Endlich - die erste Lumbalpunktion


Mittwoch, 31. Oktober 2018

Morgens kurz vor acht. Mit vier anderen Kollegen bin ich damit beschäftigt, allen Patienten des Stockwerks Blut abzunehmen, einen Zugang zu legen oder bei einigen auch Beides.
Eine junge Patientin kommt als nächstes in meine Richtung gelaufen; die graue Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Was sie denn brauche, möchte ich von ihr wissen. Wortlos drückt sie mir den Zettel in die Hand, auf dem die Schwestern angekreuzt haben, ob Blut abgenommen oder ein Zugang gelegt werden soll – oder eben beides. Der Zettel ist mindestens fünf Mal zusammen gefaltet. „Haben Sie den selbst nicht gelesen?“, fragt die Kollegin neben mir. „Das geht Sie gar nichts an“, kommt von der Patientin zurück. Ich sage gar nichts dazu – bloß keine Eskalation der Situation. Einen Zugang soll sie bekommen, lese ich. „Dürfen Sie das überhaupt – Sie sind Studentin“, wirft sie mir vor. „Ja das darf ich“, sage ich so selbstbewusst wie möglich. Die Patientin schaut meine Kollegin an. „Darf sie“, wiederholt auch die Kollegin.
„Jetzt bloß nicht verkacken“, denke ich mir und spüre, wie meine Finger etwas anfangen zu zittern. Es ärgert mich, dass die Patientin mich so verrückt macht. Am Ende klappt es.
Beim Mittagessen bespreche ich die Situation mit einem Kollegen. „Das machen die Patienten nur, weil sie Schiss haben“, werde ich aufgeklärt. „Und das Beste ist, man spricht es sofort an und entwaffnet die Patienten. Natürlich sollte man das möglichst nett formulieren.“ Und nach einer kurzen Pause: „Mondkind, Du darfst Dich von den Patienten nicht einschüchtern lassen. Ob Dir bei einem Patienten eine Blutabnahme gelingt oder nicht, sagt absolut nichts über Deine Fähigkeiten als Arzt aus. Für die Patienten ist das nur eine riesen Sache, wenn sie da jemand mit der Nadel traktiert, deshalb bewerten die das so hoch.“
Danach geht es mir wieder ein wenig besser und ich schaffe es sogar am Nachmittag die Blutabnahmerunde auf der Privatstation erfolgreich zu beenden. Privatpatienten sind da noch schlimmer…

Ein wenig später am Tag wartet sie wirklich auf mich: Die erste Lumbalpunktion. Bei einem Patienten, den ich gestern noch aufgenommen habe. Die Assistenzärztin lässt mich vor ihr in den Raum gehen, sodass ich dem Patienten noch einmal alles erkläre, das Bett verrücke, in der Höhe verstelle und den Patienten positionieren kann. Nachdem ich alles hergerichtet, sterile Handschuhe angezogen und den Rücken des Patienten desinfiziert habe, kann es los gehen.
Der Patient ist relativ adipös, deshalb ist es nicht so einfach, eine geeignete Stelle zu finden, um die Punktionsnadel zwischen den Wirbelkörpern zu platzieren. Ich fühle da einfach keine Dornfortsätze. Im schlimmsten Fall hänge ich gleich auf dem Knochen. „Es piekt einmal“, sage ich und steche mit sanften Druck die Punktionsnadel schnell durch die Haut – der schmerzhafteste Moment der ganzen Punktion. Und wo lande ich… - auf Knochen – Mist. Ich verändere den Winkel ein wenig. Es scheint besser zu klappen, jedenfalls lässt die Nadel sich vorschieben. Als ich einen Widerstandverlust spüre, höre ich auf die Nadel vorzuschieben und schaue meine Kollegin fragend an. Sie nickt, also sieht es wohl gut aus. Ich nehme die Quincke - nadel zur Hand und schiebe sie durch die Punktionsnadel. Das Vorschieben ist gar nicht so leicht und zu Beginn wende ich nur zögerlich mehr Kraft an. Immer wieder schiebe ich sie ein paar Millimeter vor, ziehe den Mandrin zurück und schaue, ob mir der Liquor entgegen kommt. Und nachdem ich die Prozedur ein paar Mal wiederholt habe, kommt mir doch tatsächlich eine klare Flüssigkeit entgegen.
In dem Moment bin ich so, so unfassbar erleichtert. Als die Assistenzärztin mir vorher noch erklärt hatte, dass sie mal eine PJlerin hatte, die es bei zehn Patienten versucht und nicht ein Mal geschafft hatte, wurde mir schon ganz anders.
Ich fülle fünf Röhrchen mit je zwei Milliliter Flüssigkeit, schiebe den Mandrin wieder auf die Nadel und ziehe – während ich den Patienten husten lasse – beide Nadeln aus dem Rücken. Leider braucht man dazu auch mehr Kraft als gedacht – deshalb muss der Patient ziemlich lange husten.
„War es schlimm?“, fragt die Assistenzärztin den Patienten. „Nein“, erwidert dieser, „Ihr macht das hier alle wirklich sehr gut…“
Im Anschluss nehme ich noch Blut bei dem Patienten ab und dann bin ich fertig – und echt glücklich.

Jetzt muss ich nächste Woche nur noch irgendwann einen Kuchen backen. Das ist Regel hier – für die erste erfolgreiche LP ist ein Kuchen fällig.

Am Abend mache ich die Wäsche und gehe noch einmal einkaufen. Dort treffe ich eine Kollegin aus der Inneren und wir unterhalten uns kurz. Eine schöne Begegnung zum Tagesabschluss. 

***
Gestern bin ich in die Studienstadt gefahren. Das Programm zwischen Donnerstag und Sonntagmorgen ist straff. Heute steht neben dem Labor und dem Treffen mit einem Freund, unter anderem noch die Ambulanz auf dem Programm - ich bin gespannt...

Mondkind

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