... und wie es endet



Wir schreiben unsere Klausur im Ersatzhörsaal. In einem Gebäude, das vor ungefähr fünf Jahren – kurz bevor ich angefangen hatte zu studieren –  provisorisch gebaut wurde, weil einige Hörsäle der Mediziner so baufällig waren, dass man dort nicht mehr unterrichten konnte und das neue Medizinergebäude noch nicht fertig gestellt war.
Dementsprechend begann für mich das Studium nicht in einem der klassischen Hörsäle, wie sie jeder von Bildern kennt. In denen die Reihen hintereinander immer höher werden und man in der letzten Reihe das Gefühl hat, der Dozent sei soeben einem Puppenhaus entsprungen.
Die ersten Stunden an der Uni waren für mich der „Chemie – Vorkurs“, der – wie der Name vermuten lässt – noch vor Beginn des regulären Studiums in eben diesem Hörsaal statt fand. Dort waren die Sitzreihen flach hintereinander angeordnet, jeder Stuhl hatte seinen eigenen  von der Seitenlehne herunter klappbaren Tisch, der für die Linkshänder unter uns immer auf der falschen Seite war. Der Dozent stand vorne auf einer Art Podest, damit er auch von der letzten Reihe zumindest erahnt werden konnte
Dort, in diesem Hörsaal, der von unserem Soziologieprofessor später immer liebevoll als „Bierzeltgarnitur“ bezeichnet wurde, begann in drückender Hitze am Ende des Sommers das Medizinstudium.

Und genau in diesem Hörsaal schließt sich für Viele der Kreis. In genau diesem Hörsaal schreiben Viele von uns ihre letzte Klausur – so wie wir übrigens auch unsere letzte Klausur vor dem Physikum dort geschrieben haben. Anatomie. ZNS war das Thema und in dem Hörsaal war es unerträglich heiß und stickig, sodass selbst mir am Ende schwindelig war. Die Klausur war wirklich schwer und sie zu bestehen, war Voraussetzung für die Teilnahme am ersten Staatsexamen.

Für Viele von uns passt es einfach. Die letzte Vorlesung, die aufgrund ihres beinahe komödienartigen Aufbaus in Erinnerung bleiben wird, gepaart mit diesem denkwürdigen Ort.

Wer hätte eigentlich Ende April gedacht, dass ich in diesem Semester wirklich nochmal an die Uni gehe? Und dann auch noch eine Prüfung schreibe? Natürlich habe ich gesagt, dass ich maximal sieben Wochen ausfallen will, aber daran geglaubt, dass das wirklich klappt, habe ich nicht. Und die Ärzte glaube ich auch nicht.
Im Prinzip ist es gar nicht mal schlecht, was ich hier trotz allem noch auf die Beine gestellt habe.

Und selbst, wenn ich mir das immer wieder sage – es tut einfach weh.

Und dabei war diese Zeit so wichtig und so nötig. Es sind neue Freundschaften entstanden, es ist so viel, dass die Ärzte, Therapeuten und Mitpatienten mir auf den Weg gegeben haben – das will ich alles gar nicht missen.
Und ich weiß, dass ich – so wie es vor ein paar Monaten noch war – nicht für das Examen hätte lernen können. Parallel zur Uni hätte es mit dem langen Pendeln schon mal gar nicht geklappt und auch, ob ich einen Ort gefunden hätte, in dem ich mich hätte einigeln können, weiß ich nicht.

Jetzt hat mein Leben nun mal diesen Break und ich weiß nicht, warum mein Kopf mir das so übel nimmt. Im Prinzip könnte man das doch glatt als Bereicherung bezeichnen, was ich da erlebt habe – nicht nur an Input – sondern auch auf der zwischenmenschlichen Ebene.
Ich kann mich erinnern, dass ich am Anfang ganz verwirrt davon war, wie nett die Mitpatienten alle zu mir waren und wie sie mich schon am ersten Abend in ihre Mitte genommen haben, obwohl ich – so verstört wie ich war – sicherlich ein wenig anstrengend war.
Dass ich die Uni irgendwann ein wenig loslassen konnte, war nicht nur den Gesprächen mit den Ärzten und Therapeuten geschuldet – die gab es ja gar nicht so oft – sondern auch mit den Mitpatienten, die ihre Geduld nicht verloren haben.
Ich hatte so einen Zusammenhalt und ein Gruppenzugehörigkeitsgefühl davor noch nie erlebt.

Ich empfinde für das alles auch irgendwie Dankbarkeit.
Das darf ich auch nicht vergessen und muss es mir vielleicht genauso oft sagen. 

Alles Liebe
Mondkind

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