Baden gehen in der Prüfung



I got my eyes on you
You're everything that I see
I want your hot love and emotion, endlessly
I can't get over you
You left your mark on me
I want your high love and emotion, endlessly
'Cause you're a good girl and you know it
You act so different around me
'Cause you're a good girl and you know it
I know exactly who you could be

(Drake – Hold on, we’re going home)


Throw back.
Erster Tag nach dem Examen. Am Fluss.
Manche Dinge werden mir erst Monate später bewusst. Es war ein paar Tage vor dem Examen, dass ich über dieses Lied gestolpert bin. 👉Link: In der Version von Christina Grimmie (wer mich schon länger ließt weiß, dass ihr Echo beinahe täglich durch meine Räume hallt).
An diesem Tag habe ich im Schneidersitz auf der Mauer am Fluss unweit des Studentenwohnheims gesessen. In einem Ohr ein Knopf, auf dem das Lied in Dauerschleife lief. Es genossen, dass nicht jede Minute fern des Schreibtisches eigentlich eine Untat ist. Und ich habe geglaubt, dass es vorbei ist. Es war noch nicht wirklich zu mir durchgedrungen, dass ich mich von meiner Familie ein paar Tage später doch würde durch halb Deutschland scheuchen lassen.
Vor mir – so glaubte ich – liegt eine Zeit, in der ich die Schwere zulassen darf. Eine Zeit in der es nicht darum geht, sie jeden Tag zurück zu drängen und zu bekämpfen. Eine Zeit, in der es nicht mehr darum geht, mich selbst permanent über die Grenzen zu treiben, damit das in altbekannter Manier alle paar Wochen doch zusammen bricht. Weil es neben dem Chaos – Kopf eben doch zu viel ist.
Eine Zeit, in der ich nicht mehr funktionieren muss, so glaubte ich. Eine Zeit, die schwer werden würde – denn wer spürt die Negativität schon gern? Aber eine Zeit, an deren Ende ich vielleicht wieder atmen kann.
Und so war es vor allen Dingen eins: Erleichterung.
Das Examen sollte ich noch durchziehen und das hatte ich zu dem Zeitpunkt geschafft.
All die Hoffnung, all die Pläne – daraus wurde nichts. Wer schon länger mitliest, weiß das. Aber geblieben ist dieses Gefühl, wann immer ich diese Zeilen höre. Ausnahmsweise geht es hier mal gar nicht um den Text. Und heute Abend hilft es mir, dass die vielen Tränen jetzt endlich geweint werden dürfen. Weil es heute nur noch weh tut, dass ich so naiv gewesen bin wirklich zu glauben, dass ich es geschafft habe.

***

Frühmorgens.
Ich bin schon weit vor meinem Wecker wach. Mit meinen Zetteln in der Hand laufe ich die Wohnung auf und ab. Immer wieder gehe ich die Patientenvorstellung durch. Es muss alles auswendig sitzen. Jedes Wort. Ich kenne mich – in mündlichen Prüfungen ist mein Kopf immer leer, wenn es nicht zuvor so fest verankert wurde, dass ich es vorwärts und rückwärts erzählen kann.
Keine Unsicherheiten durchblicken lassen. Nichts sagen, zu dem ich eventuelle Rückfragen nicht beantworten kann.
Fachlich fühle ich mich super vorbereitet. „Manchmal kann eine Prüfung doch auch Spaß machen – wenn man mal alles an den Mann bringen kann, was man gelernt hat. So müssen Sie das mal sehen“, sagte eine Dozentin einst.

In der Frühbesprechung bringt der verantwortliche Oberarzt die neue PJlerin mit. In der Tat hat er wohl nichts anderes gemacht, als ihr einen Kittel zu geben. Mein Plan war es eigentlich, nach der Frühbesprechung nochmal alles durchzugehen. Nur vorsichtshalber. Damit nichts schief geht. Und mich nach der Prüfung mit der PJlerin ausführlich zu beschäftigen.
Aber da sie nicht mal Klamotten hatte, musste ich es doch vorziehen. Ihre persönlichen Sachen können auch nicht ewig bei der Sekretärin liegen.

Da sie noch keinen Büroplatz hat, organisieren wir für sie erstmal einen Spint. (Da ist sie schon weiter als ich ;) ). Und wenn wir schon mal dabei sind – dann können wir auch noch den Rest machen. Essensmarken holen, für das Telefon schickt man uns zur Sekretärin und die schickt uns zurück zur Rezeption… - kleines Chaos.
An der Rezeption läuft mir auch der Neuro – Oberarzt über den Weg. „Wegen der Prüfung“, beginne ich, „der ärztliche Direktor wollte ja halb 10 kommen. Wo soll ich dann am Besten warten?“, frage ich. „Ach ja, die Prüfung…“, sagt er. „Halb 10 an der Rezeption“, ist die Aussage. „Darf die PJlerin nachher zuschauen?“, fragt er. Eigentlich ist mir das überhaupt nicht recht, aber ich möchte sie nicht gleich vor den Kopf stoßen. Was bleibt mir also übrig, als es zu erlauben?
Er fragt uns, ob wir zurecht kommen und ich freue mich sagen zu können, dass ich alles im Griff habe.
Nachdem wir noch rote Klamotten geholt haben, gehen wir zurück auf die Schlaganfallstation.

Ich bereite schnell meine Patienten vor. Ungünstig ist, dass der Oberarzt heute rund eine Stunde eher als gewöhnlich zur Visite kommt, weil er danach einen Termin hat. Ich bin nicht die Einzige, die damit ein bisschen überfordert ist. Eigentlich hatte ich für den Fall meiner Abwesenheit in der Visite noch meine Patienten an einen Kollegen übergeben wollen. Obwohl ich gefragt hatte, ob wir meine Patienten zuerst machen können, weil ich dann zur Prüfung muss, machen wir es nicht. Ich muss dann einfach gehen, als es soweit ist – nicht ohne die Sorge, dass meine Patienten nicht optimal versorgt sind.

Die PJlerin im Schlepptau laufe ich an die Rezeption. Dort treffen wir schon auf den ärztlichen Direktor, der zunächst noch auf dem Weg ins Sekretariat ist. Er fragt mich, auf welcher Station meine Patientin ist. „Okay, dann komme ich da gleich hin“, sagt er. „Sollen wir schon vorgehen?“, frage ich, was er bejaht.

Und damit nimmt das Übel seinen Lauf. Alles was irgendwie schief gehen kann, geht schief.

Der ärztliche Direktor erscheint dann doch auf der falschen Station. Eine Kollegin von der Nachbarstation ruft mich an. „Schick ihn mal rüber“, sage ich. Aber er kommt nicht. Wenig später bekomme ich einen Anruf von einer Kollegin der Stroke Unit. „Mondkind, der ärztliche Direktor ist hier, komm mal runter.“ Zwischendurch ein weiterer Anruf. Ich soll ihn an der Rezeption treffen.
Er ist wenig begeistert von dieser Fehlkommunikation und während wir die Treppen hoch laufen erklärt er mir, dass er schließlich zum Montagmorgen auch viel zu tun habe und das ja ohnehin ungeschickt ist, eine Prüfung an einen Montagmorgen zu legen. Ich habe mir den Termin ja nicht mal gewünscht…

Meine Patientin soll an diesem Morgen noch eine Lumbalpunktion bekommen. Und die führt der Kollege natürlich genau zu dem Zeitpunkt durch, an dem der ärztliche Direktor, mein Neuro – Oberarzt, die PJlerin und ich dort aufschlagen.
Das gefällt ihm natürlich auch nicht. Ich soll ja neben dem Patientenbett stehen. Aber erstmal bleibt uns nur der Flur.

Erstmal soll ich auf dem Flur etwas über die Patientin erzählen. Nach den ersten zwei Sätzen klingelt sein Telefon und er redet erstmal. Es gibt wohl Terminstress ist dem Telefonat zu entnehmen. Und ich nehme ihm gerade auch noch wertvolle Zeit weg. Das ist alles ungünstig.

Ich beginne nochmal von vorn. Aber weiter als bis zu den ersten drei Sätzen komme ich auch nicht. „Wie hoch waren denn die CKs nach dem epileptischen Anfall?“, wirft er ein. „Das mit den CK – Werten wird noch etwas schwierig. Da gibt es mehrere differentialdiagnostische Dinge zu bedenken“, beginne ich zu erklären. So schnell wollte ich darauf eigentlich nicht zu sprechen kommen. Erstmal wollte ich nur sagen, dass sie hoch waren, was mit einem epileptischen Anfall ja auch vereinbar ist. Der Anstieg in den darauf folgenden Tagen auf exorbitant hohe Werte, könne dann aber nach der Aussage meines Kollegen nicht mehr damit zusammen hängen. Und zu dem Zeitpunkt kommen die Muskelerkrankungen ins Spiel. Aber darauf wollte ich eben erst zu sprechen kommen, nachdem ich die Epilepsie – Diagnostik die wir gemacht haben, erklärt habe. Denn deshalb kam sie ja. Mir ist schon klar, dass ich bei einem Neurologen nicht als erstes über Myositiden reden sollte. Und dennoch sollte die differentialdiagnostische Erläuterung der verschiedenen Formen mit einem Schwenk über die Rheumatologie ein großer Punkt des Vortrags werden.
Nur leider sieht er das vollkommen anders. Die Werte seien durchaus mit einem epileptischen Anfall zu vereinbaren und damit auch am ehesten erklärbar. Die Sache mit den Myositiden kann er überhaupt nicht nachvollziehen.
Auch mit allem anderen ist er nicht einverstanden. Er hätte aus unseren Befunden keinen Meningitisverdacht gemacht, er hätte das schon gar nicht antibiotisch und antiviral behandelt. Außerdem kann er unseren Verdacht auf ein bösartiges Geschehen nicht nachvollziehen und damit auch nicht das weitere Procedere, das wir für die Patientin geplant haben.

Kurzgefasst – ich gehe da komplett baden. Zwischendurch kommt der Assistenzarzt der Epilepsie – Station aus dem Zimmer und ich hoffe, dass er sieht, dass er dringend gebraucht wird. Aber der Prüfer schickt ihn weiter. 



Der ärztliche Direktor hat erstmal einen Termin und muss los – wir wollen die Prüfung später fertig machen. Ich glaube, meinem Neuro – Oberdoc ist das auch alles etwas unangenehm. Wortlos laufen der Assistenzarzt, der mittlerweile wieder da ist, der Oberarzt und ich den Gang hinab und gehen ins Arztzimmer ganz am Ende des Flures. Die beiden hocken vor dem PC und versuchen zu retten, was zu retten ist. Was leider nicht viel sein dürfte.
Ich sitze auf der Fensterbank. Einige Dinge habe ich einfach wirklich blöd beantwortet. Der ärztliche Direktor hat mich nach den Nierenwerten gefragt, was bei der Medikation, die wir der Patientin gegeben haben, einfach wichtig ist. Ich wusste sie nicht. Aber es war eben auch nicht „meine“ Patientin - ich war ja gar nicht auf der Epilepsie - Station letzte Woche. Die Patientin habe ich im Prinzip nur übergeben bekommen. Natürlich habe ich mir alles durchgelesen, aber darauf habe ich nicht geachtet. Sie waren im Labor nicht markiert, also werden sie wohl in Ordnung gewesen sein. In der Kreisklinik haben die uns die Ohren lang gezogen, wenn wir bei dem Medikament nicht vorher auf die Niere geachtet haben. Und wäre es meine Patientin gewesen und wäre ich für die Idee und die Medikation verantwortlich gewesen, wäre es vielleicht nicht passiert, dass ich nicht drauf geschaut habe.
Auch den MRT – Befund habe ich gelesen. Leider wurde in der Röntgenbesprechung nur ein wichtiges Detail erwähnt, das aber nicht im Befund steht. Hätte ich das auf dem Schirm gehabt, hätte ich mich zumindest ein bisschen aus der Schlinge ziehen können. Als der Assistenzarzt es mir gesagt hat, ist es mir auch wieder eingefallen, dass es gesagt wurde. Aber weil es nicht meine Patientin war, hatte ich das nirgendwo hin geschrieben.
Am Ende war ich einfach doch schlecht vorbereitet. In Verbindung mit dem Nichtwissen, was das dann ungünstig.

Dem Neuro – Oberarzt geht es jetzt gerade darum, wie die Muskelenzyme im Vorkrankenhaus waren. Wenn sie dort auch schon vor dem Anfall erhöht waren, kann man die Sache zumindest ein bisschen retten. Denn ob letztendlich nun eine Muskelerkrankung vorliegt oder nicht – aber das gehört bei erhöhten Werten zumindest ein Mal abgeklärt und dafür ist die Neuro eben auch zuständig. "Ruf da nochmal an Mondkind und lass Dir das alles faxen“, erklärt der Oberarzt.

Ich bin völlig neben der Kappe. Eigentlich will ich nur alleine sein und nicht noch telefonieren müssen. Wie soll ich jetzt klar denken können? Wie soll ich überhaupt die Prüfung in einer halben Stunde zu einem Ende bringen?
Mein Kollege ist so freundlich und übernimmt das telefonieren, nachdem er gesehen hat, dass ich gerade eher nicht in der Lage bin. „Und bevor Sie das faxen – können Sie mal bitte schauen, wie hoch die Muskelenzyme bei der Aufnahme waren?“, fragt er. Er zeigt mir einen Daumen nach oben. Gut für mich.

Einige Zeit später kommt der Neuro – Oberarzt nochmal vorbei. Er will das nochmal besprechen. Zwischendurch klingelt sein Telefon. Ich höre nur: „Also mit der Prüfung – das geht so nicht…“ Danach steht der Oberdoc auf und telefoniert auf dem Flur weiter.
Das Resultat ist: Ich war offenbar so schlecht, dass da nichts mehr zu retten ist. Ich muss es nochmal machen. „Mondkind, im Medizinstudium fällt jeder irgendwann mal durch eine Prüfung“, sagte mal jemand zu mir. Und bei mir ist das eben heute.

Nur… - warum muss das hier passieren? An diesem Ort?
Warum im Beisein eines Menschen, der so viel für mich getan hat? Warum muss ausgerechnet er bei der einzigen Prüfung dieses Studiums dabei sein, bei der ich durchgefallen bin?
Nach all dem, was er mir ermöglicht hat, wäre es doch wohl das Mindeste gewesen, dass ich eine astreine Prüfung ablege.
Und auch wenn er es nicht so sagt: Natürlich ist er enttäuscht. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich das in den nächsten Tagen wagen kann, an seinem Büro vorbei zu gehen oder ihn anzurufen.
Es ist nicht nur, dass ich durch diese Prüfung gefallen bin: Auf einmal rückt der sichere Hafen in unsichtbare Ferne. Vielleicht ist es nur meine Sorge. Weil mein Wert bisher immer an meinen Leistungen fest gemacht wurde. Vielleicht findet er es nicht so schlimm. Vielleicht ändert es nicht viel für ihn. Vielleicht hoffe ich das auch nur.
Jedenfalls wird mir auf der Neuro immer noch keiner glauben, wenn ich erzähle, dass ich das Examen eigentlich ganz gut gemacht habe und es in der Kreisklinik eigentlich recht gut lief. Denn das habe ich hier noch nicht einmal gezeigt.

Es geht mir gar nicht mal um das Durchfallen an sich – auch wenn das zeitlich langsam tatsächlich auch ein Problem wird. Es geht mir um die zwischenmenschlichen, negativen Konsequenzen. Es geht mir darum, jemanden enttäuscht zu haben, dem ich eigentlich so viel schuldig bin.

Nicht zum ersten Mal stelle ich mir die Frage, ob ich das mit der Neuro nicht einfach lassen sollte. Ich kann es eben einfach nicht. Ich war noch nie sonderlich gut darin, auch wenn ich das gern gewesen wäre. Vielleicht sollte man das tun, das einem liegt.

Wahrscheinlich denken jetzt viele: „Oh man Mondkind, jetzt übertreib es mal nicht.“ Aber es ist einfach anstrengend, jeden Tag die ganzen Selbstzweifel und das Gefühl der Unzulänglichkeit in Schach zu halten. Und es braucht nicht viel, um sie doch siegen zu lassen. Und nach solchen Sachen haben sie eben doch gewonnen.
Wahrscheinlich werde ich vor der nächsten Prüfung vor Nervosität auch fast sterben. Denn nochmal darf das einfach nicht passieren. Das nächste Mal muss ich abliefern.

Mein Oberarzt hat schon eine neue Patientin für mich im Auge. Um 16:15 Uhr, als mein Kopf nur noch „nach Hause und schreiben“ schreit, beordert er mich noch in die Notaufnahme.  Die Patientin hat aber auch schon vier Monate Krankheitsgeschichte hinter sich und es geht wieder um Enzephalitiden. Abends schaffe ich eben einfach nicht mehr viel mit meinem Chaos – Kopf. Ich hätte also – die Prüfung soll nächste Woche stattfinden - das nächste Wochenende, um das alles zusammen zu schreiben und zu lernen. Wahrscheinlich wird das Wochenende dann genauso anstrengend wie dieses. „Ich muss Dich also nicht fragen, wie Dein Wochenende war?“, hatte der Oberarzt heute Morgen noch gescherzt.
Eigentlich wollte ich mich am nächsten Wochenende mit einem Freund in einer der umliegenden größeren Städte treffen. Quatschen und Kaffee trinken. Mal nicht alleine sein. Das stand ja schon auf der Kippe als es hieß, dass ich noch einen Vortrag halten muss. Jetzt geht es natürlich gar nicht mehr. Uni hat Vorrang. Irgendwie habe ich schon Angst, dass er mir das übel nimmt.

Eigentlich war für das nächste Wochenende angedacht, den Vortrag den ich noch halten muss, auszuarbeiten. Wann ich das jetzt mache… - keine Ahnung. Alle Wochenenden bis Weihnachten sind eigentlich langsam verplant. Schon die Fahrt in die Studienstadt kann ich mir eigentlich echt nicht leisten. Das werden ja wieder zwei Tage, in denen ich nur fahre und Familientheater den Kopf ausfüllt und ich darüber hinaus nichts für die Uni mache.
Wann ich den Vortrag jetzt mache… - keine Ahnung, ehrlich gesagt.
Besser macht es da nicht, dass ich eine whatsApp von meinem Vater lese, als ich in der Wohnung ankomme. Er fragt nach Weihnachtswünschen. Wo bei mir ja eher die ungeliebten zwischenmenschlichen Dinge auf dem Wunschzettel stehen, die es ohnehin nie geben wird. Jedenfalls macht mir das deutlich, dass ich auch noch irgendwann Weihnachtsgeschenke organisieren muss. Wann ich das machen soll… - ich weiß es nicht.

„Ich habe keine Zeit für eine Krise“, habe ich mal irgendwann meinem Psychiater gesagt. „Die richten sich leider nicht nach Ihrem Zeitplan“, hat er geantwortet. „Nein, manchmal glaube ich, die werden vom Stress magisch angezogen“, habe ich zurück gegeben. Wobei für mich Stress wahrscheinlich etwas anderes ist, als für andere.

Ich hoffe, es hält. Denn weder habe ich Zeit für psychische Entgleisungen, noch habe ich jemanden, dem ich mich damit gerade antun möchte. Und morgen muss es weiter gehen. Neben mir selbst, muss ich dann auch noch die PJlerin beschäftigen.
Manchmal fehlt einfach jemand. Der einen, wenn man nach Hause kommt nur ansehen muss, um einen wortlos in den Arm zu nehmen. Und sagt, dass es alles gut wird. Und der einen daran erinnert, dass man mehr wert als seine Leistung ist. Weil ich das immer noch nicht verinnerlicht habe.

Neben mir liegt ein Stapel Unterlagen zur neuen Patientin. Mal sehen, wie weit ich noch komme. Wahrscheinlich nicht mehr sehr weit, denn die Kopfschmerzen werden mich vermutlich bald ins Bett treiben.
Aber es reicht auch für heute. Definitiv.

Auf die erlösende Mail des Psychiatrie – Oberarztes, die mich nochmal in die eingangs geschilderte Situation bringen könnte, warte ich übrigens noch. Vielleicht kommt es dazu auch nie. Ich hätte ja die Chance gehabt... - das muss man eben auch mal sagen. Es hätte nur einen ehrlichen Satz in der Ambulanz gebraucht. Der die Familie wohl in Schieflage gebracht, aber mir Raum zum Atmen gegeben hätte.

Mondkind

Bildquelle: Pixabay

Kommentare

  1. Was ist das denn für eine Prüfung? Wir haben so kleine CEX bei denen man eknen Patienten vorstellen und untersuchen soll. Aber der wird morgens ausgesucht und nicht Tage vorher. Deine Prüfung klingt schon fast wie das dritte Staatsexamen. Tut mir sehr leid, dass es so gelaufen ist. Es wirkt auf mich weder fair nich angemessen.

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  2. Im Prinzip soll das glaube ich auch so ein Mini - CEX sein. Nur vielleicht ein wenig anspruchsvoller und es geht mehr um die Fallvorstellung und die fachlichen Rückfragen, als um die Untersuchung des Patienten. Bei uns wurden die in den klinischen Semestern gemacht. Ich habe schon ein Mini - CEX in der Neurologie an meiner Uni gemacht. Aber in der Studienordnung der Universität, zu der die Neurologische Klinik in der ich aktuell PJ mache gehört, steht wohl etwas anderes. Die haben halt keine Mini - CEX in den klinischen Semestern. Wobei es glaube ich tatsächlich nirgendwo erwähnt ist, dass man die Prüfung beim ärztlichen Direktor machen muss... - ich finde der Chef würde auch reichen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich die Uni nicht gewechselt habe und folglich nach der Studienordnung meiner Heimatuni studiere, in der nichts von Prüfungen im PJ steht. Aber das habe ich schon unzählige Male erfolglos versucht zu erklären.

    Ich fände es ja auch nicht schlimm, das freiwillig zu machen als Vorbereitung auf das dritte Staatsexamen, wenn es mir angeboten worden wäre. Aber dazu wird es eben auch nicht genutzt. Das letzte Mal gab es keinerlei Rückmeldung, außer dass man mit der Bewertung sehr gnädig gewesen sei und das nächste Mal mehr erwartet und ich nicht empathisch genug mit dem Patienten umgegangen bin. Wobei das eben ein Prüfungsgespräch neben dem Patienten war - der war gar nicht mit einbezogen, also natürlich war ich nicht empathisch mit dem Patienten, weil ich mit ihm nicht mehr als drei Sätze gesprochen habe... (ich habe mich halt ziemlich darüber geärgert, weil ich mich schon empathisch finde...)

    Man hätte das ja auch hinterher nochmal durchgehen und mich darauf hinweisen können, wo ich im Staatsexamen dann drauf achten muss und was auf gar keinen Fall passieren darf.

    Hach ja... - Aufregen nützt nichts. Ich hoffe nur, dass es das nächste Mal nicht dasselbe Desaster wird...

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    1. Ich würde es nicht als Desaster bezeichnen sondern als eine Verletzung unglücklicher Ereignisse. Da ist einfach vieles falsch gelaufen und du kannst am wenigsten dafür. Ich drück die Daumen, dass es das nächste mal besser läuft. Und vor allem fairer!

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