Magic Monday... - again.
„Mondkind, es ist anspruchsvoll,
aber es ist der geilste Job der Welt. Und… - es ist am Ende ein Job.“
Fazit der Herrn Oberarztes.
Nach Magic Monday 2.0.
Also für alle Leser – am Besten
immer die Montags – Blogposts lesen; da ist am Meisten Action drin.
Es ging schon gut los heute
Morgen. Ein Pfleger kam mir mit einer Akte entgegen. „Mondkind, wir wollen die
Patientin um 9:30 Uhr auf die Frühreha legen. Wo ist denn der Brief?“ Was für
eine Frühreha? Was für ein Brief? Hatte das irgendjemand gesagt? Shit…
Ich durchforste meine Mails. Da
ist tatsächlich eine vom Freitagnachmittag von der Arzthelferin, die ich nicht
mehr gelesen hatte. Die Patientin soll in die Frühreha. Und ich lege die Woche
gleich mal damit los, dass der Brief fehlt.
Also sitze ich wenig später schon
mit Herzrasen in der Frühbesprechung und frage mich, wann um alles in der Welt
ich bis halb 10 diesen Brief schreiben soll. Ich muss doch meine Visite
vorbereiten, sonst gibt es gleich das nächste Drama.
Ich hatte noch gar keine Zeit
mich zu erkundigen, wo meine über 100 jährige Dame abgeblieben ist. Die
Übergabe vom Wochenende dauert ewig – wir haben die Station ungefähr zwei Mal
belegt und wieder geleert, merkt einer der Ärzte zynisch an. Die Dienstübergabe
ist fast fertig, als der diensthabende Arzt sagt: „Ach so und da gab es eine
Dame am Ende des Flurs – die ist leider gestorben.“ Betretenes Schweigen. „Wem
gehörte sie?“, fragt der Chef, der heute irgendwie sehr schlechte Laune hat. „Mir“,
sage ich ganz leise. „Mondkind, was macht Du mit Deinen Patienten? Die sterben
oder gehen auf die Palliativstation.“ Das ist nicht böse gemeint und mit über
100 Jahren und – abgesehen von der neurologischen Problematik – als internistisches
Polytrauma darf man auch sterben. Da hat keiner Schuld dran. Und trotzdem macht
mir das ja selbst zu schaffen.
Nach der Übergabe. Der Oberarzt
steht noch im Schwesternzimmer. „Also wegen des Briefs“, fange ich an. „Es tut
mir leid – ich habe das völlig verpeilt, dass ich den Freitag noch hätte
schreiben müssen. Kann ich die erstmal mit einem Kurzarztbrief schicken und den
langen Brief heute Nachmittag schreiben?“, frage ich. Man muss das Problem
offensiv angehen – es bringt nichts, da irgendetwas zu verheimlichen und für
noch mehr Verwirrung zu sorgen.
„Mondkind“, sagt der Herr
Oberarzt, „Schreib den Brief einfach heute Nachmittag und wir schicken ihn
hinterher. Es ist alles gut…“
Ich wäre gern einfach mal so
ruhig wie er. Ein bisschen so ruhig wenigstens
Visite. Es stellt sich heraus,
dass ich heute vier Briefe schreiben muss, mit den Unfallchirurgen telefonieren
darf, noch allerhand Untersuchungen anmelden und ein Doppler machen muss. „Dann
muss ich mal sehen, wen ich für das Doppler engagiere“, murmle ich vor mich
hin. „Engagiere mich“, schlägt der Herr Oberarzt vor, was ich natürlich dankend
annehme. Zwar habe ich jetzt etwas besser den Durchblick, aber mit instabilen
und unkooperativen Patienten im Doppler zu sein, ist dann eben doch nochmal was
anderes.
Mitten in der Visite klingelt
mein Telefon. Während ich noch über die Patientin berichte, ziehe ich es mit
den Fingerspitzen der Hand, die nicht das Klemmbrett hält, aus meiner
Brusttasche. Der Oberarzt streckt indes seine Hand aus und nimmt es mir –
während ich immer noch rede – ab, schaut kurz drauf und reicht es einer
Kollegin weiter. Erst viel später wird mir auffallen, dass die Freundin, die
heute Morgen wieder los gefahren ist, während ich meinen Arbeitstag begonnen
habe, sicherlich verkünden wollte, dass sie wohlbehalten in der Studienstadt
angekommen ist. Das muss ein lustiges Telefonat gewesen sein…
Zur Mittagessenszeit muss ich
erstmal schnell ein paar MRTs und CTs anmelden, von denen einige heute noch zwingend
laufen müssen. Deshalb kann ich mit den anderen heute nicht mitgehen zum Essen
und bin sehr froh, dass die Freundin mir heute Morgen noch eine Lunch – Box zurecht
gemacht hat. Da kann ich wenigstens zwischendurch mal ins Toastbrötchen beißen.
Später am Nachmittag gehe ich
noch mit einem Kollegen ins Doppler. Wir sind beide noch nicht so gut darin und
ich dachte, dass ich abgesehen von Briefen und meinem eigenen Doppler, den ich
danach machen wollte, ja auch nicht mehr viel zu tun habe.
Dachte…
Es ist halb 5. Arbeitstag beinahe
vorbei. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie ein neuer Patient in mein Zimmer
geschoben wird. Natürlich hüpfe ich sofort hinterher. „Also Mondkind“, beginnt
die Schwester zu erklären, „hier haben wir Jemanden aus der Kardiologie, der
dort wegen Herzrhythmusstörungen war. Und kurz bevor er seinen Schrittmacher
bekommen hat, hatte er leider noch seinen Schlaganfall. Deswegen wurde eine
Lysetherapie und eine Thrombektomie gemacht.“ Und weil das Herz jetzt vom
Rhythmus her vollkommen dekompensiert, hat der Patient jetzt einen externen
Schrittmacher. Und weil er so instabil ist, laufen Katecholamine. Ach ja… - und
selbst unter 10 Liter Sauerstofftherapie ist die Sättigung eher mäßig.
Nee, oder? Jetzt nicht ernsthaft…
- warum immer ich?
Während ich wenig später über die
Akte gebeugt im Schwesternstützpunkt stehe, kommt der Oberarzt. „Wo ist denn der
neue Patient gelandet?“, erkundigt er ich. „Bei mir“, erwidere ich kleinlaut. „Ach
Mondkind…“, sagt er und legt mir den Arm auf die Schulter.
Wir gehen zum Patient und bleiben
bei ihm, bis er sich von dem Eingriff etwas stabilisiert hat. Danach hüpfe ich
erstmal auf die Nachbarstation und besorge alle Unterlagen. Gerade als ich ihn
anrufen möchte, ruft mich der Oberarzt der Kardiologie an. „Wie geht es ihm
denn jetzt so…?“, fragt er mich. Ich berichte, was ich weiß. „Und was ist da
jetzt so die Prognose…?“, fragt er. Oha… - jetzt fragt ein Oberarzt der
Kardiologie eine Assistentin, die gerade mal zwei Wochen im Job ist, nach der
Prognose von diesem Schlaganfall. Falsche Adresse. Ganz falsche Adresse.
Zum Schluss geht es noch darum,
dass jemand die Implantation des Schrittmachers neu anmelden muss. „Also ich
hatte schon den ganzen Sonntag Dienst und meine Assistenten haben viel zu tun.
Das müsst ihr jetzt mal machen…“, sagt er. Okay, einem Oberarzt wiederspricht
man nicht… Ich stelle das komplette System auf den Kopf, aber ich vermute, dass
es einfach nicht vorgesehen ist, dass Neurologen eine Schrittmacherimplantation
anmelden…
Bevor der Oberarzt nach Hause
geht, schaut er nochmal bei uns vorbei. Setzt sich nochmal kurz. Erklärt, dass
er weiß, dass mich so viele Todesfälle mitnehmen und das Team mich deshalb ein
wenig damit aufzieht. Um es leichter zu machen. „Mondkind, Du bist nicht dafür
verantwortlich. Du stehst nicht an vorderster Front. Ich bin hier der Oberarzt.
Und wenn ich Dir nicht sage, dass Du etwas falsch gemacht hast, dann hast Du
nichts falsch gemacht…“
Er sagte auch, dass er hofft,
dass mich langsam alles etwas weniger stresst und ich das Gefühl habe, ein
bisschen anzukommen. Dass ich gut in das Team integriert werde und hier ja auch
jeden fragen könne. Wie lieb von ihm, dass er nochmal eine Ansprache für meine
Zweifel hält.
„Ach so… - was hast Du eigentlich
Deiner Freundin gestern gekocht…“, fragt er. Och nee… „Naja… - wir haben in
ihrem Mini – Backofen versucht Süßkartoffelpommes zu machen…“, erkläre ich.
Am Ende hat er mir erlaubt, den
Brief für den verstorbenen Patienten auch noch morgen zu schreiben und deshalb
konnte ich dann gegen 20 Uhr auch mal gehen.
Schauen wir, was uns morgen
erwartet. Auf jeden Fall muss ich den Doppler jetzt unter kriegen, ich habe
eine schwer betroffene und kardial ziemlich dekompensierte Patientin und dann
ist auch noch Chefvisite. Da ist also Potential für Drama morgen.
Mondkind
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