Psychiatrie #25 Suizidalität 2.0


Kleine Vorwarnung am Rand: Wer sich gerade selbst nicht stabil genug fühlt, liest den Blogeintrag lieber nicht… 



Wenn der Himmel ohne Farben ist
Schaust du nach oben und manchmal fragst du dich

Ist da jemand, der mein Herz versteht?
Und der mit mir bis ans Ende geht?
Ist da jemand, der noch an mich glaubt?
Ist da jemand? Ist da jemand?
Der mir den Schatten von der Seele nimmt?
Und mich sicher nach Hause bringt?

(Adel Tawil – Ist da jemand)


Zweiter Blogeintrag an einem Tag.
In Mondkind muss der Teufel los sein. „Ich weiß nicht mehr, wohin mit mir“, berichtete Mondkind letztens. „Das höre ich seit Wochen von Ihnen…“, sagte Herr Therapeut dazu.
Gelöst haben wir das Problem aber nicht.

Ich glaube, ich habe vor ein paar Tagen schon mal geschrieben, dass es zwischen den Klinikaufenthalten bemerkenswerte Parallelen gibt. Nicht nur hinsichtlich der Akutalität bestimmter Songs. Ich kann mich erinnern, dass ich über dieses Lied beim letzten Mal nächtelang geweint habe. Auch das letzte Mal war ich an einem Punkt, an dem mir vorgeworfen wurde, dass ich mich nur noch im Kreis drehe. Auch das letzte Mal war ich an einem Punkt, an dem ich nicht mehr reden konnte. Denn alles was ich sage wird umgedreht und kommt als Kritik zurück zu mir.

„Wie soll ich Ihnen denn jetzt helfen?“ Ich weiß nicht, ob man sich geeinigt hat, mir grundsätzlich diese Frage zu stellen, wenn ich an irgendwen heran trete, was für mich schon kaum noch möglich ist. Heute hat eine liebe Mitpatientin die Pflege angesprochen.
Ja was weiß denn ich, wie man mir helfen kann. Wenn ich es wüsste, wäre ich vermutlich nicht hier.
Mich ernst zu nehmen, wäre ein Anfang.

Ich glaube, was uns vereint, ist die Hilflosigkeit. Das Personal muss sich langsam davon abgrenzen und mir die Verantwortung zurückgeben. Ich kann es ja auch nachvollziehen. Ich bin in zwei Wochen nicht mehr in der Klinik, die Wahrscheinlichkeit, dass es schief geht ist nicht sonderlich niedrig und die können vermutlich einfacher damit leben wenn sie denken, dass ich mich nicht bewegt habe.
Und ich… - ich bin auch hilflos. Denn eigentlich will ich nicht an diesem Chaos im Kopf sterben. Und dennoch fühlt es sich ein bisschen an, als seien die letzten Wochen angebrochen. Es gibt keine Lösung für all das. Und irgendwie tut das verdammt weh.

Die Klinik war ein bisschen Hoffnung. Nicht die Hoffnung, da gesund raus zu gehen (auch das wird gerne falsch verstanden), sondern die Hoffnung auf einen Wendepunkt. Geklappt hat das nicht. Es ist kein Wendepunkt geworden. Vielleicht ist es ein letzter Sommer geworden. Nicht dort, wo ich gern einen letzten Sommer verbracht hätte.

Eher hat das letzte Wochenende wieder eine Grenze verschoben. „Das streichen Sie jetzt einfach mal aus dem Kopf.“ Danke Frau Pflegerin, das funktioniert natürlich super.
„Sie haben ja Hintergrundwissen…“, merkte Herr Psychiatrie – Oberarzt gestern an. „Ich bin ja immer ganz froh, wenn meine Patienten drei Tabletten einschmeißen und meinen, dass sie davon sterben. Aber Sie kennen die Grenzen…“ Ja, ich kenne sie ungefähr. Und irgendwie gräbt sich die Vorstellung gerade zwischen meinen Hirnwindungen ein. Es ist einfach. Zu einfach. Und ich kann einfach nicht mehr.

Die Therapiestunde morgen… - ich weiß nicht, was das werden soll. Ich bin ja gerade sehr versucht mich auf das Konzept des Psychologen einzulassen, um da nicht nochmal Schiffbruch zu erleiden. Und er kann es mit der Suizidalität nicht mehr hören – das hat er deutlich so gesagt. Also tue ich wohl gut daran, es nicht durchblicken lassen. Es tut mir leid und ich hätte es gern anders, aber es ist eben wieder so überpräsent.
Jedenfalls möchte er morgen von mir wissen, was ich bisher für Fortschritte gemacht habe. In Anbetracht der Tatsache, dass ich das letzte Mal im letzten Dezember eine Überdosis Medikamente eingeschmissen habe und das vermutlich auch nicht so viel war wie dieses Mal, sehe ich überhaupt keine Fortschritte. Aber ich werde mir vermutlich bis morgen früh etwas überlegen.
Vor dem Hintergrund wird aber auch sein „Kann ich Sie so ruhigen Gewissens gehen lassen?“ eher eine rhetorische Frage.

Und dann sitzt Du in der Psychiatrie und hast dennoch keine Möglichkeit den Druck zu reduzieren. Da läuft doch etwas schief. Oder nicht?

Mondkind

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