Tag 84 / 116 Pädiatrie VII und Ambulanz



Wieder mal ein Tag geschafft… - naja, noch nicht ganz… - mir fehlt noch Kinder- und Jugendpsychiatrie aus dem Pädiatrie – Script. Ich denke aber, das wird nur Wiederholung aus dem Psychiatrie – Script sein, deshalb reicht es hoffentlich, wenn ich das gleich nochmal eben durchlese.

Mir fällt es jeden Tag ein wenig schwerer mit dem Lernen. Gar nicht unbedingt von der Motivation her, aber da ist so eine Schranke in meinem Kopf. Es geht nichts mehr rein und kreuzen geht gerade auch nicht mehr – das habe ich mir heute auch mal gespart.
Ich kann zwar noch die einzelnen Sätze lesen, aber der Sinn kommt nicht mehr bei mir an. Ich verstehe einfach nichts mehr…

Und ich habe so Angst, dass das jetzt bis zum Examen so bleibt.
Der Pausentag, den ich schon seit Wochen vor mir her schiebe, ist glaube ich mehr als überfällig.
Ich habe heute mal ne kurze Mail an einen… - naja, nennen wir es Freund – geschrieben. Vielleicht gibt es am Wochenende einen Spaziergang mit Hundetier… okay – da ist glaube ich mehr der Wunsch der Vater des Gedanken, aber manchmal passieren ja doch noch kleine Wunder…
Es wäre mein Motivationswunder glaube ich…

Heute morgen war ich noch im Labor, um die Notizen vom Altfragen kreuzen der vergangenen Woche auszudrucken. Also unser MTA… - der ist so ein Schätzchen. Als würde es nicht reichen, dass meine Mitbewohnerin Ende März (also kurz vor dem Examen) auszieht, kommen jetzt auch noch irgendwann Ende März die Handwerker… die werden dann den kompletten Tag die Bäder im Haus vom Schimmel befreien und entsprechend die Wand aufkloppen.
Ich habe das heute beiläufig erwähnt und gesagt, dass ich dann wohl oder übel in die Bibliothek muss. Aber die mag ich halt nicht, weil es da immer kalt und immer laut ist und man nicht mal einen Tee kochen kann. Und dann ist unserem MTA eingefallen, dass wir gerade einen leeren Büroraum haben. Mit Heizung, Schreibtisch, Wasserkocher und Internet.
Problem gelöst würde ich sagen…

Dann bin ich einmal über den Campus in die Ambulanz geradelt. Ich war schon irgendwie nervös heute…

Die übliche Frage: „Wie war die Woche?“. Ich hasse die Frage, weil ich eigentlich seit Januar echt immer dasselbe sagen kann. „Falsche Frage…“, merkte ich an und fing dann an zu berichten, dass es eigentlich schon letzten Freitag angefangen hat, was in Anbetracht der Tatsache, dass ich ja Donnerstag erst da war ziemlich dämlich war.

Und dann habe ich berichtet, dass in dem Moment, in dem ich die Zusage für das PJ hatte und auch der Oberdoc informiert war, einem Teil von mir bewusst geworden ist, dass ich schon wieder dabei bin mich zu übergehen.Und dass ich mir die Chance vergeben habe nach dem Examen ehrlich zu mir selbst zu sein, weil jetzt hundert prozentig klar ist, dass ich pünktlich ins PJ starten muss.



Ich habe aber dennoch das Gefühl, dass wir in den letzten Wochen in der Therapie ein ganzes Stück weiter gekommen sind. Ich glaube, dieser Text mit „Die drei Teile“, war der Durchbruch. Zwar hört sich das immer ein wenig komisch an, wenn ich dann ankomme und erkläre, warum „Es“ am Wochenende schon wieder Theater gemacht hat und warum es wahrscheinlich so war.

Das ist halt auch wieder der Punkt, dass ich dann die Verantwortung abgeben kann. „Es“ ist ein Teil von mir ja – aber ich bin mehr als „es“. Also kann „es“ Theater machen und trotzdem heißt das nicht, dass gleich alles nicht mehr funktioniert.

Ich dachte früher immer, dass es ja nicht sein kann, dass da so eine starke destruktive Seite ist und der Alltag irgendwie funktioniert. Es geht, weil da eben auch noch anderes ist.

Und seitdem läuft die Kommunikation viel besser.



Sie hat mich gefragt, was „es“ denn wohl möchte. Warum ist es so destruktiv? Was hätte es gern?

Die Frage hatten wir ja schon mal und so richtig weiß ich es nicht. „Vielleicht ein bisschen Normalität“, habe ich gesagt und ihr dann die Geschichten aus dem letzten Blogpost berichtet… - einfach mal in Ruhe einkaufen. Vielleicht mal überlegen, was man kochen könnte, sich mal vom Laden inspirieren lassen.

Und es ist auf der Suche, denke ich. Auf der Suche nach einem zu Hause (das ist ja bei mir seit Jahren Thema und für mich ist das mehr als der Wohnort). Auf der Suche nach Stabilität, nach Verlässlichkeit und Zuversicht.

Ich glaube gerade der letzte Punkt überwiegt und das sind eben Dinge, die kann ich nicht so einfach lösen. Ich kann mir keine Familie aus den Rippen schneiden, eine Stabilität finden, wo keine ist.

Manche Dinge bleiben einem verwehrt. Aber es gibt immer Alternativen…“ Das sagte ein Freund mal. Die Alternativen habe ich noch nicht gefunden, aber der Satz ist hängen geblieben, weil der so hart und beruhigend zugleich ist.



„Bis die Tage wieder werden,

wie sie früher mal waren

Bis wir die Farben wieder sehen

Und der Regen einen Bogen macht…“



Ich glaube, das habe ich hier schonmal zitiert, aber es passt. Es ist Teil dessen, das  „es“ sucht, wenn man es etwas poetisch ausdrückt. Das, was vor dem ganzen Wahnsinn in meinem Kopf war, als meine Welt noch Farbe hatte.

Aber ich wollte ihr jetzt nicht noch mit Wincent Weiß um die Ecke kommen – wenn Außenstehende unsere Therapiestunde mithören würden, würde man uns wahrscheinlich sowieso für komplett durchgeknallt halten, aber das macht ja nix



Im Endeffekt sei ich also auf der Suche nach „Stabilität und Verlässlichkeit“, so fasste sie es zusammen. Auf der einen Seite ist das für mich schwer anzunehmen. Ich musste so viele Wege allein gehen, so viel ohne Stabilität schaffen und ohne, dass ich mich im Endeffekt hundert prozentig auf eine Person verlassen konnte. Es war hart, es waren oftmals viele Tränen, aber es ging, weil es gehen musste.

Und obwohl es geht, scheint etwas zu fehlen und das macht mir auch irgendwie Angst. Denn das was da fehlt, treibt mich gerade an den Rand des Abgrundes.



Sie meinte, wir müssen alle miteinander einen Kompromiss finden. Also mal bildlich: Ich, Es und Über – ich müssen sich an einen Tisch setzen und Über – ich muss ein bisschen lockerer werden, was das Pflichtbewusstsein anbelangt und Es auch mal zum Zug kommen lassen.

Das Ding ist aber: Über – ich ist ja froh, dass es so ist, wie es ist. Das will sich ja nichts wegnehmen lassen. Und Es kämpft seit mehr als 10 Jahren darum gehört zu werden und hat einfach keinen Bock mehr, um das mal platt auszudrücken. Das wird nicht noch monatelang um einen Kompromiss kämpfen.

Im Moment fühlt sich das für mich nicht so richtig machbar an und ich habe heute auch bei dem Gespräch gemerkt, wie ich immer wieder aus diesem Bild ausgebrochen bin, weil da alle so stur sind.
Wenn ich jetzt auch noch Über - ich unter Druck setze - das ist ja bisher ganz zufrieden mit seiner Position - da kommen wir doch in Teufels Küche... 



Ich habe heute Nachmittag noch eine Weile gedanklich an diesem Bild festgehangen und das Problem ist, dass keiner von uns eine Idee davon hat, wie eine Zukunft aussehen könnte. Ich weiß nicht mehr, wofür ich das alles noch mache und wofür es sich lohnt.

Wahrscheinlich müsste das „ich“ jetzt mal stark sein und diese Kompromissfindung moderieren, aber ich habe gerade das Gefühl, dass ich das gar nicht mehr möchte. Und das ist natürlich ein bisschen blöd, denn Therapie setzt ja den Willen voraus, gesund werden zu wollen. Ich bin halt wirklich so müde von dem ganzen Theater und natürlich kann ich mir einbilden, dass da ein Willen ist, aber wenn ich das hinterfrage, dann ist er da eben nicht.

Irgendwie ist es mir gerade auch ein wenig egal, was sich in meinem Hirn dann abspielen wird, wenn das Examen vorbei ist. Ich fürchte, es wird wenig konstruktiv sein und ständig Angst vor der eigenen Unberechenbarkeit zu haben, macht irgendwann auch so müde, dass man es vielleicht einfach akzeptiert… ich weiß es nicht, ich denke darüber bis nächste Woche mal nach.



Am Ende der Stunde fragte sie: „Wann haben wir den nächsten Termin? Nächste Woche?“. Daraufhin habe ich erwidert, dass wir erst mal neue Termine machen müssen. Und natürlich habe ich nicht dazu gesetzt, dass es mir lieb wäre, wenn wir das bis zum Examen relativ engmaschig fortsetzen könnten. (Hasenfuß eben…)

Sie hat dann in ihrem PC geschaut und festgestellt, dass es nächste Woche auch schon echt voll bei ihr ist und ich hätte sie damit ja vielleicht nur unter Druck gesetzt…

Das sind immer diese Sekunden, in denen ich echt Angst kriege… was haut sie gleich für ein Datum raus? Termine ausschleichen war ja ihr Plan... Sie meinte dann aber, dass sie es im Moment selbst für wichtig hält, dass wir uns damit weiter auseinander setzen und deshalb hat sie doch für nächste Woche noch einen Termin irgendwoher gezaubert. Und für die Woche danach auch…

Erleichterung machte sich breit.

„Dann haben sie ein bisschen Stabilität und Verlässlichkeit“, meinte sie.

Ganz im Ernst: Auch wenn mich die ganze Situation dort manchmal echt aufregt – was aber mehr Verzweiflung und Angst als alles andere ist denke ich – bin ich meiner Therapeutin so unglaublich dankbar. Ich wüsste nicht, wo ich heute ohne sie wäre…



Und zu guter Letzt… - das Zahn – Problem nervt mich immer noch. Das Ding ist halt… heute zum Beispiel habe ich in der ganzen Therapiestunde nichts davon gemerkt. Und was passiert am heimischen Schreibtisch… ? Ich könnte (sorry…) kotzen, ehrlich. Das ist so ein vollkommen unnötiger Stress und ich glaube halt leider, dass es umso schlimmer wird, je mehr ich mich damit stresse.

Ich habe jetzt zumindest mal einen Termin bei dem Arzt in meiner Heimatstadt. Der ist am 17. April und ich glaube, der ganze Stress wird erst von mir abfallen wenn ich dort war und er mir erklärt, dass – was immer es auch ist – es (hoffentlich!) nicht von gravierenden Zahnproblemen herrührt.

Aber wenn es wirklich ernst wäre, würde das glaube ich schneller verlaufen. Das geht ja jetzt seit Mitte Dezember so… 

Mondkind

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