Tag 96 / 97 Wiederholung und doch noch Chaos
Es ist einfach nur Chaos.
Es war wohl doch ein bisschen zu optimistisch gedacht, dass mich die
Lernzeit bis zum Examen nicht stresst.
Mittlerweile tut sie es aber doch. Obwohl ich immer noch der Meinung
bin, dass es mehr das „drum herum“ ist.
Der Umzug von meiner Mitbewohnerin, von dem ich noch nicht mal weiß,
wann er stattfindet.
Die Handwerker, die am Montag kommen. Der Plan in der Zeit im Labor zu
lernen war mal nichts, denn einer muss die ja rein lassen. Also muss ich wohl
doch da sein. Wenn ich Glück habe, kommen sie früh, dann kann ich danach ins
Labor und lernen, aber das weiß ich ja noch nicht.
Dann möchte meine Mama noch irgendwelche Bescheinigungen haben. Ich
habe die ihr schon fünf Mal geschickt und irgendwie war es immer nicht richtig.
Langsam nervt mich das auch – dann soll sie nicht immer über meine Schwester
ausrichten lassen was sie braucht, sondern sich einfach mal persönlich bei mir
melden.
Und dann ist die Situation bei meiner Mama und meiner Schwester ja
ohnehin auch ziemlich verfahren, weil es meiner Mama gesundheitlich so schlecht
geht. Und gerade wenn einem immer wieder subtil vorgeworfen wird, es sich da ja
relativ einfach gemacht zu haben, stellt man sich doch irgendwann selbst in
Frage. Der Auszug hatte damals nichts damit zu tun, dass ich mich nicht um
meine Mama kümmern wollte; zumal es damals noch nicht schlimm war. Ich habe es
heute in der Therapie geschafft das anzusprechen, was echt schwer war. Sie
meinte dann – sie hat es ja damals miterlebt – dass sie das so empfunden hat,
dass der Auszug ganz andere Gründe hatte. Vielleicht – so sagte sie – könne man
dieser Tatsache ja fünf Prozent zusprechen, aber wenn man das mal in einem
Kuchendiagramm betrachte, war das nicht der wesentliche Punkt, warum ich
ausgezogen bin. Da lagen ganz andere Dinge im Argen, die man aber dort nicht
nachvollziehen kann.
Prioritäten setzen sei jetzt wichtig, sagt sie. Und egoistisch sein –
auch wenn sie weiß, dass mir das schwer fällt. Mich überfordert im Moment
dieses Gesamtpaket und die Tatsache, dass keiner in meinem Umfeld versteht, was
ich hier tue.
Ich habe halt keinen, der mich abends mal in den Arm nehmen würde und
sagen würde, dass schon alles gut wird. Ist blöd, aber nicht zu ändern. Aber
dann muss ich mir jetzt eben nicht noch den Schuh von so vielen anderen Dingen
anziehen.
Ich soll nur das tun, was ich jetzt unbedingt machen muss und was mir
gut tut. „Dann wird eben mal zwei Wochen nicht gesaugt – davon geht die Welt
nicht unter. Auch wenn ich weiß, dass Sie das stört. Sie kaufen doch jetzt
keinen Staubsauger. Gehen Sie einen Besen kaufen – das muss reichen.“
Es stört mich wirklich – die Sache mit dem Staubsauger und ich kann
gar nicht sagen warum, aber dieser Kommentar heute, hat mich irgendwie ein
wenig berührt.
Überhaupt… es sind die letzten Male.
Die letzten Male, dass ich in der Ambulanz sitze und fühle, wie sich
ganz langsam ein bisschen Ruhe über mich legt. Wie ich begreife: Wieder eine
Woche geschafft.
Für einen Augenblick hält das Chaos an. Gerade so lange, dass ich ein
Mal tief Luft holen kann, um weiter zu gehen. Einfach nur weiter gehen. Nicht
stehenbleiben. Nicht umdrehen. Aber auch nicht an den Horizont sehen.
Und ich weiß eben nicht, ob ich es zukünftig schaffe, ohne Luft holen
zu dürfen.
Die Stunde war heute echt entlastend. Ich habe die brenzligen Themen
ein bisschen gemieden – wieso sollen wir uns jetzt zum gefühlten tausendsten
Mal damit auseinander setzen, dass ich für mich keine Zukunft sehe. Ich kenne
ihren Standpunkt dazu und sie weiß, dass ich vom Kopf her auch weiß, dass das
so nicht stimmt, aber das vom Gefühl her gerade trotzdem nicht annehmen kann.
Und darüber zu sinnieren… - das hat halt wirklich Zeit für später. Auch wenn
das leichter gesagt als getan ist.
Vorrangig geht es jetzt tatsächlich um die nächste Woche. Wenn hier
innerhalb einer Woche ein Lerntag wegen der Handwerker flöten geht und ein Tag
wegen des Umzugs belastend wird, dann werde ich hier ohnehin noch zum
Rumpelstilzchen.
Und irgendwie tut es – auch wenn das ebenfalls eine Sache ist, die ich
für mich derzeit nicht annehmen kann – gut zu wissen, dass es wirklich auch
noch anders geht, sollte es nach dem Examen nicht mehr weiter gehen. Es wäre
kein Weltuntergang ein halbes Jahr später fertig zu werden und vielleicht kann
ich ihr in dem Punkt wirklich vertrauen, dass sie Recht hat und ich das eines
Tages vielleicht auch sehe.
Das ist halt total komisch. Einerseits weiß ich, dass ich einfach
nicht zulassen kann und darf, dass ich nach dem Examen in der Klinik lande, was
mich wirklich noch in Gewissenskonflikte bringen wird. Ich hoffe ehrlich
gesagt, dass mein Hirn da „nur“ ein bisschen rum spinnt, aber zum jetzigen
Zeitpunkt würde ich bezogen auf nach dem Examen einfach nichts garantieren
wollen. Deshalb bin ich mir gerade auch gar nicht so sicher, ob das wirklich sinnvoll ist einen Termin in die Woche nach dem Examen zu legen. Was soll ich denn da sagen?
Und andererseits weiß ich aber auch: Da ist ein Netz, das im Notfall
hält. Ich muss es dann „nur“ zulassen – dann ist die Ambulanz gerade meine
Lebensversicherung. Und ein bisschen beruhigend ist das schon.
Morgen früh muss ich jetzt erstmal zum Psychiater. Das finde ich ja
jetzt ehrlich gesagt ein wenig unnötig – an den Medikamenten sollten wir vor
dem Examen ohnehin nichts mehr ändern - zumal der mich das letzte Mal auch noch
ziemlich auseinander genommen hat – was ja sein Job ist, aber trotzdem nicht
sonderlich nett war.
Mal sehen. Ich hoffe es geht schnell…
Wiederholung, Wiederholung und nochmal Wiederholung...😶 |
Übrigens… - so viel zum Thema „freier Nachmittag“… hat natürlich nicht
geklappt. Aber ich war heute wirklich im Arbeitsflow – so einen guten Lerntag
hatte ich lang nicht mehr. Wieso soll ich das dann nicht nutzen? Pause machen
kann ich auch später noch.
Und ich muss bis morgen das Dokument zum Drucken fertig haben…- da muss ich mich jetzt echt beeilen - ich muss noch rund hundert Fragen bearbeiten... (Vielleicht hätte ich das einfach heute zuerst und nicht zuletzt machen sollen... )
Alles Liebe
Mondkind
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