Psychiatrie #29 Ein erstes Ende


Wohin?
Wohin mit mir und meinen Kopf und allem, was da drin ist?
Wohin mit dem Wunsch leben zu wollen, wenn das so einfach nicht mehr geht?

Die Zeit, das zu kommunizieren, ist eindeutig abgelaufen. Falls es die je gab.
Die Menschen können Dir nicht mehr helfen. Dass ich das bisher noch kein Wochenende bei mir ausgehalten habe, interessiert nicht. Jeder weiß, dass eine Verlängerung nicht drin ist. Sowohl von Krankenkassen – Seite, als auch von meiner Seite aus.

Was ist, wenn das mein letzter Sommer war? Was ist, wenn die Tage, die noch bleiben, zählbar sind? Was ist, wenn ich so lange gekämpft und doch verloren habe?
Was ist, wenn ich hier meine letzten zwischenmenschlichen Erfahrungen gesammelt habe? Was ist, wenn ich nie wieder im weißen Kittel über die Flure fege?
Was ist, wenn das jetzt hier ein Ende ist?

Manchmal wird mir das bewusst. Dann könnte ich auf dem Flur zusammen brechen und weinen. Und ich weiß, dass jeder mir unterstellen wird, dass es aufgrund der baldigen Entlassung ist. Dabei ist das nicht die Ursache, sondern der Auslöser. 



„Gehen Sie in den Ort in der Ferne. Fangen Sie da einfach erstmal an.“ Kommentar der Oberärztin.
So einfach ist das nicht. Ich kann nicht mehr. Wirklich überhaupt nicht.

Herr Therapeut ist sehr lieb. Rührt mich fast zu Tränen.
Eine Trostbox hat er für mich mich zusammengestellt. Ich finde immer interessant, wie andere Menschen mich charakterisieren. Tee ist unter anderem darin. Und eine Tasse. Für den Arbeitsplatz, wie er sagt. Ein Buch. Und ein Stift. Grün, für den gesunden Erwachsenen. Vielleicht nehme ich den wirklich nur zur Hand, wenn ich „erwachsene“ Dinge zu sagen habe. Ein Buch fürs Kind. Das wär doch was.

Was soll er machen? Es nützt nichts ihm zu sagen, dass ich mir sehr sicher bin, dass ich das nicht schaffen werde. Damit ziehe ich nur noch einen Menschen mehr in diese Geschichte mit hinein. Stattdessen höre ich mir die letzten Tipps an, die er mir mit auf den Weg geben kann.

„Sie sagen gar nichts dazu“, stellt er irgendwann fest. Was soll ich auch dazu sagen. Ich weiß, dass er Recht hat. Dass alles, was er sagt, vernünftig ist. Aber für mich nicht mehr umsetzbar.

Ich werde ihn nie vergessen. Diesen Menschen, der dieses Bild an der Heizung hat real werden lassen. Diesen Menschen, mit dem das so gut losging. Der mir schriftlich gegeben hat, für mich da zu sein. Auf mich zu achten. Diese tiefe Ebene des Vertrauens, das er innerhalb weniger Stunden geschaffen hat. Auch wenn es am Ende nicht mehr so rund mit uns lief, hat er mir doch viel mit auf den Weg gegeben.
„Ich wohne jetzt in ihrem Kopf“, sagte er letztens mal irgendwann. Irgendwie hatte mir dieser Satz die Tränen in die Augen getrieben.
Die guten Seelen, die gehen immer irgendwann. Hinterlassen Spuren, auf denen ich wandeln kann. Situationen, die sich noch unzählige Male in meinem Kopf wiederholen werden.

Danke für die Erfahrungen. Danke fürs da sein.

Mondkind

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