Stille im Labor und platte Fahrradreifen
Der Wecker
klingelt.
Heute mal
ohne irgendwelche Ambulanz – Termine im Rücken und nachdem was gestern passiert
ist, ist Mondkind sehr froh, dass sie weiß, was sie heute Morgen im Labor
erwartet.
Es ist ein
relativ straffer Zeitplan. Im Labor muss eine neue Färbung auf den Weg
gebracht werden und Mondkind hofft, dass sie gegen 12 Uhr damit fertig ist und
während der Inkubationszeiten schon ein wenig zusammenfassen kann. Und dann hat
sie nur bis 18 Uhr Zeit, ehe sie aufbrechen möchte, um sich ein letztes Mal mit
ihren Kommilitonen zu treffen, bevor die ihr Staatsexamen schreiben.
Genau in dem
Moment als sich Mondkind auf ihr Fahrrad schwingen möchte, fängt es an zu
regnen, weshalb sie nochmal schnell die Jacken tauscht und wenig später wie ein
nasser Pudel im Labor ankommt – aber zumindest ihr Pullover ist trocken
geblieben, während die Hose an ihren Beinen klebt.
Normalerweise
stellt der MTA wenn er kommt als erstes die Präparate in den Wärmeschrank,
sodass die schon mal 20 Minuten von ihrer einstündigen Inkubationszeit absolviert
haben, wenn Mondkind das Labor betritt.
Heute hat er
das aber nicht getan, also würde Mondkind nicht um kurz nach halb 9, sondern
erst um 9 Uhr weiter arbeiten können.
Und auch die
erhoffte Ruhe hat sie in ihrer Inkubationszeit nicht, da das Labor im Moment
noch von zwei Biologie – Studenten mitbenutzt wird, die ihre Forschung für ihre
Bachelorarbeit bei uns machen dürfen.
Die reden
genauso gerne wie unser MTA und inmitten von drei Quasselstrippen und einem im
Hintergrund dudelnden Radio, wird das
nun doch nichts mit arbeiten.
Als nächstes
müssen die Proben durch die Alkoholreihe gezogen werden. Dort wurde die Inkubationszeit von 5 auf 6 Minuten verlängert
und um einen Schritt vermehrt, sodass wir nun sieben Pöttchen mit jeweils 6 Minuten
Inkubationszeit haben, was schon wieder eine ¾ Stunde dauert.
Und dann –
als Mondkind beinahe fertig ist mit ihrer Alkoholreihe, wird es plötzlich
dunkel im Labor und wenige Sekunden später fahren alle Geräte herunter und das
vertraute Summen erstirbt kläglich.
Stromausfall.
Das ist ein
bekanntes Problem im Labor – wenn nämlich der Autoklavierdienst nebenan zu
viele Maschinen gleichzeitig laufen lässt, ist die Sicherung überlastet und
fliegt raus. Seit dem Umzug im Februar ist das schon vier Mal passiert und heute
ist eben einer dieser Tage.
Jetzt würde
erst ein Techniker kommen müssen, um das Problem zu beheben und das kann schon
mal ein bis zwei Stunden dauern.
Nach der
Alkoholreihe müssen die Präparate gekocht werden und dafür braucht man… -
Strom.
Also kann
Mondkind erstmal gar nichts tun außer warten, einen Kaffee trinken und sich
überlegen, wie sie das heute alles noch bewältigen will, während immer mehr die
Panik in ihr hochsteigt. Eigentlich dürfte sie dann heute Abend nicht zu dem
Treffen gehen, wenn sie nicht fertig ist. Aber wahrscheinlich muss sie es
gerade deswegen tun.
Und der
Ehrlichkeit halber muss man schon erwähnen, dass Mondkind noch Glück gehabt
hat. Hätten im Moment des Stromausfalls die Präparate gekocht, hätte sie ganz
von vorn beginnen müssen.
Ganz so
lange dauert es nun nicht bis der Techniker kommt, aber eine halbe Stunde Zeit
geht dadurch auch nochmal verloren.
Nachdem die
Präparate dann gekocht, gewaschen und mit dem Antikörper versehen waren, ist es
leider schon 13 Uhr.
Gestern kam
die Luftpumpe an, die Mondkind bestellt hatte und auf dem Heimweg hat sie die
Idee, die doch zu Hause mal fix auszuprobieren.
Da sie aber
nicht so viel Ahnung von Fahrrädern hat und nicht genau weiß, was sie da nun
abschrauben muss (im Nachhinein kommt ihr der Verdacht, dass das Ventil
vielleicht gar keine Ventilkappe mehr besitzt), denkt sie, sie schraubt einfach
mal alles ab, was man da so abschrauben kann.
Keine gute
Idee. Wenige Augenblicke später fliegen ihr die Einzelteile des Ventils um die
Ohren und mit einem hoffnungslosen Seufzen verliert der Reifen auch seine
restliche Luft.
Shit… und
jetzt?
Vielleicht
hat sie das Ventil gerade eben so zerstört, dass man es gar nicht mehr würde
reparieren können? Auf jeden Fall würde sie die ganzen Einzelteile erst mal
wieder finden müssen. Nach einiger Zeit findet sie die dann schließlich auf der
Wiese unter dem nahe gelegenen Baum.
Okay… - also
Ventil wieder zusammen schrauben.
Vielleicht –
so kommt Mondkind die Idee – musst sie auch einfach gar nichts ab- oder
anschrauben und einfach nur die Pumpe drauf stecken. Nächster Versuch.
Vorsichtig
betätigt sie die Pumpe – nicht so wirklich in der Überzeugung, dass sich da
jetzt etwas tut.
Aber doch –
so langsam gelangt wieder Luft in das Rad.
Und die
bleibt sogar drin – auch als Mondkind die Pumpe vom Ventil zieht.
Der geneigte
Leser mag sich jetzt schlapp lachen über Mondkinds Unfähigkeit.
Auf jeden
Fall reicht es Mondkind für heute schon mal wieder. Denn dafür, dass das heute
einfach mal nur ein gewöhnlicher Tag mit einem netten Abend werden sollte – ohne große Aufregung – ist doch
schon wieder ganz schön viel passiert.
Und
irgendwie – kaum dass die Geschäftigkeit um sie herum aufhört – merkt sie, wie
die Schwere sich wieder auf ihr breit macht, die Müdigkeit, gegen die auch zwei
Tassen Kaffee heute nicht helfen und die Tatsache, dass sie auch endlich mal
etwas gegessen hat.
Sie ist
froh, dass sie heute Abend nochmal ein wenig Ablenkung hat, auch wenn sie nicht
so lange bleiben wird, weil ihr im Prinzip schon jetzt die Augen zufallen.
Alles Liebe
Mondkind
Kommentare
Kommentar veröffentlichen