Ambulanz - marathon
Den Ambulanz
– Marathon habe ich heute Morgen geschafft.
Aber
irgendwie weiß ich auch nicht.Das läuft alles so Semi - gut...
Die Termine
in der Ambulanz sind ein wenig wie Streckenposten am Wegesrand.
Meine
Zeitrechnung geht immer erst mal nur genau bis zum nächsten Termin dort.
Mir ist
bewusst, was eine Ambulanz leisten kann oder eben auch nicht, mir ist auch
bewusst geworden, was das Fachgebiet der Psychiatrie für mich leisten kann und
dass dorthin zu gehen nicht das Allheilmittel ist, weil man am Ende nur selbst
die Dinge ändern kann. Aber irgendwie ist es doch das Gefühl zumindest für den
Augenblick nicht fallen zu können.
Irgendwie…
ich komme da immer mit so viel in mir hin und mittlerweile gibt es kaum noch
Menschen, die das mittragen können.
Das Problem ist, dass die Ärztin glaube ich schnallt, worum es im Moment
geht, aber dass ihre Toleranzgrenze sehr niedrig ist. Andersherum glaubt die
Therapeutin, dass sie weiß worum es geht, was nicht so recht der Fall ist.
Bei meinem
alten Arzt (der, der jetzt Oberdoc auf der Station ist, auf der ich war),
konnte ich die Gedanken schon mal ungefiltert in Worte fassen und sie auf die
Reise in den Raum schicken.
Ich kannte
ihn mit der Zeit, ich wusste, wo seine Grenze war und dass ich auch ab und an
mal das sagen kann, was mir wirklich Sorgen macht und was ich wirklich
hinterfrage.
Mit ihm
konnte man auch über den Sinn und Unsinn von Notfallplänen reden.
Das habe ich
heute bei meiner Ärztin auch versucht und mich da um ein Haar ziemlich
verrannt. Sie fragte ihr übliches: „Wenn was ist, melden Sie sich dann in der Klinik?“.
Man macht es
sich einfacher, wenn man „Ja“ sagt.
Nur – ich glaube
eben nicht, dass ich das mache, da die Klinik mir an der Stelle nicht viel
helfen kann. Es geht eben nicht darum, dass ich nichts mehr auf die Reihe
kriege – irgendwann vergehen auch die dunkelsten Tage und ich ziehe mich schon
wieder irgendwie hoch – es geht darum, dass ich einfach gar nicht mehr will.
Das habe ich ja schon mal geschrieben.
Und diesen
kleinen Ausflug über meine ernstgemeinte Frage, was das für einen Sinn haben
soll dorthin zu fahren (abgesehen davon, dass ich mich das gar nicht trauen
würde, aber das habe ich nicht dazu gesagt…), fand sie überhaupt nicht gut.
Ich lasse
mich da ja auch gern belehren – aber wirklich: Das bringt doch nur meine
Zeitplanung noch mehr durcheinander. Manchmal glaube ich allerdings auch, dass
ich an der Stelle falsche Prioritäten setze. Denn was ist eine Zeitplanung
hinsichtlich des Examens im Vergleich zum Rest des Lebens?
„Sie wissen
schon, dass es bei der Krankheit am Ende um Leben und Tod geht…“ Ein Satz des
Stationsarztes, der irgendwie hängen geblieben ist und vielleicht ein wenig an
mir gerüttelt hat. Im Endeffekt muss ich aber sagen, dass es für mich auch kein
Leben ist, ständig alles wieder über den Haufen zu schmeißen, weil mir mein
Gemütszustand dazwischen kommt.
Ich meine… -
ich habe so lange um ein normales Leben gekämpft. Und wenn sich das nicht
realisieren lässt: Ist das dann nicht okay, den Karren einfach irgendwann vor
die Wand zu fahren?
Jedenfalls…
- so etwas geht bei ihr gar nicht und dann bleibt einem – so man die Ambulanz
freien Fußes wieder verlassen will – doch nichts anderes übrig, als einzulenken
und zu sagen, dass man sich selbstverständlich auf den Weg zur Klinik machen
wird, wenn die Suizidgedanken überhand nehmen.
Ich glaube,
dass sie trotzdem weiß, worum es geht.
Jedenfalls
ist sie diejenige, die die unbequemen Fragen stellt. Neben der Frage, ob ich
versichern kann beim nächsten Termin noch zu erscheinen auch so Dinge wie: „Wo
sehen Sie einen Sinn im Leben?“ und „Was hält Sie eigentlich noch am Leben.“
Nächste Frage, bei der ich ins Schleudern gerate. Und sie lässt mich dort so
lange sitzen, bis ich mir irgendetwas aus den Fingern gesaugt habe.
Ganz im
Ernst: Ich kann an der Stelle nicht mit Familie und Freunden auftrumpfen. Meine
Familie interessiert sich so ziemlich gar nicht dafür, was ich mache. Manchmal
kommen dann noch so Knaller wie vorgestern, als meine Mutter schrieb: „Mondkind
– wir haben schon lang nichts mehr von Dir gehört – ich hoffe, es geht Dir gut.“
Das wäre ja ganz nett gewesen, hätten wir nicht einige Tage vorher telefoniert,
als ich noch völlig am Ende war und gar nicht wusste, wie ich überhaupt
irgendetwas hinbekommen soll und es dann hieß: „Nee Mondkind, da musst Du jetzt
mal selbst mit zurecht kommen.“ Da habe ich mich schon übergangen gefühlt.
Jedenfalls –
ich habe der Ärztin dann erklärt, dass der Alltag einen ja doch irgendwie
auffängt, dass ich weiß, was ich zu tun habe und dem einfach hinterher komme
ohne großartig darüber nachzudenken. Das ist halt einfach ein Automatismus
morgens aufzustehen, Kaffee zu kochen und mich an den Schreibtisch zu setzen.
Ehrlich
gesagt ist das nicht wirklich eine Erklärung, aber sie hat es gelten lassen.
Sie ist auch
diejenige, die auf Termine drängt und heute „bewacht“ hat, dass ich die Termine
ganz knapp um ihren Urlaub herum gruppiere, um da keine Lücken entstehen zu
lassen.
Das Ding ist
nur – wie gesagt – dass man mit ihr nicht so recht reden kann, sofern man sich
nicht gedanklich darauf einstellt, dass einen das zurück in die Klinik
katapultieren kann und dafür ist eben keine Zeit mehr.
Ansonsten
könnte das vielleicht schon sehr erbaulich werden, weil gerade die Sache mit
dem Sinn und Unsinn des Lebens und der Frage was mich hier hält und wie ich
vielleicht etwas finden könnte, das mich hält, schon aktuelle Themen sind.
Auf der
anderen Seite ist die Psychologin. Die hat mittlerweile auch so ihre Themen und
eines davon ist das Examen. Wir reden jede Stunde darüber, wie ich am Besten
das Examen vorbereiten kann und dann kommen natürlich so Sachen wie: Sie müssen
Pause machen, planen Sie zwischendurch mal eine Entspannungsübung ein. Und wenn
Sie das ganze versuchen objektiv zu betrachten, wie jemand der sie gut kennt:
Würden Sie sagen Mondkind kann das schaffen?“
Das ist
sicher alles hilfreich (wobei ich das auch langsam mitreden kann), es ist aber
leider nicht das, worum es im Moment vorwiegend geht.
Abgesehen
davon sind manche Dinge auch nicht umsetzbar. Ich kann nicht um 18 Uhr den
Griffel fallen lassen, nur weil das Zeiteisen mir das diktiert.
Hier wiederrum
fehlen die entscheidenden Fragen. Was dann manchmal dazu führt, dass ich einen
Zettel mitbringe, auf dem es steht, weil ich darüber so schlecht reden kann.
Aber das kann ich eben auch nicht immer machen.
Und das
alles führt dazu, dass wir irgendwie nicht so richtig weiter kommen und ich
auch gerade keinen Plan habe, wie das weiter gehen soll…
Das ich
überhaupt an die Ambulanz gehen darf ist schön und gut und ich brauche sie definitiv
als Streckenposten am Wegesrand, aber irgendwie hat das mehr mit „Überleben“
als mit „Genesung“ zu tun. Und das ist halt auf lange Sicht schwierig.
Insbesondere,
weil ich ja auch irgendwann mal alleine zurechtkommen muss und will. Und bis
dahin muss ich mich selbst halten können und mir selbst Streckenposten auf den
Weg stellen.
Alles Liebe
Mondkind
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