Entscheidungen nach dem Examen
Long time no see.
Oder so ähnlich.
Irgendwie fehlten die Worte.
Vielleicht kommen sie zurück. Langsam. Auch wenn es immer noch Chaos
ist im Kopf.
Mein Körper muss sich auch noch erholen. Ich bin dauermüde. So müde,
dass sogar Sätze formulieren herausfordernd ist. Und mein Magen rebelliert auch
noch.
Seht mal, was ich heute im Briefkasten gefunden habe:
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Zeugnis... |
Familie. Es hat viel Stress gegeben. Ohne das aufrollen zu wollen. So
oft gehört in den letzten Tagen, dass Klinik doch unnötig ist. Dass es – wenn ich
arbeite – von alleine besser wird.
Jetzt will man natürlich wissen, wo das Zünglein an der Waage ist.
Jeder hat da so seine eigenen Methoden. Kaum ist das Examen vorbei, wird man
untergraben. Und man ist kraftmäßig gerade nicht in der Lage, sich dagegen zu
stemmen.
Parallelen. Sah das nicht letztes Jahr genauso aus?
Es war freilich nicht geschickt zu verkünden, dass ich das Examen
habe. Wollte ich auch nicht. Aber fünf Tage im Elternhaus, ohne das zu
erwähnen? Funktioniert einfach nicht.
Man lebt ein Doppelleben irgendwie.
Die eine Seite, die irgendwie noch hofft. Emsig die Zukunft plant.
Wohnungen sucht. (Dann auch noch eine findet und die jetzt eigentlich anschauen
fahren muss). Die Doktorarbeit wieder aufnehmen will. Normales Leben halt. Weil
wir das ja können. Funktionieren. Normal sein. Und man hofft, dass „normal“
auch irgendwann im Kopf ankommt. Von selbst.
Und krank sein will man ja auch nicht. Weil krank sein ja verboten
ist. Und eine Psychiatrie nun mal eine Form eines Krankenhauses ist. Nicht,
dass man sonst weniger krank wäre. Aber das fällt halt nicht so auf.
Und die andere Seite, die so viel Angst vor sich selbst hat, dass sie
nachts eigentlich nicht alleine sein will. Und der Therapeutin deshalb
versprechen muss, unversehrt wieder auf der Matte zu stehen. Und das eigentlich
nicht versprechen müssen will. Und die zwischen all dem Grau keine Sonne mehr
sieht. Wie ein Stück Winter mitten im Sommer.
Mit der Haltung dann gestern eben bei der Therapeutin gewesen. Und
trotz anderthalb Stunden reden, konnte ich die Entscheidung für die Klinik
nicht treffen. Was ich ehrlich gesagt jetzt schon bereue, weil es eben einfach
nicht geht hier. Und wenn man mal wieder in seinen vier Wänden ist und das
Elternhaus mit Abstand betrachtet: Wieso sollte ich mich gegen etwas
entscheiden, nur weil ein paar wenige Leute, die zwar meine Eltern sind, aber
sich trotzdem nie mit mir auseinander setzen wollten und wollen, egal wie viel
Infomaterial man zur Verfügung gestellt hat, das schlecht finden? Und die sind
ja nicht ich und müssen die langen Nächte hier nicht aushalten. Und die, die
mich kennen, die finden die Klinik – Idee ja nicht schlecht. Und versuchen
meine Zweifel auszuräumen.
Und ja, Psychiatrie ist halt irgendwie nicht der "place to
be", aber wenigstens sicher. Und es soll ja besser werden dort. Ich kann
jetzt halt nicht die nächsten Monate damit verbringen, Gründe für das Leben zu
suchen und aktuell der Meinung sein, dass es keinen gibt, außer der Tatsache,
dass man nicht ganz sicher ist, ob das wirklich für alle okay wäre, wenn man
verschwindet. Weil man ja emotionale Löcher nicht weiter geben will. Aber das
ist eben irgendwie zu wenig. Langfristig gesehen. Jetzt reicht es vielleicht.
Aber da ist auch Angst. Sehr viel Angst. was macht man, wenn selbst
die Klinik das nicht halten kann? Die geballte Verzweiflung. Die können auch
niemanden abstellen, der sich mit einer Teetasse stundenlang mit mir vor die
Heizung setzt und das einfach nur mit aushält. Ich will das nicht mehr fühlen
müssen. Kann das nicht mehr.
Igelmodus. So zusammen rollen und Stacheln raus und „nee so nicht und
vor allem nicht mit mir". Bringt mich nur auch nicht weiter. Ich muss mich
entscheiden. Trotz Gegenwind. Für das Richtige. Schwere Aufgabe. Mutige Aufgabe.
Viel Mut, der von allen anderen als Schwäche interpretiert wird.
Also haben wir der Therapeutin versprochen, am Dienstag wieder in die
Ambulanz zu kommen. Und versuchen es dann nochmal mit einer Entscheidung. Und
hoffen, dass die Zeit bis dahin nicht zu lang wird. So ein Wochenende kann sehr
lang werden. Man hat der Therapeutin ja versprochen, in die Notaufnahme zu
fahren, wenn es nicht geht. Abgesehen davon, dass ich mich das ohnehin nicht
traue, brauchen Dinge Abschlüsse. Und irgendwie muss ich die Therapeutin
nochmal sehen vorher. Ihr die Entscheidung mitteilen. Ein paar Worte dazu
sagen. Dankbar sein. Dass sie da gestern so lang mit mir saß. Mir dabei
geholfen hat, mich hoffentlich für mich selbst zu entscheiden. Mir am Dienstag
noch einen Termin gibt, obwohl sie eigentlich keinen mehr hatte. Mir
vermittelt, dass es ihr nicht egal ist, wie es mit mir weiter geht.
Was ich mit den möglichen Wohnungen mache, weiß ich tatsächlich nicht.
Die Therapeutin sagte, dass es doch jetzt nicht mein Ernst sein kann, dass eine
Wohnung die Klinik verhindert. Insbesondere dann, wo es auch ein
Personalwohnheim gibt, in dem man ziemlich sicher unter kommt.
Und jetzt… - habe ich es mir eben selbst zuzuschreiben, dass immer
noch durchhalten angesagt ist. Ich hoffe einfach, dass ich am Dienstag dann mal
loslassen kann. Irgendwie hätte das wirklich etwas.
Mondkind
P.S. Der Hausmeister war da. Während ich heute herum gerast bin, um
alles zu kopieren, Briefumschläge und Briefmarken zu besorgen, um die
Approbation zu beantragen. Der Waschbeckenabfluss ist endlich entstopft. Außerdem
haben wir einen neuen Duschschlauch. Und einen neuen Duschkopf. Ganz neues
Gefühl, wenn nicht die Hälfte des Wassers auf dem Weg zum Duschkopf durch alle
möglichen Löcher im Schlauch entschwindet.
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