Psychiatrie #15 Wochen - resumee
Dear life, am I doing this right?
Can you see me tonight
Can you help me dear life?
And I know that I can't understand
What you hold in your hands for me
Dear life
(Delta Goodrem – Dear life)
Liebes Leben,
kannst Du mir nicht ein bisschen
helfen?
Es ist eine turbulente Woche, die
hier zu Ende geht. Mit viel Verzweiflung, viel Überforderung.
Mit jedem Tag der vergeht,
entferne ich mich gefühlt ein Stück mehr von mir selbst.
Die Schülerin auf der Station
gibt sich sehr viel Mühe mit mir. Wenn ich in den frühen Morgenstunden nicht
mehr schlafen kann und schon lange im Aufenthaltsraum sitze, kommt sie zu
Dienstbeginn kurz vorbei, setzt sich zu mir an den Tisch und reißt mich aus den
Gedanken.
Mittwoch sind wir gemeinsam in
die Stadt gefahren und haben Waffeln gegessen. Ein bisschen normales Leben
üben. Ich in meinem Tunnel, in dem ich kaum etwas wahrnehme. „Ich habe das
Gefühl, ich gebe mir ganz viel Mühe und bei Ihnen kommt gar nichts an…“,
schlussfolgert sie irgendwann. Mondkind gibt sich viel Mühe, lächelt mehr,
würdigt die Versuche, aber es stimmt – es kommt so gut wie nichts an.
Dennoch ist es eine gute
Ablenkungsstrategie. Denn die destruktiven Gedanken machen so viel Druck, dass
ich sie kaum noch stemmen kann.
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Sie lässt sich nicht vertreiben –
diese Negativität. Vermutlich ist das reiner Selbstschutz nicht zu akzeptieren,
dass es hier in der Psychiatrie Leute gibt, denen ich wichtig bin. Zum Einen
stellt sich die Frage, warum so etwas immer nur im Rahmen der Psychiatrie
passiert, die eben schon nicht das „echte“ Leben ist, zum Anderen will ein Teil
von mir glaube ich gerade keinen Grund zum Leben akzeptieren. Denn das würde
bedeuten, dass ich die Nummer hier doch noch eine Weile machen muss…
Was soll man noch machen, wenn
man selbst in der Psychiatrie verzweifelt, weil sich nichts bewegt? Das hatten
wir doch schon das letzte Mal. Wir rennen alle gegeneinander. Der Teil, der
nicht mehr will, ist zu stark im Moment. Der Psychologe könnte sich vermutlich
auf den Kopf stellen – es würde aktuell nichts bringen. Warum kann es nicht
nochmal werden, wie es mal war? Ich weiß es nicht – aber im Moment ist es
völlig ausgeschlossen für mich.
Vermutlich verzweifelt er
mittlerweile so stark an mir, wie ich an mir selbst. Und irgendwie wissen wir
es doch alle. Überleben bis Ende August. Was danach passiert, weiß keiner. Nur
kommunizieren kann ich das hier natürlich nicht so klar. Denn sie geben sich
alle so viel Mühe.
Dieses Lebensgefühl von damals,
das bekomme ich nicht so einfach wieder. Ich habe damals so viel vergessen, so
viel nicht gesehen, so viel gehofft und geglaubt und einfach mal angenommen,
was vermutlich nie existierte. Allein das PJ im Ort in der Ferne noch zu
erleben war ein Geschenk. Noch ein Mal ein Sommer war ein Geschenk, nachdem für
mich so lange klar war, dass ich den Mai nicht mehr erleben werde. Max Giesinger - Legenden. Kennst das noch jemand? In diesem Lied habe ich mich damals wieder gefunden. Heute kann ich es nicht mehr hören, ohne traurig zu werden.
Denn ja, die Hoffnung ist
vehement. Aber leider gehört die Negativität nun mal auch zu mir. Es ist beides
Ich. Ich kann niemanden von beiden einfach raus schmeißen aus meinem Kopf. Die
Hoffnung kann immer nur hoffen, dass wir stark genug bleiben, bis es besser
wird.
Manchmal wünsche ich mir im
Moment jemanden, der einfach mal die Mauern einreißt. Und danach mal zwei
Stunden neben mir sitzen bleibt, mich im Arm hält und so lange wartet, bis die
Tränen den Kopf leer gespült haben.
Wieder mal ein Wochenende, das
vor der Tür steht. Was ich daraus mache, weiß ich noch nicht. Irgendwie habe
ich gehofft, dass Herr Psychologe heute noch eine Idee hat. Für das Ablenken
werde ich langsam zu müde, aber die Gedanken werden nicht weniger. Hatte er
aber nicht so richtig. Aber klar – wie soll er das schon lösen. Aushalten muss
ich mich selbst. Manchmal werden Hoffnungen vermutlich unrealistisch, wenn die
Hoffnungslosigkeit zu stark wird. Irgendwer muss einen doch da raus retten
können… - kann aber keiner.
Keine Ahnung, wie das jetzt zwei
Tage gehen soll. Und wie das so generell überhaupt weiter gehen soll. Das ist das Problem an Psychiatrie - Aufenthalten. Natürlich hatte ich die Hoffnung, dass es hilft. Dass es danach irgendwie anders weiter geht. Und irgendwann kommt vermutlich der Punkt, an dem zu akzeptieren ist, dass man sich weiter Tag für Tag den Weg entlang schlagen wird. Und einen anderen Ort finden muss, um die Hoffnung dort abzulegen. Und erstmal hoffen muss, überhaupt einen Ort für die Hoffnung zu finden.
Mondkind
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