Tag 104 / 116 Der Brief...



Die offizielle "Einladung" zur Prüfung ist da... und macht den Ernst der Lage klar... 😨


Kleiner Zusammenbruch am Rande heute.
Wie können denn die Kreuzergebnisse nach vier Monaten lernen so unterirdisch sein? Wenn das weiter so geht, muss ich echt zusehen, dass ich die 60 % zusammen kriege - zumindest bei dem Examen, das ich gerade kreuze und unseres wird wohl ähnlich aussehen. Durchfallen geht auf gar keinen Fall, aber eine 4 sollte es schon auch nicht werden.
Ernsthaft… - das ist so frustrierend. Ich habe das Gefühl, ich kann absolut überhaupt gar nichts…
Und da kann ich mir lange sagen, dass ich mich zusammen reißen und mich auf die Scripte konzentrieren muss. Mit Panik im Kopf geht das nicht und dann mache ich mich dafür wieder fertig, weil das nun mal unproduktiv ist Panik zu schieben…

***

Chaos im Hirn.
Die Worte sind verbraucht.
Sie läuft ihr Zimmer auf und ab.
In der Hand ihr Script, vor ihren Augen eine Tabelle, die einen Überblick über alle möglichen Demenzformen liefert.
Sie bemüht sich, sich zu konzentrieren, ihre Gedanken weder ins Gestern noch ins Morgen abschweifen zu lassen.
An ihrem Schrank hängt der Lernplan für die letzten Tage. Jeden Tag wird es ein rosa Haken mehr. Ein Tag weniger bis zum Tag der Tage.
Auf der Fensterbank liegt der Brief. Obendrauf ein Merkblatt vom IMPP, das an den Ernst der Lage erinnert.

Ihr Hirn schlägt Saltos. Es denkt so viel und gleichzeitig nichts.
Die Kreuzergebnisse sind absolut nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte. Was hat sie falsch gemacht? War sie zu viel mit dem Morgen beschäftigt? Hat sie es nicht ernst genug genommen?
Zweifel. Noch zwei Wochen zweifeln… Bis es vorbei ist. Oder auch nicht.
Mondkind versucht ihre Gedanken auf die Demenzen zu konzentrieren, plappert laut vor sich hin bis sie merkt, dass sie nur Mist zusammen redet.

„Wie geht es Dir?“, hatte sie am Telefon von ihrer Mutter vernommen und auf eine ehrliche Antwort die Erinnerung bekommen, pünktlich ins PJ zu starten.
Seitdem rast es wieder in ihrem Kopf. Es ist nicht vorbei nach dem Examen.
„Absolute Unentschlossenheit“, so hatte letztens jemand ihren Zustand ausgedrückt. Aber sie ist nicht so unentschlossen.
„Was sind denn die nächsten 60 Jahre im Verhältnis dazu, was Ihre Mutter denkt?“. Der Satz ist schon drei Jahre alt. Damals hat sie ihn gehört. Zur Seite geschoben. Sie möchte nur einmal okay sein. Nicht immer die, die aus der Reihe tanzt. Akzeptiert werden. Angenommen werden.
Es macht jedem etwas aus, was das Umfeld denkt. Und sie hat es auch für sich selbst übernommen, diesen Perfektionismus. Den Anspruch immer funktionieren zu müssen.
Sie schiebt beiseite, dass sie ohne viel Hilfe seit Januar wohl eher nicht zurecht gekommen wäre.

Wie kann man diszipliniert für das Examen lernen, wenn es kein Morgen gibt? Wenn wir nach dem Examen alle gegeneinander rennen, weil wir wissen, was helfen könnte, aber es einfach nicht geht. Ob es Kompromisse gibt, weiß sie noch nicht. Vielleicht. Jedenfalls geben sich eine Menge Menschen immer ziemlich viel Mühe irgendetwas zu finden, das sie annehmen kann. Obwohl sie das nicht müssten.

Sie ist müde. Und sie hofft einfach, dass es entgegen aller Befürchtungen trotzdem geht. Manchmal glaubt sie – entgegen des Verstandes - dass Dinge, die sie sich nicht vorstellen kann, auch nicht passieren. Sie kann sich nicht vorstellen zu versagen. Nicht nach diesen vier Monaten. Sie war gewiss nicht genug bei der Sache. Aber sie hat um jeden Lerntag gekämpft und hätte es das Examen nicht gegeben, wäre sie schon viel eher eingeknickt.

***
Heute war Psychiatrie – Wiederholung dran. Das ging einigermaßen, aber in Psychiatrie sollte ich auch so ungefähr alle Punkte holen, die es zu holen gibt…
Jetzt wiederhole ich noch Gyn… TNM – Klassifikationen, dann noch Altfragen durchgehen und irgendwann möglichst vor 23 Uhr ins Bett gehen.
Und morgen früh steht dann erst mal Ambulanz auf dem Programm. Da kommt hoffentlich wieder ein wenig Ruhe ins Hirn. Ich weiß nur wirklich nicht mehr, was ich da noch sagen soll. Sie könnte einfach eine Stunde neben mir sitzen. Das Chaos mit aushalten. Wir müssten eigentlich überhaupt nicht reden. 

Alles Liebe
Mondkind

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