Psychiatrie #28 Impressionen


Ein paar Impressionen aus den letzten Tagen

***
Samstagnacht. Regen.
Wir hatten versprochen, dass wir zu Hause keine Dummheiten mehr anstellen. Deshalb sitzen wir jetzt in der Straßenbahn. Auf dem Weg zurück zur Klinik. Ich glaube, ich bin noch nie um kurz nach Mitternacht über das Klinikgelände gelaufen.
Über die Gegensprechanlage muss ich die Nachtschwester darüber informieren, dass ich wieder da bin. Ich habe schon Sorge, dass ich ihr im Stationszimmer jetzt noch ewig erklären muss, was passiert. Aber sie schließt mir einfach das Zimmer auf und lässt mich allein. Ich bin dankbar zurück in Sicherheit zu sein. Und meine Ruhe zu haben. Und ein sauberes Zimmer – neben dem emotionalen Chaos außerhalb der Klinik, sind die WG – Räume auch eine Zumutung.
Halb 2 lösche ich das Licht.
Bis ich am nächsten Morgen um 5 Uhr wieder aufwache.
Es war eine kurze Nacht. Mal wieder.

***
Montagmittag. Der Morgen war so voll, dass ich immer noch in rotem Sport – T – shirt und schwarzen Leggins am Tisch sitze. „Frau Mondkind, da hat eine Frau für Sie angerufen“, kommt die FSJ – lerin auf mich zu. „Okay…“, entgegne ich etwas irritiert. „Also das ist jetzt etwas blöd beim Mittagessen, aber da müssen Sie mal mitkommen…“, sagt die FSJ – lerin. Ich soll jetzt nicht ernsthaft im Stationszimmer telefonieren, oder? Ich kann mir schon denken, wer das ist.
Auf dem Display des Telefons leuchtet der Name von meiner ambulanten Therapeuten. „Hallo Frau Mondkind“, begrüßt sie mich. „Der Herr Oberarzt hat mir eine Mail geschrieben, dass ich Sie mal anrufen soll. Wissen Sie etwas davon?“ Es tut so gut, mal wieder eine solch vertraute Stimme zu hören und eine eigenartige Wärme durchzieht meinen Körper. Sie möchte wissen, worum es geht. „Naja… - es läuft ja eher nicht so…“, entgegne ich. Mit dem Pflegepersonal im Hintergrund über den Klinikaufenthalt zu sinnieren, ist irgendwie ungünstig.
Sie möchte wissen, was jetzt der aktuelle Plan ist. Und hält es auch alles für etwas viel auf einen Haufen. „Ich bin mittlerweile einfach so verzweifelt, weil ich jetzt zwar mal eine Pause von dem ganzen Wahnsinn hatte, aber das vermutlich hinterher einfach genauso weiter geht, wie es vorher geendet hat. Und das kann ich einfach nicht mehr…“, schließe ich. Dafür müssen wir uns etwas einfallen lassen, sagt sie. Wir haben ja am Tag nach der Entlassung einen Termin.
Nur wird ein Termin da auch nicht mehr viel reißen. Außerdem ist es unser Letzter. Danach werden wir uns vermutlich nicht mehr sehen.
Als ich auflege wird mir bewusst, dass dieser Notnagel, der Frau Therapeutin immer war (selbst während eines stationären Aufenthaltes) bald nicht mehr da ist.

Da hat Herr Psychiatrie – Oberarzt ihr also tatsächlich eine Mail geschrieben. Ich hatte ihn ja eigentlich noch gefragt, ob er nochmal meine Medikamente umstellen möchte, da er da noch einige Ideen hatte, die ich gar nicht so schlecht fand. Aber darauf hat er nicht mehr geantwortet – also möchte er das wohl nicht machen. 

Letztens auf dem Spaziergang...


***
Eine akzeptierende Haltung soll ja Vieles einfacher machen. Ich frage mich, ob ich diese akzeptierende Haltung gerade auch besitze. Und ob das annähernd vertretbar ist.
Vermutlich würde ich im Dreieck springen und mit dem Personal ständig aneinander geraten, wenn ich wegen der anstehenden Änderung meines Umfelds hier quasi eine Krise nach der anderen schieben würde. Einmal ist das sicher okay, aber für Tiefpunkte hält sich das Verständnis – wie ich ja gelernt habe – in Grenzen.
Was ist, wenn ich einfach akzeptiere, dass es gut möglich sein kann, dass ich die Konsequenzen dieses Umzugs nicht überlebe? Und tue ich das nicht schon längst?
Was ist, wenn ich sage: „Wenn ich es überlebe, dann ist das vielleicht gut. Denn vielleicht – wenn sich die Symptomatik in vielen Jahren mal gebessert haben soll – gibt es noch Chancen. Es kann aber eben auch sein, dass die Sicherungen weit vor der Besserung der Symptomatik durchknallen. Weil ich dafür eben nicht mehr jahrelang Zeit habe. Und wenn das so ist, dann ist das vielleicht auch okay.“
Wenn man mich fragen würde was ich brauche, dann wäre es vermutlich ein geschütztes und stabiles Umfeld, bis es besser wird. Aber das kann eben lange dauern und das kann mir bis dahin keiner bieten. Die Ziele die ich für den Aufenthalt hatte, waren laut einem Gespräch mit der Pflege nie realistisch. Aber das würde ja bedeuten, dass die von Anfang an wussten, dass sie mich wieder in den alten Wahnsinn entlassen.

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Morgen ist die letzte Stunde bei Herrn Einzeltherapeuten. Ziel ist dasselbe wie immer bei letzten Malen. Keine Tränen. 

Mondkind

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