Zwischenstand


So… - kleines Update.
Ich habe gestern Abend herausgefunden, dass die Reise erst Sonntag losgehen soll. Das hat mich in den glücklichen Umstand versetzt, dass ich 24 Stunden Zeit gewonnen habe – was im Endeffekt aber auch nicht viel bringt.

Mondkind hat den Autounfall im Kopf.
Das Krachen, wenn sich Blech ineinander schiebt. Das Auslösen der Airbags. Das Glas, das über das Dach fliegt.
Sie wusste es. Hat es kommen sehen.
Nachdem in der Examenszeit so viel liegen geblieben ist und auch noch die üblichen familiären Probleme dazu kommen, war das abzusehen. Der Preis für das Examen.

Die Angst davor war nicht ganz unbegründet. Es ist furchtbar.
Die Ambulanz trägt nicht mehr, weil Mondkind es einfach nicht vermitteln kann.
Vielleicht – so sagte ihr ein Freund – trete sie zu selbstbewusst auf. Das kann sie ja gut. Und das muss sie auch im Alltag können, sonst wäre sie gar nicht dort, wo sie heute ist.

Mondkind hat gestern Abend noch lange mit einem Freund gesprochen. Da sie ja nun noch ein wenig mehr Zeit hat, konnte Mondkind auch noch ein wenig abwarten wie sich alles entwickelt und ob die Nacht es vielleicht bringt und der Kopf am nächsten Tag etwas weniger rebelliert.
Heute Morgen hat sie versucht in Ruhe zu frühstücken, hat Tagebuch geschrieben, war kurz im Labor und ganz kurz im Einkaufsladen, weil sie noch etwas besorgen musste. Es hilft alles nicht. Sie kommt sich so entrückt vor, so rastlos, aufgedreht und gleichzeitig erschöpft. Sie verschließt die Augen vor den nächsten Tagen, weil sie nicht weiß, wie sie das alles durchstehen soll und wie sie hier die fröhliche Enkeltochter abgeben soll.

Und dennoch… - aufgeben ist irgendwie keine Option. Noch nicht. Wie das im PJ alles wird, muss man sehen. Aber noch ist sie hier. Noch hat sie ihr kleines Netz. Noch hat sie Hilfen.
Den unumkehrbaren Schritt kann sie immer noch gehen.

Mondkind hat nicht gedacht, dass sie so schnell an einen Punkt kommt, an dem die Notaufnahme eine Option wird. Sie und ein Freund haben gestern Abend lange darüber geredet und hatten quasi zeitgleich die Idee, ob das nicht eine Hilfe für Mondkind sein könnte.
Sie meinte, sie wartet mal den heutigen Morgen ab. Mondkind hat Sorgen, dass ihr Zustand das vielleicht gar nicht rechtfertigt. Es gibt da ja eine gewisse Diskrepanz zwischen dem, was Patienten und Ärzte für „notaufnahmewürdig“ betrachten und gerade als Medizinstudentin könnte man da in einer reichlich blöden Position sein.

Mondkind denkt, dass man vielleicht erstmal dort anrufen könnte, ehe man direkt hinfährt. Vielleicht könnten die einem auch sagen, wann es zeitlich einigermaßen günstig in ihren Plan passt – immerhin ist Wochenende auch immer ein ziemlich blödes Timing.
Die Leute in dem Sekreteriat verbinden Mondkind direkt mit dem Arzt. Damit hatte sie jetzt irgendwie nicht gerechnet. Wie soll man so etwas denn am Telefon klären?
Mondkind berichtet, dass da einfach so viel Druck und so viel Hoffnungslosigkeit in ihr ist, dass sie einfach keine Ahnung hat, wie sie damit umgehen soll – die Bewältigungsmechanismen die normalerweise helfen, versagen gerade alle. Sie erklärt, dass sie gerade gar nicht genau sagen kann, was sie erwartet, aber sie merkt, dass sie das so einfach nicht mehr aushält.
Der Arzt wirft einen kurzen Blick in ihre Akte und murmelt etwas von „familiären Konflikt“ vor sich hin. Da könne man jetzt auch nicht so viel machen. Mit Medikamenten sei sie ja versorgt und dann solle sie einfach versuchen das hinzubekommen und das am Montag mit dem Ambulanzarzt besprechen.
Blöd nur, dass der krank ist. Und außerdem, dass sie am Montag wahrscheinlich nicht mehr da ist. Und dass auch ihre Medikamente nicht mehr reichen erwähnt sie nicht, weil er schon beinahe vorwurfsvoll vor sich hinmurmelt, dass Mondkind ja am 20. April das letzte Mal in der Ambulanz gewesen sei. Da kann sie jetzt schlecht sagen, dass sie das verpennt habe.

Also im Endeffekt… - nicht hilfreich
(Mondkind erinnert sich gerade, dass ihre alte Ärztin ihr mal erklärt hatte, sie solle sich nicht abwimmeln lassen. Na das hat dann ja mal eher nicht funktioniert… - aber das ist auch schwierig, wenn es einem schon eher nicht so gut geht. Sie hat schon anderthalb Stunden gebraucht, bis sie da endlich angerufen hat, nachdem sie die Nummer gefühlt hundert Mal eingetippt hat)

Und jetzt…?
Ihre Oma und ihre Mutter bombardieren sie im Wechsel mit Anrufen, aber bisher ist Mondkind nicht ans Telefon gegangen.
Dass Mondkind gerade ganz andere Dinge im Kopf hat, würden sie auch nicht verstehen. Das muss Mondkind gar nicht erst versuchen zu erklären.

Wahrscheinlich wird Mondkind dann heute Nacht mal packen oder so.
Sie weiß einfach nicht, wie das alles gehen soll. Und wahrscheinlich ist es allen auch einfach egal.

Und weil man manchmal einfach nur ein bisschen etwas für Ohren und Augen braucht, wenn der Kopf ohnehin nichts versteht…
Wenn man sich das 10 mal hintereinander angeschaut hat, heitert es wirklich ein kleines bisschen auf...


Mondkind

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