Kisten packen, Therapie und Zeugnis

Heute mal zwei Blogeinträge an einem Tag… ich muss vorarbeiten… - nein, das ist natürlich nur ein Scherz. Ich zwinge mich nicht zum Schreiben, aber mit einem Eintrag wäre es einfach zu lang und durcheinander geworden.
Allerdings wird am Wochenende wirklich nichts kommen, weil ich in Paris bin und der Laptop hier bleibt. Ich bin mal gespannt. Ich erhoffe mir ehrlich gesagt keine große Entspannung – mit unserer motorisch recht eingeschränkten Mutter, die sich aber immer wieder überschätzt und dann dennoch recht trotzig darauf beharrt, dass die Dinge so durchgeführt werden wie sie das gern hätte, wird das schon rein praktisch eine schwierige Angelegenheit.
Vom emotionalen Aspekt wollen wir mal gar nicht erst reden. Ganz im Ernst – ich fand die Nummer, wie sie ihren Willen durchgesetzt hat mich von der Klinik abzuhalten, die mit Abstand schlimmste Aktion, die sie je gebracht hat. Zum einen war das emotionale Erpressung nach allen Regeln der Kunst, zum anderen bin ich jetzt diejenige, die das ausbaden darf und absolut instabil ins PJ geht. Ich weiß wirklich nicht, wie ich jetzt mit ihr umgehen soll. Sie tut natürlich so, als sei nie etwas gewesen (und ich fürchte, sie ist sich wirklich keinerlei Schuld bewusst), aber irgendwie kann ich darüber langsam einfach nicht mehr hinweg sehen. Man kann nicht alles immer entschuldigen vor dem Hintergrund „das Beste“ für die Kinder zu wollen. Es gibt Entscheidungen, die stehen auch einer Mutter nicht zu – insbesondere, wenn sie genau weiß, dass sie und ich eine komplett verschiedene Einstellung gegenüber professioneller Hilfe haben.

Ich bin wieder dabei zu packen. Und irgendwie ist es komisch schon wieder Kisten zu packen. Es gibt Dinge, die habe ich seit dem letzten Umzug bis heute nicht mal sortiert. Weil irgendwie keine Zeit war. Weil erst Studium war, dann Klausuren und dann Examen. Und jetzt wandern die Dinge ungesehen wieder in Kisten und werden einmal quer durch Deutschland transportiert.
Packen ist auch immer ein wenig anstrengend. Emotional anstrengend. Es fallen mir so viele Dinge in die Hand, die längst verloren geglaubt waren oder an die ich nicht mehr gedacht hatte. Mein erster Mietvertrag. Alte Vorlesungsunterlagen und manchmal weiß ich noch genau mit wem ich wo in der Vorlesung gesessen habe. Lösungsschlüssel von Klausuren.
Den Zettel habe ich heute gefunden, den der Oberarzt in der Ambulanz bei meinem dritten oder vierten Termin aus dem Drucker gezogen hat. Darauf stand die Nummer der psychotherapeutischen Institutsambulanz. Dort sollte ich anrufen und einen Termin vereinbaren und dorthin wollte man mich langfristig verschiffen. Es war ein Zettel, der mir die Luft zum Atmen genommen hat, was ihm nicht unbemerkt blieb und weshalb er den Zettel, der da zwischen uns lag nochmal ein wenig zurück gezogen hat. „Macht Ihnen der Zettel da gerade so viel Angst?“, hatte er gefragt und wohl die Welt nicht mehr verstanden. Ja, das machte er in dem Moment. Weil er das Ende der Ambulanz bedeuten würde. Weil er bedeutete, dass Mondkind einen Ort wieder verlassen musste, der innerhalb kürzester Zeit ihre Lebensversicherung geworden war. Nach so vielen Jahren des Herumtingelns zwischen Beratungsstellen war die Reise also immer noch nicht vorbei. Mondkind sollte weiter.
Monate später stellte sich heraus, dass die jungen Therapeuten an der PIA mit Mondkind ein wenig überfordert waren und deshalb beschloss ihre Therapeutin damals, dass sie einfach bleibt.
Und heute beschließt Mondkind den Zettel wegzuschmeißen. 

Zwei der bisher vier Kisten und eine Menge Beutel...

Ich habe Angst, es nicht zu schaffen im PJ. Ob es am Ende klappt, wird wohl auch viel von äußeren Umständen abhängen. Wie wird man mich aufnehmen? Was wird man mir zutrauen? Werde ich mich oft überfordert fühlen? Werde ich mir nützlich vorkommen?
Wenn viele von diesen Fragen eine positive Wendung nehmen, dann kann das PJ mich vielleicht halten. Wenn nicht, wird es schnell schwierig werden.

Ich glaube wenn man immer alles irgendwie hinbekommt, dann legt das die Latte einfach unglaublich hoch. Die anderen sehen ja nur, was ich schaffe. Aber nicht, wie anstrengend das teilweise ist und dann ist natürlich deren Einstellung: Okay, dann schafft sie dieses und jenes auch noch dazu. In gewisser Hinsicht kann ich es sogar nachvollziehen, dass es dann auf Unverständnis stößt, wenn die Grenzen dann scheinbar recht plötzlich erreicht sind und es dann nur um eine Kleinigkeit geht, die das Fass zum Überlaufen bringt.

Bei mir ist es ja immer so, dass ich mir denke, dass die Dinge schon noch irgendwie rein passen. Ein paar Kurse zusätzlich an der Uni, obwohl ich ohnehin schon an meiner Grenze bin. Das PJ, das Umstellung genug wird vom bisherigen Studienleben – aber das ist ja kein Problem, das mal an der anderen Seite von Deutschland zu machen, ungeachtet der ärztlichen Versorgung.
Die Leute wissen natürlich nicht, dass ich permanent meine Grenzen überschreite und pushen mich ja quasi auch noch in die Herausforderungen. Das kann ich ihnen im Prinzip auch nicht übel nehmen – mir kann ja keiner in den Kopf schauen. Aber manchmal wünsche ich mir, dass das doch jemand durchschaut und sagt: „Nee Mondkind, das ist jetzt echt mal eine Grenze hier.“

Ich habe meine Therapeutin heute noch um einen Termin nächste Woche gebeten. Ich habe wirklich lange darüber nachgedacht heute Nacht, aber ich habe im Gefühl, dass es nächste Woche ohnehin darauf hinaus laufen wird – also dachte ich, kann ich das heute schon machen, dann muss sie ihren Plan vielleicht nicht ganz so sehr über den Haufen schmeißen. Ich weiß halt, dass ich bald auch lange alleine zurechtkommen muss und dass so etwas dann einfach nicht mehr geht, aber im Moment treiben mich so  viele grundsätzliche Dinge um, dass es glaube ich einfach noch mal gut ist darüber zu reden und ein bisschen Ruhe rein zu bringen.
Jedenfalls hatte ich wirklich Angst, dass sie mir die Mail um die Ohren haut. Ich weiß, wie viel sie im Moment für mich tut und ich weiß das auch sehr zu schätzen und möchte das in dem Sinn auch nicht „ausnutzen“. Aber es obliegt ihr ja auch „nein“ zu sagen (ich glaube, das kann sie besser als ich… ;)  ) und ich habe auch dazu geschrieben, dass sie jetzt nicht alles umorganisieren soll und ich es sicherlich auch so irgendwie hinbekomme.
Sie hat mir jetzt nächsten Donnerstag angeboten und das vor Paris geklärt zu haben, erleichtert mich so ungemein. Dann bin ich nämlich in Paris das Überlegen los, ob ich ihr schreiben soll oder nicht, ob das angebracht ist. Und auch die Angst davor, dass sie keine Zeit hat.
Ich glaube, sie weiß gar nicht, wie dankbar ich für all das bin. Ich bin halt immer super schlecht darin auszudrücken, wie viel mir etwas wirklich bedeutet. Aber zu wissen, dass ich nicht gänzlich alleine bin – auch wenn dann eine große Distanz zu meiner Studienstadt besteht – wird mich denke ich das ein oder andere Mal echt retten. Und dass ein Mensch wie sie das für mich tut, berührt mich einfach so. Denn im Prinzip bin ich ja nur ihr Job. Sie hat auch nie gesagt, dass ich ihr wichtig bin oder so – ich glaube, das würde sie auch nie machen; dafür ist sie viel zu distanziert. Aber wenn man zwischen den Zeilen liest, kann man vielleicht doch davon ausgehen.

Ansonsten hatte ich heute Nachmittag noch einen Geistesblitz, der mir eine Menge ungeplante Arbeit beschert. Das wäre ja nun der Knaller, wenn ausgerechnet heute noch das Zeugnis vom LPA käme. Ein Blick in den Briefkasten verriet: (Leider) ja. Positiv ist anzumerken, dass ich jetzt endgültig offiziell das Examen bestanden habe.
Also bin ich schnell in die Uni gedüst, habe alles kopiert, dann musste ich die Dokumente noch beglaubigen lassen (Schreckschraube am Info - point der Uni...) und gleich muss ich noch zur Post fahren, um Briefumschläge und Briefmarken zu besorgen. Und dann darf ich morgen früh bevor es nach Paris geht nochmal an der Uni vorbei fahren und die Sachen dort in den Briefkasten schmeißen. Sei ja nicht schlimm sagt meine Schwester – immerhin würde der Bus erst 10 Uhr los fahren; da könne man ruhig etwas eher aufstehen. Danke auch…
Die Kopien müssen alle bis zum PJ - Start an meiner Gastuni sein... - also in rund einer Woche...da sollte ich Gas geben.

Und packen für Paris… - das wäre ja auch mal ne Idee… 


Mondkind

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