Neues aus dem Labor
Nachricht
aus dem Labor von unserem MTA.
„Mondkind,
wann hast Du Zeit?“
Ich schlage
ihm ein paar Termine vor und schicke sie ihm. Als ich gerade auf „senden“
gedrückt habe fällt mir auf, dass es womöglich dringend ist. Normalerweise
schreibt er nie nur einen einzigen Satz. Und dann auch noch ohne Smileys.
„Ich kann
auch jetzt kommen, wenn es dringend ist“, schiebe ich hinterher.
„Das wäre
gut“, kommt zurück.
„Gib mir 15
Minuten…“ Noch während ich den Satz los schicke, wird mir klar, was ich da
gerade geschrieben habe.
An meinem
alten Wohnort hätte das geheißen: So ziemlich der ganze weitere Tag ist hinüber
und mit „mal eben schnell“ ist es auch nix. Mit noch schnell fertig machen,
wäre das unter 2,5 Stunden nicht zu machen gewesen.
15 Minuten später
stehe ich im Labor. 5 Minuten anziehen und Haare kämmen und 10 Minuten fahren.
Ich glaube,
ich bin aber auch die Einzige, der das so phänomenal vorkommt… ;)
Unserem MTA
könnte ich manchmal wirklich die Füße küssen.
Egal mit
welcher Laune ich aufstehe – er schafft es, dass ich für den Moment alles
vergesse. Die Arbeit im Labor ist meistens ziemlich ineffizient, da wir mehr
quatschen als arbeiten, aber das ist in dem Fall irgendwie okay. Manchmal
ersetzt ein Besuch im Labor jede Therapiestunde.
Nachdem wir
das gröbste Chaos beseitigt haben, gönnen wir uns eine kleine Pause. (Obwohl es
ehrlich gesagt so ein großer Lebor – Notfall nun auch nicht war).
„Was war
denn mit Deinem PC los?“, fragt er, worauf hin ich die Geschichte erzähle. „Wärst
Du da gewesen, wäre das sicher anders gelaufen“, sage ich. „Bestimmt“, erwidert
er.
Er möchte
das gute Stück mal haben. „Mondkind – Windows kann Dir gerade zuschauen. Das
sollten wir schnell ändern“, sagt er und im Handumdrehen verändert er die
Einstellungen und installiert mir noch dazu ein Virenschutzprogramm.
Und für den
Notfall gibt er mir noch eine CD mit, sodass ich den PC extern mit Linux
starten kann und erstmal so über die Runden komme.
Schon mal
wieder ein Stück Problem erledigt. Jetzt muss ich zwar immer noch die Programme
organisieren, aber sonst ist das Teil jetzt ziemlich sicher und einen Notnagel
für zukünftige Probleme habe ich auch.
Zwischendurch
gehen wir frühstücken. „Wie geht es Dir denn jetzt eigentlich?“, fragt er. Ich
hatte ihm letzte Woche erzählt, dass ich diese Woche eigentlich ein Praktikum
machen wollte, aber noch nicht weiß, ob das gesundheitlich geht.
„Naja,
letzte Woche hättest Du mich nicht sehen wollen und auch jetzt gibt es immer
wieder Einbrüche, aber ich kann das zumindest halbwegs überspielen“, gebe ich
zurück.
Er kennt die
ganze Story. Er hat mir irgendwann mal von sich aus erzählt, dass er selbst
betroffen war – was ich irgendwie immer gar nicht glauben kann, wenn ich ihn
sehe. Aber so ist das halt – man sieht nichts. Manchmal sind die, denen man am
wenigsten ansieht, am Schlimmsten dran, weil sie am Besten gelernt haben, sich
vor sich selbst zu verstecken. Und deshalb habe ich keinen Grund gesehen, ihn
nicht auch einzuweihen.
„Nimmst Du
eigentlich noch Medikamente“, fragt er. Und schiebt direkt hinterher „Entschuldigung
für die persönliche Frage.“ „Nein kein
Problem, alles gut“, sage ich.
***
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Zwei Tage
lang habe ich im Labor gestanden und eine ganze Schnittserie immunhistochemisch
gefärbt. Unser MTA meinte, ich soll direkt den ganzen Muskel einmal durchfärben
und mir um die 20 Schnitte aussuchen. Wenn man den Muskel in entsprechend dünne
Scheibchen schneidet, sodass er auf einen Objektträger gelegt werden kann, darf
ein einzelner Schnitt nur maximal 8 Mikrometer dick sein. Und jetzt darf jeder
mal rechnen, wie viele Schnitt da bei einem 2,5 cm langen Muskel raus kommen…
Die kann ich
natürlich nicht alle färben. Dafür reicht die Zeit nicht und auch das Geld des
Instituts – Immunhisto ist nämlich teuer. Und am Ende müsste ich sie ja auch
alle noch anschauen…
Ich habe mir
20 Schnitte heraus gesucht - was schon eine Menge ist- wenn man bedenkt, dass wir ja auch gar nichts
darin finden könnten. Dann hätten wir viel Zeit und Geld verschwendet.
Mein
Doktorvater – ein unverbesserlicher Optimist – meinte aber, dass wir diesmal
hundertprozentig die Lymphgefäße in den Schnitten sehen. Diesmal hatten wir
einen frischen Muskel und nicht einen, der schon jahrelang im Formalin lag.
Die Stunde
der Wahrheit. Nach 2 Tagen wird im letzten Schritt für die rote Farbe für die
Lymphgefäße auf die Objektträger gegeben. Es ist eine langsame chemische
Reaktion, von daher muss man immer mal wieder in das Mikroskop, das neben der
Färbebank steht schauen, was sich so tut, um die Reaktion rechtzeitig
abzubrechen.
Der MTA und
ich – wir stehen beide da und warten. Mit schlagenden Herzen. Dieser Versuch
muss klappen. Und wir warten. Es sollte doch längst etwas passiert sein? Egal,
weiter warten…
Eine Stunde
später:
„Mondkind,
wir müssen das jetzt abbrechen, sonst kommt die unspezifische
Hintergrundfärbung so stark durch, dass wir gar nichts mehr sehen…“
NNEEEIINNNN!!!!!!!
Ich hoffe,
dass wenn die Präparate getrocknet sind, ich an unserem neuen Super – Mikroskop
noch etwas sehe. Das hat eine viel bessere Auflösung.
Aber auch
hier – nichts.
Die Probe,
die wir haben mitlaufen lassen und in der definitiv Lymphgefäße sind, weil sie
ein lymphatisches Organ ist, sieht aber auch nicht besonders gut aus. „Hier
wurde schon zwei Monate keine Immunhisto mehr gemacht, vielleicht sind die
Chemikalien langsam ein wenig alt“, gibt der MTA zu bedenken. Na zauberhaft…
Aber das
bringt uns in die Verlegenheit die Färbung noch einmal – vorzugsweise an einem
anderen Muskel – zu wiederholen…
Nächste
Woche.
Aber mein
Optimismus ist da eher begrenzt, während mein Doktorvater auf ein Wunder hofft.
Wenn wir uns doch wenigstens einige werden, dass das keinen Sinn mehr hat.
Es ist schon
bitter zuzuschauen, wie das Projekt nach Zweieinhalb Jahren Arbeit langsam aber
sicher doch vor die Wand fährt…
Mondkind
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