Zweifel



Die Welt könnte sich – finde ich – ein wenig schneller vorwärts drehen. Auch wenn die Tage dann noch schneller kürzer werden würden.
Zumindest solange, bis ich nicht mehr unzählige Male am Tag von der Panik geschüttelt werde.
Es geht nach wie vor besser, aber ob an der ein oder anderen Stelle nicht doch nochmal ein roter Punkt dazu kommt?
Ich habe nicht so hundert prozentig den Überblick und bin - glaube ich - ohnehin völlig übersensibilisiert, was rote Punkte anbelangt.
Manchmal juckt es auch noch ziemlich. Aber eigentlich nur, wenn ich daran denke und in meinem Körper hinein fühle in der Hoffnung, dort dieses Gefühl nicht vorzufinden.
Und unter den Umständen kann ein Wochenende verdammt lang werden – auch mit Uni und Philosophiebuch – zwei Themen, für die man Aufmerksamkeit und Konzentration braucht.

Es ist immer noch chaotisch.
Die Zusammenfassung der Scripte geht nicht so voran, wie ich mir das wünschen würde. Ich bin doch noch nicht genug in der Lage meine Aufmerksamkeit auf die Uni zu fokussieren, obwohl ich schon das Neuro – Script heraus gezogen habe, damit es mir leichter fällt.

„Wenn es nicht geht, melden Sie sich in der Notaufnahme.“
Darüber habe ich in den letzten Tagen mehrfach nachgedacht, denn grenzwertig ist das hier allemal.
Ich weiß nicht, wie oft ich den Satz in der Ambulanz schon gehört habe. Und wie oft danach die Ärzte einen Zettel von ihrem Notizblock abgerissen haben, die Nummer darauf geschrieben haben und ihn mir in die Hand gedrückt haben.
Ich habe viele von diesen Zetteln hier und Einer ist tatsächlich immer in Reichweite.
Für mich stellt sich aber die Frage, ob ich jemals dort anrufen oder dorthin fahren würde.
Was sollen die denn machen?
Was könnte denn passieren, außer dass sie mich nach einem Gespräch wieder nach Hause schicken oder aufnehmen? Und in letzteren Fall geht die ganze Mühle mit der Klinik dann ja wieder los.
Es ist nicht so, dass die Zeit dort nicht im Gesamten doch irgendwie gut gewesen wäre – insbesondere rückblickend. Es geht darum, dass ich nicht weiß, wie die mir noch helfen sollen.

Ich glaube, eine Klinik kann viel verändern und viel bewegen, wenn man sich darauf einlässt. Man kann in begrenztem Ausmaß die äußeren Umstände ändern. Damit meine ich nicht die Menschen um sich herum, sondern die Lebenssituation.
Ich habe meinen Wohnort gewechselt und das hat mich glaube ich in entscheidenden Maß weiter gebracht. Erst jetzt habe ich überhaupt erst die Möglichkeit, die Stadt in der ich studiere, kennen zu lernen. Mich mit Kommilitonen treffen, war vorher auch nicht möglich.
Auf sozialer Ebene konnte ich mir völlig neue Möglichkeiten erschließen.

Vielleicht liege ich auch falsch, aber was eine Klinik meiner Meinung nach nicht ändern kann ist, das Leben zu schätzen. Das kann einem ja keiner abnehmen. Auf lange Sicht funktioniert es nicht, dass andere Menschen das Leben mittragen.
Man kann die Umstände ändern, aber leben wollen muss man schon selbst. Und auch nicht nur für die Anderen.
Und an dem Punkt können die mir eben auch nicht mehr helfen. Ich bin mir nicht immer sicher, ob ich das alles wirklich will. Ob es sich für mich lohnt zu kämpfen. Ob da nicht immer wieder Zeiten kommen, in denen meine eigenen Zweifel dem Leben gegenüber so stark sind, dass es nur schwierig zu tragen ist. Und ob es sich dann für die wenigen Momente, in denen die Sonne doch mal durch die Wolken hervorbricht, lohnt.

Ich hoffe, dass es bald besser wird. Dass ich aus meinem Tief wieder hervor krabbeln  kann und dass das Leben möglichst schnell zurück in alte Bahnen gelangt. Manchmal hatte ich in den Wochen vorher fast das Gefühl, ein wenig albern sein zu können. Und das geht wirklich nur, wenn es mir gut geht. 



"Never change a running system". Hätte ich auch nicht gemacht, wenn mein Körper nicht gezickt hätte...

Alles Liebe
Mondkind

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