A year ago today...


Im Moment lese ich ziemlich oft in „heute vor einem Jahr“ …
Der Eintrag spiegelt eigentlich echt gut den Klinikalltag wieder – also wen es interessiert… Ich glaube, veröffentlicht habe ich ihn nie, weil ich ja damals so selten Internet hatte…

***

16. Mai 2017

Heute war alles irgendwie wirklich gedrängelt. Ich war heute morgen noch beim EKG und kam dann zu spät zur Depressionsgruppe. Es ging gerade darum, was wir uns morgens Gutes tun können und ich erwähnte, dass ich morgens bevor ich aufstehe, immer ein Liedchen höre. Andere sprachen von Zigarette und Kaffee oder von Duschen.
Dann ging es um Leitsätze. Um mit meinem „Du darfst nicht krank sein“ und „Du bist nur ein wertvoller Mensch, wenn Du produktiv bist“ keine Grundsatzdiskussionen vom Zaun zu brechen, hielt ich einfach mal bewusst die Klappe.

Danach war sofort Genussgruppe.
Wir sollten diesmal etwas zum Anschauen mitbringen und ich entschied mich für ein Bild aus dem Nationalpark in Holland und berichtete, dass das so der letzte Moment war, in dem ich Ruhe in mir selbst gefühlt habe, als wir abends dort waren.
Der Gruppenleiter hatte wieder irgendwelche Düfte mitgebracht, an denen wir riechen mussten und dann war wieder der ganze Raum eingeräuchert – ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie man davon keine Kopfschmerzen bekommen kann. Anschließend spielten wir Memory mit Ü – Eiern, in die Dinge gepackt wurden, die ein bestimmtes Geräusch erzeugten.
Aber ich glaube, irgendetwas bewegt das schon in mir, wenn die Sinne so ganz gezielt angetriggert werden. Irgendetwas ist da glaube ich. Ich fühle es nur nicht. Mein Körper nimmt da etwas wahr, das aber nicht bis ins Hirn durchdringt. Muss man nicht verstehen…

Und danach war nochmal Gesprächsrunde.
Es ging darum, wie man Kritik annimmt und Kritik verteilt und danach stellte noch eine Gruppe ihre Arbeit vor, in der sie zusammen getragen hatten, wie man Menschen kennen lernt.

Und dann war schon Mittag.

***
Heute in der Musiktherapie. Als es laut wurde, als neben mir mit Energie auf die Trommeln geschlagen wurde, habe ich gespürt, wie sich mein Herz bewegt. Ein bisschen wie damals – ein bisschen wie im Ronan – Keating – Konzert, als sich mein Herzschlag den Bässen angepasst hat.

Wir sollten hinterher wieder etwas dazu sagen und ich habe erklärt, dass ich das Gefühl habe, dass das emotional alles bei mir überhaupt nicht ankommt. Dass da irgendwie eine emotionale Wand zwischen mir und der Welt ist. Dass ich mich beim Spielen nicht an Emotionen, sondern ausschließlich an den Anderen orientiere.
Dass nur dann etwas ankommt und mein Herz bewegt, wenn es so laut wird und da so viel Energie drin steckt, dass mein Körper es nicht mehr schafft, davon nicht bewegt zu werden. Aber so wirklich ein Gefühl kommt da auch nicht bei rum.

***
Zum Abschluss des Tages bin ich noch bei beim Stationsarzt und der PJlerin  hinein gehüpft.
Ich kam mir etwas dämlich vor, den Tagebucheintrag vom Montag vorzulesen, aber habe es doch gemacht. Ich kann eben besser schreiben, als reden. Hinterher meinten sie, dass sie es traurig finden, dass sie es aber auch nachvollziehen können. Und – dass sie mir nicht helfen können. Ich soll den Text nochmal dem Psychologen zeigen und vielleicht hat er noch eine Idee.
Es ist einfach scheiße, wenn da zwei Leute sitzen und sagen, dass sie am Ende doch nicht helfen können und dass ihnen nichts anderes einfällt, als dass ich es immer weiter versuchen soll Dinge zu machen, die Spaß machen. Alternativen zur Uni zu finden. 


Foto von einem Spaziergang aus der Klinik - Zeit.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Drittes Staatsexamen - ein Erfahrungsbericht

Reise - Tagebuch #2

Von einem Gespräch mit dem Kardiochirurgen