Im Dazwischen


Der Weg von einem zum nächsten Anker ist diesmal gar nicht so weit. Der ist nämlich schon morgen.
Dennoch weit genug für Mondkind.

Was stellt sie an mit den Tagen? Mit diesen Tagen, in denen sie mitten drin hängt in dem Familiensystem und irgendwie doch nicht. In diesen Tagen, in denen alle subtil Druck machen, aber wenn Mondkind dann mal nachfragt was das denn soll, nur zu hören bekommt: „Mondkind, wir wollen doch nur Dein Bestes.“ Das ist das Totschlagargument, ehrlich. Da steht nämlich Mondkind noch blöd da, weil sie alles falsch interpretiert habe. „Das ist alles nur ein Missverständnis“ ist ohnehin der Lieblingssatz ihrer Angehörigen.

Wunderschönes Wetter. Hochsommer. Und Mondkind hat theoretisch frei. Sie könnte sich eine Decke schnappen, in einen nahe gelegenen Park fahren, ein Buch mitnehmen und dort unter einem Baum chillen.
Aber sie möchte im Moment immer noch nicht allein mit sich sein. Und sie käme auch nicht zur Ruhe. Allein die Nächte sind schlimm. Dann muss sie das, was das Morgengrauen vertreibt, nicht an einem Schattenplatz weiter führen.

Mondkind beschließt, ins Labor zu fahren. Dann wird es eben „chillen im Labor“… - also Mondkind – chillen. Nicht das, was andere unter „chillen“ verstehen würden.
Nach dem ersten Kaffee setzt Mondkind sich an ihr Mikroskop. Die Präparate geben leider nicht so viel her, wie sie sich erhofft hatte. Während sie zunächst noch einige Lymphgefäße sieht, verlieren die sich im Lauf der Zeit. Mondkind hegt langsam den Verdacht, dass da weder viele Lymphgefäße sind, noch funktioniert die Färbung richtig. Einige Muskeln hat sie schon drei Mal gefärbt und jedes Mal kam ein signifikanter Unterschied dabei heraus. Kein Wunder, dass sie keine Ergebnisse bekommt.

Eigentlich wollte (sollte?) sie heute noch mit ihrem Doktorvater reden, aber sie ist so beschäftigt mit sich, dass sie gerade keinen Überblick über das Gesamtprojekt ihrer Doktorarbeit hat. Lymphgefäße sehen und einzeichnen geht zwar, aber mehr auch nicht. Deshalb „vergisst“ sie das mal.
Zurück zu Hause braucht sie ewig um sich dann mal endlich der Wäsche zu widmen. Eigentlich ist sie ziemlich platt. Aber Ruhe geht eben nicht. Und sollte sie am Samstag wirklich zu ihrer Oma fahren müssen, muss die Wäsche noch gemacht werden.

Präparate und Zeichnungen im Labor...


Überhaupt… - sie ist gar nicht darauf vorbereitet, am Samstag weg zu fahren. Sie müsste zumindest mal noch die Wohnung putzen bevor sie fährt – aber das schafft sie kräftemäßig nicht mehr. Es reicht völlig zu, dass ein Freund sie überredet hat morgen Nachmittag noch mit ihr seine Ausstellung zu besichtigen. Den hatte Mondkind schon weit vor dem Examen vertröstet und jetzt geht sie halt nicht mehr lang.
Und dann reichen Mondkinds Medikamente auch nicht mehr (jemanden der ihr das Rezept unterschreibt, braucht sie morgen eigentlich auf jeden Fall…) – sie müsste also auch noch zur Apotheke und die haben das meist nicht da. Bei ihrer Oma geht es auch nicht, ohne dass sie wieder darüber ausgequetscht wird, was genau sie braucht und das muss nicht sein.

Es ist alles purer Stress für Mondkind, der vollkommen unnötig wäre, wenn man sie mal in Ruhe lassen würde.

Was soll denn da morgen in der Ambulanz eigentlich passieren? Das wird doch dasselbe Theater wie am Mittwoch.
Mondkind baut im Prinzip darauf, dass die sie morgen aus dem System ziehen, weil sie nicht weiß, wie sie die nächste Woche mit dem Druck überstehen soll, obwohl sie dafür ganz offensichtlich mehr in die Offensive gehen muss, als sie das am Mittwoch getan hat.Das Problem, dass dann ihre Schwester viel von den Launen ihrer Eltern abbekommen wird, ist damit allerdings immer noch nicht behoben.
Es muss ja gar nicht unbedingt auf Klinik hinaus laufen. Eigentlich käme Mondkind das eben auch nicht unbedingt gelegen, weil sie die Doktorarbeit noch voran bringen und auch der Umzug vorbereitet werden muss. Sie könnte auch mit einer engeren Anbindung leben und auch einer Vereinbarung, die es ihr gerade nicht erlaubt ihre Studienstadt zu verlassen (das könnte sie ihrer Familie auch erzählen, ohne dass es tatsächlich besprochen worden wäre, aber wahrscheinlich wäre das nicht so richtig überzeugend…).
Es ließe sich auch über Tagesklinik reden – dann könnte sie abends noch das an der Doktorarbeit tun, das unbedingt getan werden muss. Außerdem hätte sie jeden Tag Zugang zu ihren Mails, was hinsichtlich Organisation des PJs und Vermietung des Zimmers nicht ganz unwichtig ist. Und sie würde nicht direkt aus der Käseglocke in eine Welt völlig ohne Stützen fallen.
Allerdings sind Tagesklinik – Plätze wahrscheinlich noch viel schwerer zu bekommen. (Tagesklinik hätte allerdings den Vorteil, dass sie vielleicht zumindest an ihrem Vater vorbei schleusen könnte, wo sie gerade ist. Auch der drängt nämlich auf einen Besuch, kann aber erst abends. (Mondkind findet das ohnehin immer ein wenig merkwürdig. Je nachdem in welcher Situation Mondkind ist, ist er entweder "jede Woche" oder "nie" in ihrer Studienstadt zum Arbeiten).
Auch die Zeit wird immer mehr zum Faktor. Es sind noch exakt vier Wochen bis Mondkind los muss. Das ist immerhin noch 1/12 des Jahres, aber noch mehr Zeit darf eigentlich nicht mehr ungenutzt verstreichen.
Es ist halt wirklich sehr schade, dass ihr Arzt krank ist. Der war hinsichtlich all dieser Ideen eine treibende Kraft.

Unabhängig davon würde sie aber zumindest gern über die Dinge, die ihr so viel Druck machen, reden können.
Im Prinzip bräuchte sie so einen Freifahrtschein wie damals in der Klinik. Als ihr der Arzt gesagt hat, dass sie jetzt alles erzählen darf und soll und das keine Konsequenzen in dem Sinn hat, dass sie bei der Entscheidung wie es weiter geht, nicht mehr gefragt wird.

Sie könnte auch nochmal einen Zettel schreiben – allerdings befürchtet sie, dass ihre Therapeutin langsam die Nase voll von Zetteln hat.

Mondkind hat noch keine Idee, aber sie muss sich bis morgen früh etwas einfallen lassen. Im schlimmsten Fall ist das morgen die letzte Stunde mit ihrer Therapeutin, es ist nichts geregelt, weil sie Mondkinds Bemühen ihr etwas zu vermitteln nicht sieht und Mondkind hat keine Ahnung, wie sie auch nur ein Wochenende schaffen soll, mal ganz zu schweigen von einer Fahrt zu ihrer Oma.

Alles Liebe
Mondkind

P.S.
Das mit dem Bild hat dann mal gestern nicht mehr funktioniert… ich war wirklich zu fertig und das Handy hat auch gesponnen, nachdem ich versucht hatte, es an den Labor – PC zu hängen.

Wie es auf dem Blog weiter geht: Same procedure.
Entweder ich melde mich morgen oder es wird hier erstmal still oder es entsteht in den nächsten Tagen eine Art Reise – Tagebuch; so wie es das hier schon einmal gab.


Das Bild wollte ich Euch unbedingt noch zeigen. 🌺 Unser Innenhof. Und ich finde es schaut aus wie ein Herz, oder?

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