 16 Uhr geschafft.
Als Mondkind am Nachmittag ihre Mails liest, erfährt sie, dass der
Therapeutin bewusst ist, dass die von ihr vorgeschlagene Station eine
Privatstation ist, aber der Oberarzt dort Mondkind trotzdem nehmen würde, weil
er sie gut kennt und weiß, dass Mondkind ihm sehr vertraut.
Und der Neuro - Oberarzt hatte ihr geschrieben, dass sie sich im Lauf der Woche
doch treffen können, nachdem Mondkind ihm nur gesagt hatte, dass sie dringend
miteinander sprechen müssen.
Und dann sitzt Mondkind ihm gegenüber und erklärt, dass es einfach im
Moment sehr schwierig ist und sie das gerade nicht mehr aushalten kann. Deshalb
habe man ihr in der Studienstadt vorgeschlagen in die Klinik zu gehen – aber dafür
bräuchte Mondkind halt zwei Wochen frei.
Der Oberarzt schlägt vor, ihr die beiden Wochen nicht zu geben.
Theoretisch funktioniert Mondkinds Rechnung – er ist allerdings der Meinung,
dass die aktuelle Situation mit der Neuro im Zusammenhang steht. Er sagt, im
Hintergrund ist das wohl einfach Angst und deshalb sucht jetzt ein Teil von
Mondkind nach Lösungen, in der Neuro nicht anfangen zu müssen. Gerade, weil ihr
das so viel bedeutet. Er und Mondkind wissen beide, dass sie die Neuro etwas
idealisiert. Dass es hier „nur“ um einen Job geht und auch hier in der Neuro
nicht alles rund läuft. Es ist einfach viel Angst vor den nächsten Wochen und
Monaten, weil daran so viel hängt. Wie sie sich anstellt und ins Team
eingliedern kann, wird maßgeblich dafür sein, ob sie zurückkommen kann.
Er meinte er weiß, dass Mondkind für die Neuro sehr viel auf sich
genommen, sehr viel ausgehalten und oftmals einfach nur funktioniert habe. Und
dass es normal sei, das irgendwann zu hinterfragen. Vielleicht gar nicht
bewusst. Aber irgendwann merkt man, dass die Neuro auch „nur“ die Neuro ist.
Dass Mondkind sich da vielleicht auch um viel Lebensqualität gebracht hat. Und
er hat es ihr schon in Aussicht gestellt: Auch Ende Dezember bevor sie geht,
wird die Frage auftauchen: Wie geht es weiter, wenn es die Neuro nicht mehr
gibt? Wenn all das, für das sie die letzten Jahre gelebt hat, plötzlich weg
ist.
Er hat gesagt, ihn wundere die aktuelle Situation überhaupt nicht.
Mondkind musste sich ehrlich gesagt schwer zusammen reißen. Und kam nicht
um die Frage herum, wie oft und wie schwer das bitte in den nächsten Monaten
noch dekompensieren soll. Solange, bis sie weiß, wo sie ihre Zukunft verlebt?
Und was passiert, wenn sie dann merkt, dass all dieses Kämpfen und Festhalten
für umsonst war, weil es trotzdem nicht funktioniert. Über die Zeit nach der Neuro hat sie bisher noch nicht gewagt zu denken.
Der Neuro - Oberdoc sagte, er wolle nicht ausschließen, dass dieses
Konstrukt irgendwann komplett zusammen fällt, obwohl er sich trotzdem freuen
würde, wenn Mondkind dann entscheiden würde zu bleiben. Aber jetzt – so meinte
er – sollte sie es erstmal versuchen. Seiner Meinung nach, wird es in der Neuro
besser werden. Er sagte, er stellt Mondkind nicht alleine in die Notaufnahme.
Sie muss keine Angst mehr haben, dass ihr die Patienten unter den Händen
wegsterben und kann trotzdem einen guten Job im PJ machen. Weil PJ eigentlich
nicht heißt, ein verkappter Assistenzarzt zu sein. Und außerdem werde in der
Neuro nicht so viel gestorben, wie auf der Inneren.
Und wenn sie in der ersten Woche nicht zurecht komme, apathisch in der Ecke sitze, zittere oder auch überfordert sei, dann sei das so. Er nehme es ihr nicht übel, weil ihm der Druck bewusst sei. Und er versuche für Mondkind ein eigenes Zimmer als Büro zu organsieren, damit sie auch einen Rückzugsort habe.
Er meinte, Mondkind soll den beiden die erste Woche geben. Am 15.
September setzen sie sich nochmal zusammen und reden. Und wenn es dann immer noch
sehr schlecht läuft, kann sie immer noch in die Klinik.
Auf so eine Ansprache war Mondkind nicht vorbereitet. Es mag der
vernünftige Weg sein, sie ist sehr dankbar für so viel Einsatz und so viel Vertrauen, das er in sie hat. Aber es fragt sich auch keiner, wie sie das Wochenende
überstehen soll. Ein paar Tage können nicht so schwer sein, sagt sich der normale
Mensch. Aber sie können sehr lang werden. Es werde schwer und schlecht werden,
dass wisse der Oberarzt, aber die Devise sei durchzuhalten.
Und ehrlich gesagt, fragt Mondkind sich gerade wirklich, ob das nicht
alles irgendwann komplett in sich zusammen fallen wird. Und wo sie zu dem
Zeitpunkt sein wird. Und was dann noch übrig bleibt.
Irgendwie hat Mondkind gehofft und geglaubt, dass dieses Gespräch
etwas anders verläuft. Der Neuro – Oberdoc mag Recht haben. Vielleicht ist es
alles so. Vielleicht ist sie in zwei Wochen dankbar, es so gemacht zu haben.
Dass sie ihm vertraut und ihm die Woche gegeben hat.Es war auch kein schlechtes Gespräch.
Aber irgendwie war da doch die stille Hoffnung, dass er sagt: „Mondkind,
fahr einfach. Ich nehme es Dir nicht übel, wenn Du wieder stabiler hier
ankommst, das mit dem Urlaub bekommen wir hin und es ändert sich einfach nicht
viel. Die wenigsten werden merken, dass Du zwei Wochen später kommst.“ Da war
die Hoffnung, dass dieser ganze Wahnsinn einfach mal Pause hat.
Abwarten. Und morgen früh der Therapeutin schreiben. Und das Wissen,
dass der Oberarzt sich der Sache wirklich angenommen hätte, macht es nicht
einfacher. Er macht so unfassbar viel für seine Patienten.
Alles Liebe
Mondkind
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