Psychiatrie #22 Der Morgen danach...


Der Wecker klingelt.
Mondkind drückt auf die Snooze – Taste. Sie fühlt sich, als sei sie vom LKW überrollt worden.
Schneller Blick auf die Uhr. Kurz vor 10. Waasss???? Der Wecker hätte doch um acht Uhr klingeln sollen. Shit. Sechs unbeantwortete Anrufe auf dem Handy von der Freundin, die eigentlich in fünf Minuten da sein wollte.

Mondkind richtet sich von der Waagerechten in die Senkrechte. Pfeifen in den Ohren und Schwindel. Shit. Irgendetwas ist heute Nacht ganz gewaltig schief gegangen.
Dennoch huscht sie schnell ins Bad. Zieht den Winnie Pooh  - Schlafanzug aus und schlüpft schnell in Hose und T – shirt. Dann wird ihr zu schwindelig. Gerade noch schafft sie es den Rücken an die Wand zu lehnen und daran hinunter auf den Fußboden zu rutschen.
Pause.
Danach noch ein Mal schnell die Haare durchbürsten und dann steht auch schon die Freundin vor der Tür.

Mondkind schaut wie eine Leiche auf Latschen aus und die Freundin braucht keine Minute, um zu erkennen, dass da irgendetwas nicht so funktioniert hat, wie geplant.

Mondkind selbst weiß nicht mehr genau, was da passiert ist. Gestern Abend war noch Party im Studentenwohnheim. Der Plan die Schwere und die negativen Gedanken einfach dadurch auszuschalten, dass sie sich überpünktlich ins Bett legt und die Augen zu macht, da sie ohnehin nach dem ganzen emotionalen Chaos unfassbar würde war, hat nicht geklappt.
Wahrscheinlich sind dann zu fortgeschrittener Stunde die Sicherungen dezent durchgeknallt. Vermutlich wollte sie nur für die nächsten Stunden Ruhe im Kopf haben. Keine Schwere mehr spüren, sich keine Gedanken mehr machen müssen. Obwohl ihr ein paar Stunden fehlen und sie sich nicht an alles erinnern kann, ist sie sich ziemlich sicher zu wissen, was sie gemacht hat.

Eins kommt trotz Allem nicht in die Tüte: Aufgeben.
Ein Teil von mir möchte immer noch für eine Zukunft kämpfen.


Sie ist immer noch in einer Art Parallelwelt. Lange stehen kann sie noch nicht, aber sitzen geht wieder ganz gut. Die Schwere kommt langsam auch zurück.
Der Plan Kisten zu packen, wird aber nichts werden – auch wenn sie auf dem Weg zurück in die Normalität ist.

Mondkind muss sich noch überlegen, was sie heute Abend in der Klinik erzählt, wie die erste Übernachtung geklappt hat. Gestern hatte sie fast befürchtet, dass es nicht gut klappen wird, weil sie im Moment zu instabil dafür ist. Aber mehr als Reden kann sie nicht. Wenn ein „Ich kann nicht mehr“ überhört wird, ist das nun mal schlecht. Und so wie Mondkind auf die Zwischentöne achtet, muss man auch bei ihr auf die Zwischentöne achten, wenn es ihr schlecht geht.
Wenn sie sagt, dass die Übernachtung gut war, ist das eine Lüge. Allerdings möchte sie eigentlich mit niemandem besprechen, was passiert ist. Vielleicht mit dem Psychologen. Aber der kann eigentlich auch nicht vorab lesen und hören, dass es gut war und dann erzählt sie ihm etwas ganz anderes.

Mondkind

Bildquelle: Pixabay

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