Tag 77 / 116 Klinische Chemie und ein Vormittags - Ausflug



Ihr wisst gar nicht, wie froh ich war, heute ein Mal quer durch die Stadt fahren zu müssen, um die Zettel beim LPA abzugeben. Ernsthaft – wenn man seit Wochen nur am Schreibtisch sitzt, grenzt das an Reizüberflutung.
Die Zeit habe ich dann gleich mal genutzt und habe quasi Kaffeekränzchen in der Bahn abgehalten. Ich habe meinen neuen Thermobecher eingeweiht, den ich zu Weihnachten bekommen habe (Ja, ernsthaft – bisher habe ich den noch nicht gebraucht) und habe während ich Kaffee geschlürft habe mit einer Freundin telefoniert, der es gerade nicht so gut geht und die sich all ihre Gedanken mal von der Seele reden musste. 

👆Heißbegehrter Zettel fürs LPA


Apropos Seele – bei meiner Therapeutin war ich heute auch (Was für ein Spagat… ;)  - nicht, aber egal… )
Sie hat dann sofort die Heizung angemacht, weil ich nach meiner kleinen Fahrradtour am Morgen in Richtung Uni völlig erfroren war. „Die steht jetzt schon auf 4, aber sagen Sie, wenn Ihnen kalt ist – dann kann ich sie auch noch höher drehen…“  ;)
Ich habe ihr dann berichtet, dass die Entscheidung jetzt für das PJ in der Ferne ausgefallen ist.
Sie hat mir erklärt, dass sie jetzt selbst mal nachgeschaut habe wo der Ort eigentlich liegt – mehr aus der Intention heraus zu finden, ob das wirklich mitten auf dem Land ist und da wirklich gar nichts ist. Aber sie musste mir Recht geben – was die psychiatrische Versorgung anbelangt, sieht es einfach schlecht aus. Jedenfalls erklärte sie dann: „Also das ist ja eine richtig große Klinik da oben auf dem Berg. Die machen einen sehr guten Eindruck. Ich denke, fachlich sind Sie da gut aufgehoben… - besser als bei uns an der Uni.“
„Es hat ja einen Grund, dass ich dorthin möchte“, habe ich ihr erklärt. „Aber ich fange ja im Kreiskrankenhaus in der Inneren an – das ist unten in der Stadt und hat mit dem Campus gar nicht viel zu tun…“ „Ach so… - aber die Neuro ist oben auf dem Berg…“, fragte sie, was ich bestätigte. „So ist das immer“,  meinte sie, „die Neuro ist immer auf dem Berg… und die Psychiatrie noch ein bisschen weiter oben auf dem Berg…“ ;)
Irgendwie war sie allgemein ein wenig in Quatsch – Laune (die Bahn hatte wohl Verspätung wegen ominöser "Störungen im Betriebsablauf" und allgemein ist es viel zu kalt draußen...) – das kenne ich von ihr überhaupt nicht. Wir hatten auf jeden Fall unseren Spaß heute Morgen.
Aber es ging natürlich auch um ernstere Dinge. Neben den aktuellen Themen auch darum, wie man den Umzug am Besten vorbereiten kann. Sie fragte dann, was mir denn helfen würde. Ich glaube wirklich, dass es gut wäre, wenn zumindest eine Säule stehen bleibt. Wenn es irgendetwas gibt, das ich vom Gestern über das Heute mit ins Morgen nehmen kann. Das muss gar nicht viel sein… - aber eine Konstante.
Nach meiner Schulzeit war das zum Beispiel ein Lehrer gewesen, der sich sehr für mich eingesetzt hat. Wir haben eine Zeitlang quasi jeden Tag Mails hin und her geschickt und mir hat das einfach geholfen zu wissen: „Da ist jemand…“
Sie hat dann gesagt, dass ich mir mal Gedanken machen soll, was das diesmal sein könnte. Ob es Kontakte sein können, weiß ich nicht. Immerhin bin ich soweit weg, dass es nahezu ausgeschlossen ist, über das Wochenende mal schnell jemanden besuchen zu fahren und ein Kontakt der aufgrund der Gegebenheiten nie von Angesicht zu Angesicht sein kann… ich weiß es nicht. Ich glaube, da hätte ich zu viel Angst, dass das doch nicht hält. Dass die Leute doch ihr eigenes Leben haben und dass eine Person die darin nicht aktiv präsent ist, vielleicht schnell hinten runter fällt und dann bricht diese Säule schneller zusammen, als mir lieb ist. Besser wäre etwas, von dem ich zumindest die Chance hätte, es selbst ein wenig zu halten.

Also… - wenn ihr Ideen habt, was ich neben ein paar Telefonnummern und ein paar Mailadressen um die Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts nutzen zu können noch mitnehmen könnte, dürft Ihr gern die Kommentarfunktion nutzen.

Den Blog werde ich für mich auch auf jeden Fall mitnehmen. Das habe ich ihr heute sogar gesagt in der Erwartung jetzt wieder scharf kritisiert zu werden. Aber der Blog ist eben schon mal die erste Sache, die mir hilft. Und ich will ja ehrlich sein in der Therapie (obwohl das jetzt nicht unbedingt etwas mit der Ehrlichkeit zu tun hat, die ich meine...)
Aber sie hat das gar nicht so negativ gesehen. Ich hoffe nur, sie stellt google jetzt nicht auf den Kopf und sucht den Blog… ;) Aber eigentlich dürfte er so leicht nicht zu finden sein.

Ich bin nur nach der Therapiestunde in letzter Zeit immer so aufgewühlt. Einerseits erleichtert es die Sorgen teilen zu dürfen – obwohl ich halt das Gefühl habe, dass auch das Grenzen hat. Ich kann ihr natürlich nicht sagen, dass ich die Befürchtung habe, von dort nie wieder hoch zu kommen und dass das definitiv nicht einfach so daher gesagt ist. Neben der Tatsache, dass ich Sorge habe, dass es ein wenig erpresserisch rüber kommt – was absolut nicht so gewollt ist, da es eine für mich derzeit reale Sorge ist – würde sie mich vielleicht auch nicht ruhigen Gewissens ziehen lassen. Und ich möchte nicht, dass sie sich Gedanken macht.
Aber andererseits schleppt man die Thematik dann immer den ganzen Tag so präsent mit sich herum. Zwar sagt sie immer am Ende der Stunde: „Aber da sind wir ja jetzt noch gar nicht.“
Aber wir werden dort sein. Schneller als mir lieb ist. Und dann können wir noch so viele Pläne gemacht haben, noch so viel darüber geredet haben und noch so viele Möglichkeiten durchdacht haben, wie ich Halt finden könnte: Ganz am Ende stehe ich da unten alleine. Am Ende ist alles was hier oben präsent war, dort unten für mich komplett unerreichbar.

Um 13 Uhr saß ich dann heute mal am Schreibtisch, habe dann klinische Chemie eingeschoben, weil das Script nicht wirklich viel war und ich ja nicht mehr so viel Zeit hatte. Anschließend habe ich Neuro fertig gekreuzt. Ich bin bei knapp unter 90 % raus gekommen – das hat mich geärgert; zumindest, wenn es Neuro ist.
Und jetzt sitze ich gerade noch  an der Wiederholung von Mibi…

Alles Liebe
Mondkind

P.s. meine Zähne spinnen sowas von massiv rum seit zwei Tagen – das ist echt nicht mehr feierlich. Ob das am Stress liegt? Ich hoffe, es wird wieder besser – sonst habe ich mit meiner Zahnarztphobie keine Ahnung, wie ich das vor dem Examen noch lösen soll. Ich müsste ja zumindest in meinen Heimatort, um den Arzt aufzusuchen, bei dem ich immer bin. Mit Auto eine halbe Stunde, ohne Auto eine Weltreise… Und das Auto hat nun mal meine Schwester…

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