Wochenverlauf
Ich glaube,
als es mir das letzte Mal so ging, wie es mir jetzt geht, war ich noch in der
Klinik und konnte jederzeit entweder ins Pflegezimmer gehen, oder an die Tür
unseres Stationsarztes klopfen und an einer von beiden Stellen habe ich für
einige Minuten meist ein Ohr gefunden.
„Es werden
immer wieder schwierige Zeiten kommen“, hatte mir ein Pfleger mal gesagt und
ich hatte gehofft, dass es bis zum nächsten Tiefpunkt möglichst weit, weit hin
ist.
Es war gut
am Mittwoch nochmal in die Ambulanz zu dürfen, auch wenn die Psychologin glaube
ich nicht darauf eingestellt war, mich in so einer Verfassung zu sehen.
Letzten
Endes reicht aber eine Stunde im Moment nicht mal, um die Hälfte der Themen zu
besprechen.
Es ging
darum, ob ich es schaffen würde nächste Woche das Praktikum zu machen, wenn ich
denn das okay vom Arzt bekommen würde. Aber im Prinzip müsste ich ja nur
durchkommen – es ist nicht mal wichtig einen guten Eindruck zu hinterlassen,
denn weder würde ich dort arbeiten wollen, noch mich dort behandeln lassen. Das
Gyn – Praktikum hinter mir zu haben, hätte halt schon Vorteile gehabt. Denn
allein dieses Praktikum ist ein riesiger Berg. Ich hatte schon einmal eines und
was ich im Rahmen dessen erlebt habe – das reicht für mehr als eine
Arztkarriere. Gesprochen wurde über den Vorfall hinterher nie und dass da
eventuell eine Studentin – damals gerade mal im sechsten Semester – dabei war,
die mit der ganzen Sache völlig überfordert war, kam Niemanden in den Sinn.
Ich glaube,
ich habe die Geschichte am Mittwoch wirklich zum ersten Mal erzählt und es
fällt mir immer noch so schwer, es überhaupt auszusprechen, was damals passiert
ist.
Ich kann
mich erinnern – in einem meiner ersten Praktika – erklärte mir ein Arzt, dass
irgendwann – egal wie gut man ist – jeder seine“ Leichen im Keller“ hat. Das
muss nicht mal aufgrund eines fahrlässigen Fehlers sein. Manchmal gibt es
einfach zwei Optionen und man muss sich für eine davon entscheiden und manchmal
stellt sich im Nachhinein heraus, dass man doch lieber die andere Option
gewählt hätte.
Die
Erfahrung in der Gyn damals – das war die erste einer solchen Situation. Ich
als Studentin hatte mit Sicherheit die geringste Verantwortung und war auch
absolut noch nicht in der Lage, die Situation richtig einzuschätzen. Aber
letzten Endes hat jeder von uns ein Stück Verantwortung daran – die Einen mehr,
die Anderen weniger und am Ende dieses Tages wusste ich, dass dieser Fall mich
für den Rest meines Lebens begleiten würde.
Der
Hautarztbesuch gestern war dann allerdings ziemlich für die Füße.
In der Uni
lernt man das immer so schön – und wenn Studenten in der Ambulanz sind, wird es
auch so gemacht. Man lässt den Menschen sich komplett von oben bis unten
ausziehen und schaut ihn ganz an. Das mag unangenehm sein, bringt einen aber
auch wesentlich weiter.
Mein Besuch
gestern beschränkte sich dann auf eine minimale Anamnese. Ich war zwar nervös,
habe das aber alles so sachlich wie möglich dargestellt, dass die Ärztin sich nicht
gleich denkt: „Oh, so ein Psychofall schon wieder“, denn ich musste ja schon
erwähnen, um welche Medikamente es geht.
Zwar möchte
niemand zugeben so zu denken, aber man wird schnell abgestempelt – das habe ich
im Krankenhaus so oft erlebt. Wenn da ein Psychopharmakon oder eine
psychiatrische Diagnose in der Akte stand, war der Patient auf einigen
Stationen generell ein Simulant.
Sie hat sich
dann zwei ausgewählte Stellen angeschaut und meinte dann: Es könnte eine
Medikamentenreaktion sein, es könnten aber auch Parasiten sein.
Also ganz im
Ernst: Ich persönlich finde das absolut unsensibel und unverantwortlich.
Wenn man so
eine Aussage raus haut, dann schaut man sich den Menschen entweder tatsächlich
mal von oben bis unten an, um den Verdacht zu erhärten oder eben auch nicht.
Wenn man sich so sicher ist, dann gehört der Verdacht behandelt (denn
ansteckend ist das schon) oder wenn man sich nicht so sicher ist, dann behält
man das doch bitte für sich und bittet den Patienten wieder zu kommen, wenn es
nicht besser wird.
Ich meine im
Ernst: Was soll ich mit der Aussage anfangen. Also auf das Spektrum von
komplett harmlos bis „Katastrophe“ (nicht im Sinn von lebensbedrohlich, aber an
Aufwand und Unannehmlichkeiten), wäre ich doch gerade noch so selbst gekommen.
Sie hat mir
dann eine Kortison – Salbe verschrieben und meinte wir beobachten das jetzt mal
10 Tage…
Und die
Vorstellung, dass es sein könnte, dass da irgendwelche Viecher unter meiner
Haut herum krabbeln hat mich gestern auch fast verrückt gemacht. Und das jetzt
im Zweifel 10 Tage aushalten zu müssen.
Das ging so
in Wellen. Alle zwei Stunden eine Panikattacke. Das war gestern echt nicht mehr
feierlich – ich habe schon überlegt, ob ich nochmal in der Ambulanz vorbei
fahre und frage, ob die mir nicht irgendetwas geben können, damit ich das
Wochenende psychisch überlebe.
Aber die
können ja auch nicht viel machen und ein wenig Tavor habe ich noch hier – im Notfall
muss das herhalten.
Ich muss
allerdings sagen, dass seit vorgestern keine neuen Stellen mehr dazu gekommen
sind, es insbesondere meinem Bauch jeden Tag besser geht und das Kortison über
Nacht ganz gut angeschlagen hat. Ich traue dem Frieden noch nicht ehrlich
gesagt – ich meine, das Kortison würde ja auch hinsichtlich allergischer
Reaktionen auf Parasiten wirken.
Die letzte
Nacht, in der ich mit Handtüchern auf meinen Beinen geschlafen habe ist
allerdings schon ein wenig her und wenn jetzt nicht mehr dazu kommt, ist es
dann vielleicht wirklich bald überstanden.
Ein bisschen
vorsichtiger Optimismus ist also vielleicht angebracht.
Obwohl so
ein Wochenende ganz schön lang werden kann, wenn mehr als genug Zeit hat, sich
mit seinem Körper auseinander zu setzen.
Dem
Innenleben meines Bauches geht es derweil noch nicht so gut. Ich habe seit
Tagen nicht mehr anständig gegessen, weil sich mein Magen einfach wie
zugeschnürt anfühlt. Ich glaube, die ganze Aktion wird mich ein paar Kilos
kosten – obwohl das jetzt nicht so schlimm ist, nur zu viel sollte es nicht
werden. Wenn das jetzt 10 Tage so geht, habe ich mich am Ende vielleicht
halbiert…
Das
Praktikum mache ich jetzt natürlich nicht. Wenn ich heute beim Hausarzt
aufschlagen würde, würde er das vielleicht nicht mal merken, weil es gerade
echt ganz gut ausschaut, aber ein bisschen Verantwortungsgefühl muss man doch
an den Tag legen.
Ich glaube
nach dem Stress von gestern, werde ich mir heute mal einen halben Tag Pause
gönnen.
Und dann
hoffe ich so sehr, dass das hier doch alles irgendwie gut wird und ich in ein
paar Tagen zumindest ein Problem weniger habe.
Und dann
werde ich definitiv noch ein paar Tage warten, bis ich das Medikament wieder
nehme. Solange, bis es sicher einmal komplett weg ist und jegliche Art von
Parasiten dadurch ausgeschlossen sind.
Alles Liebe
Mondkind
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