Herzen...


You came home crying from school today
Walked past me trying to hide the tears there on your face
It's hard for me to explain
How humans find the pleasure of causing people pain

(Westlife - my blood)


Woah… - irgendwie haben Westlife – Songs manchmal diesen Flair…
Irgendwie erinnert mich das daran, wie ich wie ein Schatten mit einer schlechten Note im Gepäck durchs Haus geschlichen bin. Unsichtbar für alle. Man war so viel wert, wie seine Note. In dem Fall also nichts.
Ich glaube nur, meine Eltern haben sich nie darüber Gedanken gemacht, dass es weh getan hat.

„Mondkind, Du sollst Dich nicht immer für alles entschuldigen, das hier nicht funktioniert“, erklärt der Herr Oberarzt, wenn ich wieder mal irgendetwas beichte. „Du bist nicht für alles Leid der Welt verantwortlich…“

Zeiten, die das Herz seltsam zerreißen.
Manchmal vergesse ich, wie sehr die Seele weh tun kann. Wie zerrissen sich ein völlig gesundes Herz fühlen kann.
Heute finde ich kaum eine Stimme. Auf der Visite muss man mehrfach nachfragen, was ich da eigentlich gesagt habe. Ich bemühe mich laut zu sprechen, aber es bleibt beim Versuch.

Es fehlt Jemand, der mich festhält. Ganz fest. Hinter mir steht, die Arme um meinen Oberkörper legt, die Hände über dem Herz platziert und es ein bisschen beruhigt. Ein bisschen von dem Schmerz wegnimmt. Ein kleines Bisschen nur.
Es gibt nichts mehr zu reden. Gar nichts mehr. Ich brauche gerade nur Jemanden, der einfach da ist. 



Die Arbeit ist indes auch eine Katastrophe. Bei dem Einen funktioniert das MRT wegen des Ports nicht, obwohl ich extra mit dem Krankenhaus, das den Port eingesetzt hat und mit der Radiologie telefoniert hat. Natürlich muss ich das jetzt auf meine Kappe nehmen. Der nächste Patient ist unruhig im MRT und braucht ein Beruhigungsmittel. („Sie müssen jetzt sofort ins MRT kommen“). Das ist ungünstig, wenn man gerade unterwegs zum dritten Schätzchen ist, der sich vor Rückenschmerzen beim Herzultraschall nicht drehen kann und zu dem man jetzt auch ganz dringend hin muss.
Und dann… - dann warten da noch Angehörige, Aufklärungen, Briefe und eine Verlegung. Und die Internisten haben mir noch nie Jemanden ohne Theater abgenommen, also rufe ich mich einem ganz unguten Gefühl ein wenig später dort an. Und treffe auf eine Assistenzärztin, die ich noch aus dem PJ kenne. „Ich würde Ihnen gern einen Patienten vorstellen, bei dem es uns am Ende auch um eine Verlegung geht…“, leite ich ein. Kurzes Schweigen auf der anderen Seite und ich warte schon darauf wieder zu hören: „Ich kann das nicht entscheiden, rufen Sie mal xy an…“ Stattdessen kommt: „Ach Mondkind, was ist denn los…?“ in einem Tonfall, der irgendwie Gänsehaut erzeugt. Und in dem Moment, in dem sie meinen Vornamen nennt, fällt mir auf, dass ich ihren vergessen habe. Ich berichte den Fall. „Schick den Patienten über die Notaufnahme zu mir Mondkind…“ Dafür hätte ich ihr um den Hals fallen können.

Zu Hause sehe ich, dass es mit der Küche scheinbar funktioniert hat. Sie haben übrigens eine Steckdose wirklich wieder eingebaut – die, an der der Kühlschrank hängt. Ich wäre auch ausgetickt, wenn ich nach Hause gekommen wäre und sie den raus gezogen hätten. Ich hatte schon den ganzen Tag auf den Anruf gewartet, dass es ein Problem mit der Kühlschrank – Steckdose gibt. Die Frage ist nur, warum es bei der Kühlschrank – Steckdose klappt die zu montieren und bei allen anderen nicht. Naja… - jetzt habe ich also zwar sonst keinen Strom mehr in der Küche, aber zumindest geht der Kühlschrank.

Heute versuche ich es mal wirklich früh mit dem Bett. Morgen wird wieder ein anstrengender Tag. Einige Patienten lassen schon jetzt Fragezeichen vor meinem geistigen Auge tanzen. Und dann hoffe ich, dass wir morgen ein paar Dinge klären können. Ich befürchte allerdings, dass wir das nicht tun werden. Und ein „Mondkind, wir schauen mal, was sich machen lässt“ irgendwo unterwegs verebbt ist. Dass es ein unsichtbares „Mondkind, wir können nichts tun“ wird. Das nie gesagt wird, weil vermutlich klar ist, dass das viel zu sehr weh tun würde. Also wird es nicht gesagt. Aber trotzdem mit jeder Faser des Körpers gefühlt. 
Nach dem morgigen Tag können wir es bis Ende des Jahres nicht mehr klären. Und nochmal versuchen kann ich es nicht. Es war ein mutiger Schritt. Und nicht jeder mutige Schritt, wird ein gutes Ende haben. Auch das wird man lernen müssen. 

Um den Bogen zu schlagen… - dasselbe Lied wie oben.
Nur ein paar Zeilen weiter unten…

But I've spent many nights alone
Do I need more for me to make this house a home?
'Cause sometimes there's more to the story
And they don't know what's going on
My life behind closed doors

„Willkommen zu Hause…“ hieß es mal irgendwann – sogar noch in diesem Jahr, als ich in den ersten Tagen vorsichtig einen Fuß vor den anderen gesetzt habe. Wir werden es nicht finden… - dieses „zu Hause…“

Mondkind

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