waving our hands....
Bevor ich losziehe, nochmal ein kleiner Chaos – Blogpost…
***
Mondkind sitzt auf gepackten Taschen und wartet auf ihren Papa und
ihre Schwester.
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Eine der beiden Ecken mit Koffern, Kisten, Taschen und Tüten... |
Es ist eine Berg- und Talfahrt von Gefühlen. Manchmal kommt ein
bisschen Neugier durch. Wie wird es aussehen in ihrer neuen Wohnung? Wird sie
noch irgendwer erkennen? Wie funktioniert eigentlich ein kleines Krankenhaus
auf dem Land? Was ist der Chefarzt für ein Mensch, von dem ihr Oberarzt aus der
Neuro behauptet habe, dass er „sehr, sehr menschlich“ sei? Und überhaupt… - wie
ist das Leben als PJlerin? Was wird sie alles dürfen? Und was wird sie am Ende
der acht Monate alles können? Wird es sich zumindest fachlich gelohnt haben?
Wird sie Freunde gefunden haben? Wird es ihr vielleicht genauso schwer fallen,
den Ort dort wieder los zu lassen, weil es auch dort Menschen geben wird, die
sie vermissen wird? Acht Monate sind nur zwei Monate kürzer, als sie hier
gelebt hat. Und hier ist sie angekommen in der Zeit.
Und auf der anderen Seite ist die Angst. Was ist, wenn sie nicht
zurecht kommt? Sie ist monatelang hunderte Kilometer weg… Zwar gibt es zwei
gute Freunde die ihr versichert haben, dass sie ihr erhalten bleiben und mit einer
Freundin hat sie sogar letztens überlegt, ob Mondkind sich nicht mal ein langes
Wochenende mit zwei Urlaubstagen nimmt und sie nach Hamburg fahren. Es gibt
wenige Menschen, mit denen Mondkind freiwillig in den Urlaub fahren würde (obwohl sie das ja eigentlich generell nicht so gern macht), aber sie gehört
dazu und Mondkind könnte sich sogar vorstellen, dass das richtig toll werden
kann.
Aber was ist, wenn die Tage zu schwer werden? Wenn sie sich nicht mehr
verstecken kann in der hintersten Ecke des Vorlesungssaals, weil laufen,
sprechen, Entscheidungen zu treffen und mit Menschen zu arbeiten zu anstrengend
und generell eine Überforderung ist. Tage, an denen Mondkind nicht sie selbst
ist.
Sie hat sich vorgenommen, so viel anders zu machen. Offen zu sein.
Neugierig. Viel lernen zu wollen. Möglichst interessiert und angenehm auf die
Mitmenschen zu wirken. Und immer die Krankheitsbilder mitzulesen, um so wenig
wie möglich negativ aufzufallen.
Es war schon in den letzten beiden Tagen immer wieder schwierig. Der
Gedanke, dass die Welt wieder kahl und grau ist, wenn sie zurück kommt, macht
sie fertig. Dass der Fluss nicht mehr einladend ist, dass es keine angenehmen
Fahrten mit dem Rad zur Uni mehr gibt.
Das letzte Mal im Grünen einkaufen. Das letzte Mal im Grünen zur Uni.
In dünner Jacke. Das letzte Mal am Fluss entlang, der auch von grünen Bäumen
gesäumt ist, von Menschen, die dort auf der Wiese liegen, von den Wildenten,
die laute Geräusche von sich geben.
Ihre Umgebung wird ihr fehlen. Als Teil des Außens, das sie hält.
Sie hofft, sie wird gut ankommen. Sich an die guten Zeiten dort
erinnern, die sie hatte. Sich erinnern, dass sie einen Grund hatte, dort ihr PJ
zu machen. Der vielleicht darüber hinaus geht, den Anforderungen und Wünschen
des Oberarztes gerecht zu werden. Sie hatte dort eine gute Famulatur. Mit den
üblichen Einbrüchen, der üblichen Schwere – aber gemessen daran, dass das sie
das nun mal im Moment hinnehmen muss, war es gut.
Sie hofft, dass sie in acht Monaten wieder gut in ihrer Studienstadt
ankommt. Aber auch dann werden Veränderungen anstehen. Mit höchster
Wahrscheinlichkeit wird sie dann ihre Therapeutin verlieren. Absolutes Horror –
Szenario. Als es zwischenzeitlich so aussah, als würde es jetzt schon passieren…
- wie sehr Mondkind da am Ende war. Und dass es jetzt doch noch weiter geht mit
den beiden liegt ja nur daran, dass sie jetzt eben geht und es mit der seltenen
Terminfrequenz und einem neuen Therapeuten keinen Sinn macht. Natürlich könnte
man dann argumentieren, dass das für die nächsten vier Monate, bis Mondkind
eventuell das nächste Mal umzieht, wieder keinen Sinn macht und sie auch wenn
sie hier PJ macht, nicht regelmäßig wird kommen können. Aber man findet immer
Gründe und irgendwann muss man wohl einen Strich darunter ziehen. Und außerdem
soll sie ja mehr im Jetzt leben. Wer weiß, was im nächsten Januar ist. Sich darüber schon jetzt den Kopf zu zerbrechen ist mit Sicherheit zu früh. Aber da es eben so, so schwer wird...
Mondkind ist aber aufgefallen, dass die beiden wieder mehr zueinander
gefunden haben – so hat Mondkind jedenfalls das Gefühl. Vielleicht war ihre Therapeutin
einfach irritiert von ihren Aussagen, weil sie einfach nicht zueinander
passten.
Eventuell konnte sie Mondkind einfach nicht mehr einschätzen und hat
gemerkt, dass sie in der Ambulanz nicht so richtig die Wahrheit erzählt hat und
wusste ja auch nicht, woher dieses Misstrauen kommt – was ihre Familie da für
einen Druck gemacht hat, konnte ja keiner ahnen. Und im Endeffekt war es ja
kein Misstrauen, sie wusste nur einfach nicht was sie machen sollte, wegen der
Familie. Sie hat es versucht in irgendwelchen Andeutungen, aber das hat nicht funktioniert.
Natürlich hätte sie das dort von Anfang an genauso erzählen sollen, aber dass
die Therapeutin irgendwann im Februar mal gesagt hat, dass Mondkind mit Plänen
bezüglich Suizid direkt in die Klinik gehöre, hat sie so verunsichert und sie
hatte eben Angst, dass die Therapeutin die Situation dann – möglicherweise wirklich
aus der besten Intention heraus – einfach übergeht. Und da das Verantwortungsgefühl gegenüber ihrem Oberarzt so groß ist und immer mehr Leute eingeweiht waren, konnte sie kein Risiko eingehen. Mittlerweile weiß sogar der Klinikvorstand, dass sie kommt...
Aber es ist gut, dass sie sich dort wieder verstanden und gut
aufgehoben fühlt und die Ambulanz wieder als Stütze sehen kann.
***
„Ich hasse Abschiede so“, sagt Mondkinds Freundin, während sie die Teller spült, die Mondkind anschließend abtrocknet. Bei der war sie am Nachmittag noch gewesen und obwohl die beiden sich extra schon um 15 Uhr getroffen haben, ist Mondkind fast bis Mitternacht dort. Das ist ihr auch noch nie passiert – jemanden zu finden, mit dem sie sich so verquatschen kann.
„Ich hasse Abschiede so“, sagt Mondkinds Freundin, während sie die Teller spült, die Mondkind anschließend abtrocknet. Bei der war sie am Nachmittag noch gewesen und obwohl die beiden sich extra schon um 15 Uhr getroffen haben, ist Mondkind fast bis Mitternacht dort. Das ist ihr auch noch nie passiert – jemanden zu finden, mit dem sie sich so verquatschen kann.
„Ich auch“, sagt Mondkind.
„Die Leute sagen zwar immer sie melden sich und man sieht sich, aber
wie oft funktioniert das einfach nicht…?“
„Wahrscheinlich sage ich jetzt das was eben alle sagen, aber ich melde
mich. Und wenn ich – und ich hoffe es so, so sehr dass ich die Chance habe, ab
und an hier hoch zu fahren - dann stehst Du ganz oben auf der Liste der Leute,
die ich gern besuchen würde…“
Es ist eine besondere Freundschaft, wie Mondkind sie noch nie zuvor
erlebt hat. Zwischen zwei Menschen, die so verschieden und am Ende doch so
gleich sind. Die beide irgendwie erfolgreich sind. Mondkind, die gerade das
Examen bestanden hat und ihre Freundin, die gerade ein Einser – Abi hinlegt.
Zwei Menschen, die alles von außen betrachtet im Griff haben. Und doch jeden
Tag kämpfen. Zwei Menschen, deren Seelen irgendworan zerbrochen sind. Die jeden
Tag auf dem Bergkamm laufen. Aufpassen müssen, nicht nach links oder rechts
abzurutschen. Die dann schon scheinbar Kleinigkeiten aus dem Gleichgewicht
bringen, dabei sind das nur die Tropfen, die zu viel sind – wie viel sie davor
schon kämpfen, soll keiner sehen. Zwei Menschen, von denen das Umfeld gern sagt,
dass sie sich nicht genügend anstrengen würden. Dabei würden sie beide nicht
dort stehen, wo sie heute sind, wenn sie nicht immer weiter kämpfen würden. Zwei
Menschen, die täglich auch viel Negativität und viel Schwere empfinden. Die
beide deswegen ein gewisses Schuldgefühl haben, aber die Gedanken trotzdem
nicht stoppen können. Die denken, dass es doch nicht sein kann. Dass das doch
nicht schon so lange ewiger Begleiter sein kann. Aber es dennoch so ist. Die schon
ab und an Angst haben ihre Therapeuten mit ihrer Negativität zu überlasten.
Zwei Menschen, die füreinander einstehen. Die mitten in der Nacht und
auch in der Klausurenphase aufstehen und zum jeweils anderen fahren, wenn es
brennt. Die sich auf eine gewisse Art ganz nah gekommen sind.
Und so sehr Mondkind auch manchmal das Gefühl haben mag, dass die
Klinik auf emotionaler Ebene nicht viel bewirkt hat, so hatte es doch auch
positive Seiten. Ohne diesen Aufenthalt hätten die beiden sich nie kennen
gelernt. Und für so eine Freundschaft lohnt sich immer noch ein halbes Jahr
Verlust im Studium. Denn das erleben zu dürfen ist wirklich ein Geschenk, das
mit keiner guten Note zu vergleichen ist.
Ein bisschen chaotisch war es bei den beiden – wie immer.
Nachdem sie irgendwann beschlossen hatten eine Reispfanne zu kochen,
dachten sie, dass man ja mal noch einen Kuchen backen könne. Also wurde das
auch noch gemacht. Etwas improvisiert, die Küche sah hinterher auch eher aus
wie ein Schlachtfeld, aber immerhin.
„Mondkind jetzt sag nicht, dass das die erste Torte ist, die Du
gebacken hast…“
„Ich glaube schon… - doch…“
„Dann nimm das Messer und schneide Du sie an…“
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Die Torte hat sich in allen Hinsichten gelohnt... 😋 |
Und immer wenn Mondkind da ist, dann ist es etwas weniger schwer in
ihr. Und auch ihre Freundin meinte, dass es ihr heute morgen nicht so gut ging,
aber es durch Mondkind wenigstens etwas besser geworden ist. Auch wenn sie
heute nicht ganz so verrückt ist, wie sonst.
Die Treffen mit ihr sind einige der seltenen Momente, in denen
Mondkind das Gefühl hat, dass das Lächeln, dass die beiden auf einem Foto
einfangen, ein bisschen echt ist.
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So ihr Lieben… Hier sieht es noch ziemlich chaotisch aus und wenn in zwei Stunden nicht alles gepackt ist, habe ich nicht mehr viel zu lachen.
So ihr Lieben… Hier sieht es noch ziemlich chaotisch aus und wenn in zwei Stunden nicht alles gepackt ist, habe ich nicht mehr viel zu lachen.
Ich weiß nicht, wann ich das nächste Mal Internet habe. Wie es in
der Ferne aussieht – das ist immer noch absolut nicht geklärt. Ich hoffe, dass
sich ein Weg findet und ich weiter bloggen kann. Ich kann aber noch nicht
sagen, wann ich mich das nächste Mal werde melden können.
Mondkind
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