Reisetagebuch #3 Hinter dem Funktioniermodus
Es wird einfach nicht. Fast scheint es so, als hätten sich Körper und
Psyche zwischendurch mal völlig verabschiedet, wenn man sie kurzzeitig nicht
zwingend braucht.
Hinter den Hüllen des Sichtbaren bricht hier alles zusammen. Ich bin
mal gespannt, wie und ob ich aus der Nummer wieder heraus komme. Eine Nacht
schlafen, wäre ein Anfang.
Das mit der Handy – Reparatur hat heute so überhaupt nicht
funktioniert. Ist ne lange Geschichte und ich bin auch zu müde sie zu erzählen,
aber ich hätte das mal lieber so gemacht, wie ich es gestern geplant und mit
dem Handy – Laden abgesprochen habe, als mir von meiner Mutter dazwischen
funken zu lassen.
Ich dachte, ich kann zumindest Handy – mäßig auf den Status – quo zurück
fahren, aber das funktioniert nicht. Und zu allem was ich zu Hause nicht
schaffe, muss ich mich jetzt zwingend noch um ein Problem mehr kümmern. Und das
klingt immer so ein bisschen blöd, aber auch wenn man es nicht täglich
stundenlang nutzt – ein bisschen abhängig davon ist man eben doch. Sei es, um
mal kurz mit Freunden zu schreiben oder zu telefonieren, oder um auf der Arbeit
mal die Medikamenten – App zu benutzen. Eben besonders dann, wenn man nur über
Medien Kontakt halten kann, wie ich, wenn ich nicht mehr hier in der
Studienstadt bin.
Ach man, es ist alles so wahnsinnig ärgerlich. Ich hätte doch nur eine
Hülle kaufen müssen und ehrlicherweise zerfleische ich mich schon sehr dafür,
so unachtsam gewesen zu sein.Und für mich sind solche "Zusatz - To - Do's" im Moment fast unlösbar.
Ansonsten habe ich mir heute nochmal mit Hilfe einiger lieber Leser
ein paar Gedanken zum Thema Klinik gemacht. Und da kam ein sehr interessanter
Aspekt auf. Dass ich hinsichtlich eines weiteren Aufenthaltes sehr unsicher
bin, ist ja mittlerweile bekannt.
Letzten Endes gibt es aber auch keine klare Linie des Außen und ich
glaube das ist auch etwas, das mich sehr verunsichert. Im Prinzip haben die
meisten Behandler vermutlich den „klassischen Depressiven“ vor Augen. Da mag am
Ende der Funktionierenkarriere die Alltagsuntauglichkeit stehen. Und dann ist
für alle klar: Der kriegt seinen Job und seine Angelegenheiten nicht mehr auf
die Kette; dann stecken wir den Menschen doch mal in die Klinik. Das sieht aber
im hochfunktionalen Bereich ein bisschen anders aus. Da steht am Ende der
Funktionierenkarriere nicht die Alltagsuntauglichkeit, sondern der Suizid. Ich
befürchte, Alltagsuntauglichkeit wird es bei mir nie geben. Beziehungsweise… -
eigentlich funktioniert der ja auch schon seit Monaten nicht, aber eben für
alle im Verborgenen. „To – Do – listen“ werden wie gesagt seit Monaten nicht
abgearbeitet – sonst wäre der Handysturz vielleicht folgenlos geblieben und ich
hätte mal Lampen an der Decke meiner Wohnung. Aber das sind halt Dinge – das bekommt
keiner mit.
Jedenfalls… - dadurch bekommt man dann die unterschiedlichen Aussagen
der Behandler. Wer zumindest ahnt was Sache ist, droht einem schon fast eine
Zwangseinweisung an, was dann doch zu viel Kontrollverlust und quasi immer
traumatisch ist. Diejenigen, die das nicht sehen, sagen: „Naja, aber Frau
Mondkind, arbeiten funktioniert doch. Dann lenken Sie sich mal dort ein
bisschen ab…“ Und dann gibt es nur noch die beiden Extreme, ich stehe völlig
verwirrt dazwischen und der ohnehin viel stärkere: „Mondkind, Du musst
funktionieren – Teil“ bekommt zumindest teilweise das zu hören, was er braucht,
um mich erbarmungslos weiter zu schicken. Und wenn man so oft hört: „Naja, Sie müssen
doch einfach nur arbeiten“, dann kann ich mich selbst teilweise auch nicht mehr
wirklich ernst nehmen.
Ich will damit Niemanden verurteilen und ich glaube, der
Kliniktherapeut hat mittlerweile verstanden, was hier eigentlich läuft –
vermutet aber hinter meiner Unsicherheit irgendwelche „Muster“, wie er sagt und
möchte deshalb, dass ich den Weg alleine gehe. Das mag auch grundsätzlich
richtig sein, ist aber immer noch Schritt zwei vor Schritt eins.
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Nochmal ein Bild von gestern - auch Klinikgelände |
Morgen habe ich einen Termin bei Frau Therapeutin – mal sehen, was das
gibt. Was die Klinikthematik angeht, erhoffe ich mir davon nicht viel. Sie ist
eine Person, die „Aber Frau Mondkind, Sie können doch arbeiten gehen“ und „Frau
Mondkind, also wenn das so ist, dann muss ich Sie jetzt zwangseinweisen“ in
einer Person vereint. Dazwischen gibt es nicht viel – das ist immer etwas
anstrengend und irgendwie mag ich es dann nicht ansprechen. Aus so einem
Gespräch geht man mit ihr nie gut raus. Aber es gibt ja genügend andere Themen.
Ohne den Herrn Therapeuten unterlaufen zu wollen, ist mir aber –
nachdem ich ihn gestern auf dem Gelände gesehen habe – noch eine Person
eingefallen, die nochmal helfen könnte, Argumente zu gewichten. Der vielleicht
auch ein bisschen die kognitive Verzerrung korrigieren kann. Ich glaube,
Klinikaufenthalt mit „Job- und Wohnungsverlust“ gleichzusetzen, hat schon fast
wahnhafte Züge, wenn ich es mal realistisch betrachte, aber sicher bin ich mir
nicht. Soweit das alles nochmal auseinander zu dröseln, bin ich ja gestern mit
Herrn Therapeuten gar nicht gekommen. Also habe ich dem sehr geschätzten, alten
Herrn Psychiater heute Morgen nochmal eine Mail geschrieben. Er hat sogar ganz
lieb geantwortet und ein Telefonat vorgeschlagen. Das sollte eigentlich heute
Nachmittag stattfinden. Wenn man einmal bei ihm ist oder ihn einmal an der
Strippe hat, gibt er sich unfassbar viel Mühe. Aber bis dahin ist es ein weiter
Weg – daran sind so einige Gespräche mit ihm gescheitert. Er meinte dann
jedenfalls, ich soll ihn morgen Mittag nochmal anrufen. Schauen wir, was das
gibt. Mit ihm würde ich mich trauen, nochmal darüber zu sprechen. Er ist an der
Stelle ein sehr pragmatischer Mensch und reagiert selten über.
Heute Abend kam noch die Freundin vorbei, der ich ihre DVDs wieder
geben musste. Wir hatten sogar ein ganz gutes Gespräch muss ich sagen. Und wäre
dieser Vorfall nicht gewesen, der dann am Ende doch so viel verändert hat,
könnte es fast so sein wie früher.
Was steht morgen an… ? Ich werde jetzt doch relativ früh los fahren
müssen. Dann geht es erst in Richtung Labor, danach versuche ich Herrn
Psychiater zu kontaktieren; er sagte gegen Mittag – das müsste ich relativ überpünktlich
anpeilen, um danach um 13 Uhr bei Frau Therapeutin sein zu können. Und danach
steht ein Treffen mit einer Freundin an. Wir haben uns jetzt ewig nicht
gesehen, eine ganze zeitlang nicht mal telefoniert, aber irgendwie ist alles
wie beim Alten mit uns. Da freue ich mich wirklich drauf und hoffe, dass ich
dann nicht zu müde zum Quatschen sein werde.
Mondkind
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