Diese Abende
Samstagabend
Was mache
ich hier eigentlich?
Einsamkeit.
Mein Kopf
ist leer. Und gleichzeitig so unglaublich voll…
Der Wecker
musste heute Morgen bestimmt zehn Mal klingeln, um mich endlich aus dem Bett zu
holen. In die Küche gehen, Kaffee kochen, an den Schreibtisch setzen.
Es ist zum
Automatismus geworden. Insbesondere in schwierigen Zeiten das Einzige, das ich
machen kann. Einfach nicht denken. Und dennoch ist die Motivation auf die
Zusammenfassungen unterirdisch.
Wie habe ich
eigentlich früher meine Wochenenden verbracht?
An meinem
alten Wohnort.
Waren die
Wochenenden da auch so einsam?
Ich kann
mich schon gar nicht mehr so richtig daran erinnern. Ich glaube, ab und an
haben wir zumindest zusammen gegessen.
Und ich kann
mich erinnern – es gab diese Abende – die plötzlich gut waren.
Ich kann
mich erinnern – es war sehr selten – dass wir abends alle auf dem Sofa saßen
und irgendeinen Film geschaut haben. Mir ging es nicht so sehr um den Inhalt
und meistens bin ich ohnehin zwischendurch eingeschlafen.
Aber ich war
Teil einer Familie, zu der ich eigentlich nicht gehört habe. Das was sonst
immer zum Problem geworden ist, war für einen Augenblick nicht da. Und für den
Moment habe ich auch nicht darüber nachgedacht.
Wie ein Schwamm diesen Moment aufgesaugt, den ich mir auch mit meiner eigenen Familie gewünscht habe. Der aber schon seit Jahren nicht mehr zu realisieren war.
Wie ein Schwamm diesen Moment aufgesaugt, den ich mir auch mit meiner eigenen Familie gewünscht habe. Der aber schon seit Jahren nicht mehr zu realisieren war.
Es gab diese
Abende, an denen wir zusammen auf der Dachterasse gesessen haben und der Sonne
beim Untergehen zugeschaut haben.
Und im
Winter gab es die Abende, an denen wir alle vor dem Kamin saßen.
Es gab die
Stunden, in denen wir gemeinsam mit dem Hund draußen waren.
Ich kann
mich erinnern, wenn ich ungewöhnlich spät zur Uni musste, wurde ich manchmal
mit einer Umarmung und ein „Ich wünsche Dir einen guten Tag“ entlassen.
Und ich kann
mich erinnern, dass ich danach meistens ein wenig beschwingter zur
Bushaltestelle gelaufen bin.
Manchmal –
in einer stillen Stunde – frage ich mich, wie es weiter gegangen wäre, wenn ich
nach der Klinik nicht umgezogen wäre.
Hätte man
das schaffen können? Wie wäre es, wenn ich jetzt immer noch pendeln müsste? Ich
kann es mir momentan nicht mehr vorstellen, mir fehlt glaube ich noch viel
Kraft, aber wenn etwas gehen muss, dann geht es meist schon irgendwie.
War es eine
gute Idee, die Dinge zu entscheiden bevor ich überhaupt erst versucht hatte
wieder ein paar Wochen an meinem alten Wohnort zu verbringen? Nur weil ein
Ergotherapeut und ein Psychologe so unangenehm geworden waren, sodass ich doch
irgendwann unter Druck gesetzt wurde, etwas zu tun?
„Wenn Sie
nichts ändern wollen, können Sie ja gleich gehen.“
Das war die Argumentation
und auch dann hätte ich gleich weiter denken können, wie ich denn von dieser
Welt gehe. Denn wenn die Klinik nichts nützt und die mich da mehr oder weniger
raus schmeißen, dann weiß ich nicht, wie ich je die Kurve kriegen soll.
Der Wohnort
war das Hauptaugenmerk der Klinik. Und der Punkt, an dem man am meisten mit mir
gearbeitet hat. Man glaubte, das Leben dort würde mir nicht gut tun.
Wahrscheinlich, weil die Lebensform dort so ungewöhnlich war, dass die Leute in
der Klinik sich das gar nicht vorstellen können.
Ich weiß
nicht, wann dieser Punkt kam, an dem ich umgekippt bin. An dem ich von meinem
anfänglich betonten: „Ich möchte definitiv nicht umziehen“, abgerückt bin.
Nachdem der
Umzug dann in trockenen Tüchern war und ich wieder an der Uni war, war es dann
aber auch vorbei mit der Unterstützung.
Auftrag
erledigt. Mondkind wird ein besseres Leben haben, wenn sie umgezogen ist und
bis dahin gewähren wir ihr mal noch ein Dach über dem Kopf, denn wenn sie ein
paar Wochen zurück geht – so war die Überzeugung – kriegen wir sie ein paar
Wochen später genauso zurück, wie sie im April gekommen ist.
Nicht
bedacht hatte man übrigens, dass ich im April von meinem Elternhaus kam, wo ich
die halben Semesterferien verbracht hatte und nicht von meinem damaligen
Wohnort.
Für das
Angebot der Klinik war ich dennoch dankbar, denn in den Sommerferien gab es nur
Schienenersatzverkehr. Da hätte ich es gar nicht geschafft von meinem Wohnort
zur Uni und zurück.
Ansonsten
wäre ich gern nochmal zurück gegangen. Um mich in Ruhe emotional von dieser
Situation dort zu verabschieden.
Ich frage
mich manchmal, ob ich mir hier in meiner Studienstadt nicht mein eigenes Grab
geschaufelt habe. Vielleicht ist es auch nur, weil mir das zweite Staatsexamen
wie ein Ding der Unmöglichkeit vorkommt, aber irgendwie sehe ich mich niemals
im weißen Kittel mit Stethoskop über den Hals über die Krankenhausflure rennen.
Vielleicht, weil das einfach nie stattfinden wird.
Alles Liebe
Mondkind
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