waving our hands....


Bevor ich losziehe, nochmal ein kleiner Chaos – Blogpost…

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Mondkind sitzt auf gepackten Taschen und wartet auf ihren Papa und ihre Schwester. 


Eine der beiden Ecken mit Koffern, Kisten, Taschen und Tüten...

Es ist eine Berg- und Talfahrt von Gefühlen. Manchmal kommt ein bisschen Neugier durch. Wie wird es aussehen in ihrer neuen Wohnung? Wird sie noch irgendwer erkennen? Wie funktioniert eigentlich ein kleines Krankenhaus auf dem Land? Was ist der Chefarzt für ein Mensch, von dem ihr Oberarzt aus der Neuro behauptet habe, dass er „sehr, sehr menschlich“ sei? Und überhaupt… - wie ist das Leben als PJlerin? Was wird sie alles dürfen? Und was wird sie am Ende der acht Monate alles können? Wird es sich zumindest fachlich gelohnt haben? Wird sie Freunde gefunden haben? Wird es ihr vielleicht genauso schwer fallen, den Ort dort wieder los zu lassen, weil es auch dort Menschen geben wird, die sie vermissen wird? Acht Monate sind nur zwei Monate kürzer, als sie hier gelebt hat. Und hier ist sie angekommen in der Zeit.
Und auf der anderen Seite ist die Angst. Was ist, wenn sie nicht zurecht kommt? Sie ist monatelang hunderte Kilometer weg… Zwar gibt es zwei gute Freunde die ihr versichert haben, dass sie ihr erhalten bleiben und mit einer Freundin hat sie sogar letztens überlegt, ob Mondkind sich nicht mal ein langes Wochenende mit zwei Urlaubstagen nimmt und sie nach Hamburg fahren. Es gibt wenige Menschen, mit denen Mondkind freiwillig in den Urlaub fahren würde (obwohl sie das ja eigentlich generell nicht so gern macht), aber sie gehört dazu und Mondkind könnte sich sogar vorstellen, dass das richtig toll werden kann.
Aber was ist, wenn die Tage zu schwer werden? Wenn sie sich nicht mehr verstecken kann in der hintersten Ecke des Vorlesungssaals, weil laufen, sprechen, Entscheidungen zu treffen und mit Menschen zu arbeiten zu anstrengend und generell eine Überforderung ist. Tage, an denen Mondkind nicht sie selbst ist.
Sie hat sich vorgenommen, so viel anders zu machen. Offen zu sein. Neugierig. Viel lernen zu wollen. Möglichst interessiert und angenehm auf die Mitmenschen zu wirken. Und immer die Krankheitsbilder mitzulesen, um so wenig wie möglich negativ aufzufallen.

Es war schon in den letzten beiden Tagen immer wieder schwierig. Der Gedanke, dass die Welt wieder kahl und grau ist, wenn sie zurück kommt, macht sie fertig. Dass der Fluss nicht mehr einladend ist, dass es keine angenehmen Fahrten mit dem Rad zur Uni mehr gibt.
Das letzte Mal im Grünen einkaufen. Das letzte Mal im Grünen zur Uni. In dünner Jacke. Das letzte Mal am Fluss entlang, der auch von grünen Bäumen gesäumt ist, von Menschen, die dort auf der Wiese liegen, von den Wildenten, die laute Geräusche von sich geben.
Ihre Umgebung wird ihr fehlen. Als Teil des Außens, das sie hält.

Sie hofft, sie wird gut ankommen. Sich an die guten Zeiten dort erinnern, die sie hatte. Sich erinnern, dass sie einen Grund hatte, dort ihr PJ zu machen. Der vielleicht darüber hinaus geht, den Anforderungen und Wünschen des Oberarztes gerecht zu werden. Sie hatte dort eine gute Famulatur. Mit den üblichen Einbrüchen, der üblichen Schwere – aber gemessen daran, dass das sie das nun mal im Moment hinnehmen muss, war es gut.

Sie hofft, dass sie in acht Monaten wieder gut in ihrer Studienstadt ankommt. Aber auch dann werden Veränderungen anstehen. Mit höchster Wahrscheinlichkeit wird sie dann ihre Therapeutin verlieren. Absolutes Horror – Szenario. Als es zwischenzeitlich so aussah, als würde es jetzt schon passieren… - wie sehr Mondkind da am Ende war. Und dass es jetzt doch noch weiter geht mit den beiden liegt ja nur daran, dass sie jetzt eben geht und es mit der seltenen Terminfrequenz und einem neuen Therapeuten keinen Sinn macht. Natürlich könnte man dann argumentieren, dass das für die nächsten vier Monate, bis Mondkind eventuell das nächste Mal umzieht, wieder keinen Sinn macht und sie auch wenn sie hier PJ macht, nicht regelmäßig wird kommen können. Aber man findet immer Gründe und irgendwann muss man wohl einen Strich darunter ziehen. Und außerdem soll sie ja mehr im Jetzt leben. Wer weiß, was im nächsten Januar ist. Sich darüber schon jetzt den Kopf zu zerbrechen ist mit Sicherheit zu früh. Aber da es eben so, so schwer wird...
Mondkind ist aber aufgefallen, dass die beiden wieder mehr zueinander gefunden haben – so hat Mondkind jedenfalls das Gefühl. Vielleicht war ihre Therapeutin einfach irritiert von ihren Aussagen, weil sie einfach nicht zueinander passten.
Eventuell konnte sie Mondkind einfach nicht mehr einschätzen und hat gemerkt, dass sie in der Ambulanz nicht so richtig die Wahrheit erzählt hat und wusste ja auch nicht, woher dieses Misstrauen kommt – was ihre Familie da für einen Druck gemacht hat, konnte ja keiner ahnen. Und im Endeffekt war es ja kein Misstrauen, sie wusste nur einfach nicht was sie machen sollte, wegen der Familie. Sie hat es versucht in irgendwelchen Andeutungen, aber das hat nicht funktioniert. Natürlich hätte sie das dort von Anfang an genauso erzählen sollen, aber dass die Therapeutin irgendwann im Februar mal gesagt hat, dass Mondkind mit Plänen bezüglich Suizid direkt in die Klinik gehöre, hat sie so verunsichert und sie hatte eben Angst, dass die Therapeutin die Situation dann – möglicherweise wirklich aus der besten Intention heraus – einfach übergeht. Und da das Verantwortungsgefühl gegenüber ihrem Oberarzt so groß ist und immer mehr Leute eingeweiht waren, konnte sie kein Risiko eingehen. Mittlerweile weiß sogar der Klinikvorstand, dass sie kommt...
Aber es ist gut, dass sie sich dort wieder verstanden und gut aufgehoben fühlt und die Ambulanz wieder als Stütze sehen kann.

***
„Ich hasse Abschiede so“, sagt Mondkinds Freundin, während sie die Teller spült, die Mondkind anschließend abtrocknet. Bei der war sie am Nachmittag noch gewesen und obwohl die beiden sich extra schon um 15 Uhr getroffen haben, ist Mondkind fast bis Mitternacht dort. Das ist ihr auch noch nie passiert – jemanden zu finden, mit dem sie sich so verquatschen kann.
„Ich auch“, sagt Mondkind.
„Die Leute sagen zwar immer sie melden sich und man sieht sich, aber wie oft funktioniert das einfach nicht…?“
„Wahrscheinlich sage ich jetzt das was eben alle sagen, aber ich melde mich. Und wenn ich – und ich hoffe es so, so sehr dass ich die Chance habe, ab und an hier hoch zu fahren - dann stehst Du ganz oben auf der Liste der Leute, die ich gern besuchen würde…“

Es ist eine besondere Freundschaft, wie Mondkind sie noch nie zuvor erlebt hat. Zwischen zwei Menschen, die so verschieden und am Ende doch so gleich sind. Die beide irgendwie erfolgreich sind. Mondkind, die gerade das Examen bestanden hat und ihre Freundin, die gerade ein Einser – Abi hinlegt. Zwei Menschen, die alles von außen betrachtet im Griff haben. Und doch jeden Tag kämpfen. Zwei Menschen, deren Seelen irgendworan zerbrochen sind. Die jeden Tag auf dem Bergkamm laufen. Aufpassen müssen, nicht nach links oder rechts abzurutschen. Die dann schon scheinbar Kleinigkeiten aus dem Gleichgewicht bringen, dabei sind das nur die Tropfen, die zu viel sind – wie viel sie davor schon kämpfen, soll keiner sehen. Zwei Menschen, von denen das Umfeld gern sagt, dass sie sich nicht genügend anstrengen würden. Dabei würden sie beide nicht dort stehen, wo sie heute sind, wenn sie nicht immer weiter kämpfen würden. Zwei Menschen, die täglich auch viel Negativität und viel Schwere empfinden. Die beide deswegen ein gewisses Schuldgefühl haben, aber die Gedanken trotzdem nicht stoppen können. Die denken, dass es doch nicht sein kann. Dass das doch nicht schon so lange ewiger Begleiter sein kann. Aber es dennoch so ist. Die schon ab und an Angst haben ihre Therapeuten mit ihrer Negativität zu überlasten.
Zwei Menschen, die füreinander einstehen. Die mitten in der Nacht und auch in der Klausurenphase aufstehen und zum jeweils anderen fahren, wenn es brennt. Die sich auf eine gewisse Art ganz nah gekommen sind.
Und so sehr Mondkind auch manchmal das Gefühl haben mag, dass die Klinik auf emotionaler Ebene nicht viel bewirkt hat, so hatte es doch auch positive Seiten. Ohne diesen Aufenthalt hätten die beiden sich nie kennen gelernt. Und für so eine Freundschaft lohnt sich immer noch ein halbes Jahr Verlust im Studium. Denn das erleben zu dürfen ist wirklich ein Geschenk, das mit keiner guten Note zu vergleichen ist.

Ein bisschen chaotisch war es bei den beiden – wie immer.
Nachdem sie irgendwann beschlossen hatten eine Reispfanne zu kochen, dachten sie, dass man ja mal noch einen Kuchen backen könne. Also wurde das auch noch gemacht. Etwas improvisiert, die Küche sah hinterher auch eher aus wie ein Schlachtfeld, aber immerhin.
„Mondkind jetzt sag nicht, dass das die erste Torte ist, die Du gebacken hast…“
„Ich glaube schon… - doch…“
„Dann nimm das Messer und schneide Du sie an…“

Die Torte hat sich in allen Hinsichten gelohnt... 😋


Und immer wenn Mondkind da ist, dann ist es etwas weniger schwer in ihr. Und auch ihre Freundin meinte, dass es ihr heute morgen nicht so gut ging, aber es durch Mondkind wenigstens etwas besser geworden ist. Auch wenn sie heute nicht ganz so verrückt ist, wie sonst.
Die Treffen mit ihr sind einige der seltenen Momente, in denen Mondkind das Gefühl hat, dass das Lächeln, dass die beiden auf einem Foto einfangen, ein bisschen echt ist.

***
So ihr Lieben… Hier sieht es noch ziemlich chaotisch aus und wenn in zwei Stunden nicht alles gepackt ist, habe ich nicht mehr viel zu lachen.
Ich weiß nicht, wann ich das nächste Mal Internet habe. Wie es in der Ferne aussieht – das ist immer noch absolut nicht geklärt. Ich hoffe, dass sich ein Weg findet und ich weiter bloggen kann. Ich kann aber noch nicht sagen, wann ich mich das nächste Mal werde melden können.

Mondkind

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