Tag 102 und 103 / 116 Zweifel...



Ihre Augen rasen über die Zeilen.
Solange, bis die Buchstaben verschwimmen und sich Mondkinds Hirn anfängt zu drehen.
Sie versucht jedes Detail zu erfassen, denn nach jedem Laborwert könnte gefragt werden. Erst letztens ist sie wieder an so einer Frage vorbei gekommen. Es war nach einem Laborwert bei Anorexie gefragt und gerade den, den Mondkind zuerst ausgeschlossen hatte – der wäre es gewesen. Menschen mit Anorexie haben erhöhte Cholesterinwerte. Herleiten kann man sich das eher nicht – eigentlich würde man das Gegenteil erwarten und bei ihren Recherchen hat Mondkind herausgefunden, dass man nicht weiß, warum das so ist.
Also hilft nur, es eben zu wissen.

Manche Fragen sind auch einfach nur bescheuert. Woher soll sie wissen, ob die Arthrose im oberen Sprunggelenk häufiger Folge eines Traumas ist oder im Rahmen einer Gicharthropathie auftritt?
Sie weiß, dass das Sprunggelenk zusammen mit dem Kniegelenk der zweithäufigste Manifestationsort einer Gicht ist und sie weiß, dass ein Sprunggelenksbruch wahrscheinlich häufiger ist als die Gicht, aber wie häufig ist jetzt eine Arthrose als Folge des Unfalls im Verhältnis zur Gicht? Bei der Überlegung hilft allerdings auch die Prävalenz der Gicht nicht weiter, denn Mondkind hat keine Ahnung, wie häufig nun genau von den absolut betroffenen Gichtpatienten, sich die Gicht im Sprunggelenk bemerkbar macht.
Am Ende hilft also nur raten zwischen den beiden Antworten. Und natürlich hat Mondkind falsch geraten – obwohl sie alle oben stehenden Überlegungen angestellt hat.

Es stresst sie. Es stresst sie, dass sie vor so vielen Fragen sitzen und die Antwort nicht wissen wird. Dass sie es nach bestem Wissen und Gewissen machen und Vieles davon (hoffentlich) richtig sein wird. Aber sie wird unsicher sein.
Und je unsicherer sie ist und je mehr sie zerdenkt, desto häufiger kommen dabei falsche Antworten raus.

Sie hat das Gefühl, dass das Lernen langsam nichts mehr bringt. Ihr Hirn ist voll und die Exoten der kompletten Medizin wird sie auch in zwei Wochen noch nicht drauf haben.
Vielleicht ist das auch nicht nötig – eine 1 möchte sie ja gar nicht unbedingt. Aber die Basics sollten sitzen – damit kann man sicher auch 60 % erreichen – wenn man denn auch ein bisschen Glück bei der ganzen Aktion hat.

Sie merkt, dass sie nochmal alles raus holt aus ihrem Körper und ihrem Gehirn. Langsam ist sie auf die Zielgerade eingebogen. Die Angst vor dem Versagen lässt ihre Motivation nochmal wachsen. Ihre Aufmerksamkeit ist auf die Scripte fokussiert.
Sie hat kaum noch Zeit, sich um sich selbst zu kümmern, um ihre Gedanken oder Sorgen. Das kommt erst, wenn sie abends falsch gekreuzte Altfragen durchgeht, während ihr schon fast die Augen zufallen und sie ihre weiß gewordenen Fingerspitzen (wahrscheinlich ist ihr Stoffwechsel mittlerweile einfach komplett eingeschlafen…) an einer heißen Tasse Tee wärmt.
Dann erst wird ihr wieder klar, dass das Examen sie auch nicht weiter bringen wird. Und überhaupt fragt sie sich, wie das gehen soll mit der täglich steigenden Anspannung. Donnerstag ist der letzte Termin bei ihrer Therapeutin vor dem Examen und danach muss sie sehen, wie sie es bis über das Examen schafft.
Es fehlt. Jemand, der sie einfach in den Arm nimmt und ihr sagt, dass alles gut wird. Und dass sie trotzdem etwas wert ist – auch wenn sie durchfallen sollte. Es ist wunderbar, wenn man so etwas hat. Aber es muss auch ohne gehen. Mondkind ist so viele Wege alleine gegangen. Dann gehört das Examen wohl auch dazu.

Soulfood...😋 - auch, wenn ich dem Motto der Tasse nicht so ganz gerecht werde... 😶


***
Bezüglich Handwerker: Ich weiß nicht, was da schief gegangen ist. Es war zwar eine Menge Tumult im Haus, aber bei mir waren sie nicht. Wir haben aber auch gar keinen Schimmel im Bad, den man hätte entfernen müssen…

Und ich habe mir gedacht, bevor ich da am Donnerstag in der Ambulanz nochmal das Thema Medikamentenumstellung und die Überlegung das in der Klinik zu tun anspreche, frage ich nochmal einen befreundeten Psychiater, ob er das in vier Wochen für machbar hält, wenn man den Druck im Rücken hat definitiv pünktlich ins PJ starten zu müssen.
Das habe ich zwar mit ihm auch noch nie gemacht, aber er meinte mal zu mir, ich solle mich nicht so zieren – das ist schon alles okay für ihn.Und immerhin hätte ich mir bezüglich der "Beichte" über den Klinikaufenthalt keine bessere Reaktion wünschen können.
Mal sehen, ob er bis Donnerstag schafft zu antworten und was er dann sagt… ich hoffe, er nimmt es mir nicht übel.

Alles Liebe
Mondkind

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