Tag 50 / 116 Niere II und Erkenntnisse aus der Ambulanz



Wow... Tag 50 schon.... wie die Zeit rennt. Kann sie nicht bitte einmal kurz stehen bleiben? Nein im Ernst - ich hätte nie gedacht, dass die Tage wirklich so schnell an mir vorbei fliegen.

Ich habe das Kapitel für heute fertig gelernt und gekreuzt. Am Ende war es irgendwie schwierig mit den Fragen, aber eigentlich lief es ganz gut. Obwohl manche Dinge echt ein bisschen schräg sind, das muss ich schon sagen. Woher soll ich jetzt wissen, dass ein Patient mit einem akuten Abdomen (und in der Frage stand eindeutig nichts von gürtelförmigen Schmerzen) und erhöhten Entzündungsparametern (und da stand auch nichts von Lipase oder Amylase oder irgendetwas) eine akute Pankreatitis haben soll? Mit den Angaben kann der Patient ungefähr alles haben.
Eigentlich muss ich noch den Tag von gestern wiederholen, aber ich bin so durch. Ich denke, ich werde nur noch gelbe Kästen lesen und das morgen mit machen. Da muss ich nicht so viel von heute wiederholen, weil der Tag heute eigentlich größtenteils Wiederholung hätte sein sollen.

Heute Nachmittag war meine Schwester noch da und hat mir die Unterlagen gebracht, die ich nächste Woche für sie in die Uni trage. Ich hoffe, das funktioniert dann auch. Eigentlich muss man da seinen Personalausweis vorzeigen, den sie mir jetzt zumindest kopiert hat, aber dennoch…
Irgendwie war ich wirklich froh, sie mal wieder zu sehen… 

Und im Labor (dort war ich heute nur kurz zum Drucken... und zum Tee trinken... ;)  ) habe ich eine Ermahnung bekommen, wo denn die Unterlagen für die Grafikerin bleiben. Ich hatte gehofft, das fällt nicht großartig auf... da muss ich jetzt mal schauen, wo ich das noch einbaue.

Heute Morgen war ich in der Ambulanz. Das ist heute zumindest von der Organisation her gut gelaufen, das Resultat ist dann aber doch eher ein wenig ernüchternd.
Die Arzthelferinnen in der Ambulanz telefonieren aber echt zu viel… ;) Was man da so alles mitbekommt… Ich habe heute Morgen einen neuen Arzt durch die Ambulanz hüpfen sehen… - das ist dann wohl der Nachfolger von meiner Ärztin und ich werde mich folglich demnächst mit ihm auseinander setzen dürfen.
Jedenfalls telefonierte die Arzhelferin mit irgendwem und hat der Person am anderen Ende der Leitung gleich mal erklärt, dass man bisher natürlich noch nicht so viel sagen könne, dass er aber erstmal ganz sympathisch wirke. Außerdem sei er vor zwei Jahren schon mal ein paar Monate da gewesen – kenne die Ambulanz also in ihren groben Zügen. Die letzten zwei Jahre (warum wohl zwei – eigentlich braucht man für den Facharzt nur Eines?), habe er dann aber auf der Neurologie verbracht.
Aha… na da haben wir ja ein Gesprächsthema wenn es mal hakt, würde ich sagen.
Ich hoffe jedenfalls, dass ich mit ihm beim nächsten Termin dann mal über die Medikamente verhandeln kann… - vielleicht lässt sich ja etwas machen.

So… ich versuche es jetzt noch irgendwie mit dem Script… es darf nicht immer an der Wiederholung scheitern…

***
„Mondkind, Du müsstest jetzt mal langsam Deine Themen anbringen…“, denke ich mir. „Auch wenn es unhöflich ist und Du ihr ziemlich dazwischen grätschst.“
Um den Termin positiv zu beginnen hatte ich angemerkt, dass ich eine Freundin besucht hatte, um ihr bei Bio zu helfen und dass ich es zwischendurch sogar trotz Stress ein bisschen schön fand. Sie hat dann gefragt, wie genau ich mich dabei gefühlt habe, ob es mir in der Zeit „drum herum“ auch gut ging. Hier musste ich dann zugeben, am Dienstag ziemlich gerädert vor dem Schreibtisch gesessen zu haben und so langsam driftete die Stunde schon wieder in die Thematik „soziale Kontakte“ ab. 

„Ich hätte da heute nochmal ein Thema mitgebracht“, hake ich ein paar Minuten später ein, als man den Besuch bei meiner Freundin mit viel Wohlwollen abhaken kann.
Darauf lässt sie sich dann auch ein.
Ich habe ihr von den drei Teilen in mir erzählt, was hier auf dem Blog in den letzten Tagen auch schon mal Thema war. Im Moment ist es so, dass „Überich“ und „Ich“ so sehr mit dem Examen beschäftigt sind, dass „es“ sich da ziemlich ungehindert in meinem Kopf breit machen kann.
Im Prinzip geht es darum, dass ich immer noch keine Ahnung habe, wie eine gangbare Zukunft für mich aussehen kann. Mir ist klar, dass ich es alles irgendwie hinbekommen kann, weil es am Ende immer irgendwie geht. Mir ist auch klar, dass ich mit dem Studium so allmählich auf die Zielgerade einbiege, so lange in und für dieses Studium gelitten habe und es jetzt auf jeden Fall auch zu einem Ende bringen möchte. Ich kann mir sogar vorstellen, mit der Medizin glücklich zu werden – aber nur dann, wenn ich sie nicht missbrauche, um mich darin zu ertränken, im PJ regelmäßig Samstags auf der Stroke – Unit stehe und wahrscheinlich generell zu lange bleibe, um mich selbst nicht aushalten zu müssen. 

Für „Überich“ ist sehr klar, wie der Weg weiter geht, aber „es“ rebelliert – eher nicht besonders konstruktiv, aber was es möchte ist klar: Es möchte so einfach nicht weiter machen. Es möchte nicht beim nächsten großen Umbruch in ein paar Wochen wieder übergangen werden, es möchte nicht an einen neuen Ort gesteckt werden, an dem es dann mal zurecht kommen soll. „Es“ möchte einfach irgendwann mal glücklich werden und „es“ hat auch eine Ahnung davon bekommen, dass das auch für mich geht. Im letzten Sommer. Ich lebe manchmal derzeit mehr dort in der Vergangenheit, als in der Gegenwart. 

„Manchmal haben Klinikaufenthalte auf den ersten Blick auch erstmal negative Auswirkungen, auch wenn ich denke, dass es im Endeffekt gut für Sie ist, weil es Ihnen klar gemacht hat, dass sie so nicht glücklich werden“, merkt die Therapeutin an. 

Jedenfalls… - das ist so der generelle Streitpunkt in mir momentan. Ich weiß, wie es weiter gehen muss, aber ich persönlich kann mir das einfach nicht vorstellen und ich kann mich auch nicht mehr selbst übergehen. Das Problem ist nur, dass ich keine Ahnung habe, was „es“ so richtig will. Glücklich werden – okay, aber das ist jetzt mal weit gefasst.
Was möchte ich überhaupt? Wie kann man das wissen, wenn man jahrelang nur für die Leistung gelebt hat ohne zu wissen, ob man da überhaupt dahinter steht? Ich habe halt manchmal Angst, dass das dann auch zu arg ins Gegenteil abrutscht – wir sind nun mal eine Leistungsgesellschaft; da muss man schon gewisse Anforderungen erfüllen.
Ich könnte nicht sagen, dass ich verreisen will, weil ich weiß, dass das für mich derzeit nicht funktionieren würde. Ich könnte auch nicht sagen, dass ich im Moment auf dem Pferd sitzen möchte, oder Keyboard spielen oder schreiben möchte. Ich habe wirklich Angst, dass das in die Lethargie abrutscht, wenn dieser Zwang etwas tun zu müssen, nicht mehr dahinter steht.
Und dann ist es so, dass ich auch das Gefühl habe, dass etwas falsch läuft, wenn es mir mal gut geht. Denn Spaß haben darf man erst, wenn alles erledigt ist und gerade im Moment ist nie alles erledigt. Wenn das Examen vorrüber ist, steht die Doktorarbeit wieder im Fokus – so gesehen dürfte ich nie glücklich werden.

Und das macht mich im Moment alles so ohnmächtig – das ist wie so eine Wand, die da vor mir steht.

Die Therapeutin hat verstanden, was ich ihr da eigentlich mitteilen wollte und meinte, dass das jetzt natürlich sehr ungünstig ist, dass es vor dem Examen hochkommt – was aber nicht ungewöhnlich sei.
Wie wir – oder ich – daran gehe(n), ist jetzt die große Frage. Sie ist da genauso ratlos wie ich. Eine Möglichkeit – und da würde sie auch voll und ganz dahinter stehen – wäre es, tatsächlich nochmal einen Klinikaufenthalt vor dem PJ einzuschieben. Da müsste man sich mal genau überlegen, was das bringen soll – vielleicht kann man nochmal diese neuen „Muster“ auffrischen, die jetzt mit dem Lernplan natürlich verständlicherweise völlig unter gehen. Vielleicht kann man die Zeit auch nutzen um zu überlegen, was ich für mich selbst wirklich will. Wo die Reise hingehen soll. Was Einflüsse von außen sind, die ich vielleicht auch übernehmen kann und was Ansprüche sind, die ich nicht übernehmen möchte und ob da nicht doch eigene Ideen sind, die ich mich kaum traue mir selbst gegenüber zu äußern.
Ich fand es heute – obwohl ich es ja selbst schon in Erwägung gezogen hatte – sehr schwierig über das Thema Klinik zu reden, weil ich es gern nochmal versuchen würde, aber genau weiß, dass es eigentlich echt nicht drin ist. Andererseits leben wir dieses Leben und jeden Tag nur ein Mal und ich habe so viel Zeit in den vergangenen Jahren damit verschwendet nicht das zu tun, das ich für mich möchte, was halt irgendwann darin mündete, dass ich heute gar nicht mehr weiß, wer ich bin und was ich möchte.
Wieso sollte ich nicht so schnell wie möglich versuchen das zu ändern? Klar – es gibt immer einen besseren Zeitpunkt, aber man kann auch immer irgendetwas daraus machen. Der Klinikaufenthalt im letzten Frühjahr kam mir auch nicht gelegen – das Examen war ja schon angemeldet und die Vorbereitung in vollen Zügen und trotzdem habe ich irgendetwas daraus gemacht.

Jedenfalls… - sie meinte, es wäre in jedem Fall eine Option, da muss man dann überlegen, ob ich nochmal auf die alte Station möchte, ob ich es auf einer anderen Station versuchen möchte oder ob ich in die Psychosomatik möchte.
Wobei die mich nicht innerhalb von ein paar Wochen in der Psychosomatik unter bekommen werden, von daher fällt das meiner Meinung nach raus, aber wer weiß… - wenn die da untereinander herum telefonieren…
Das Ding ist halt nur: Wie organisiert man das wieder? Ich glaube, man müsste mit dem LPA telefonieren und dann muss man einen Antrag stellen und so weiter und so fort. Je weiter das Studium fortschreitet, desto schwieriger wird das alles. Und ich würde halt wieder Zeit verlieren.

Am Ende meinte sie zu mir, dass das ein richtig schwieriges Thema sei und sie auch meine Verzweiflung dahinter nachvollziehen könne und sie fragte mich, ob sie mich jetzt so gehen lassen kann. Und ja es ist schwer – vor allen Dingen, wenn man dann alles hochholt, aber mir ging es besser, als nach manch anderem Termin, eben weil wir heute darüber gesprochen haben.

Wir mussten heute neue Termine machen – wir machen das immer rund einen Monat im Voraus. Das ist immer der Moment, in dem ich richtig Angst bekomme. Was passiert, wenn sie jetzt die nächsten drei Wochen keine Termine hat, weil schon alles voll ist oder sie im Urlaub ist? Das ist der einzige Nachteil an der Ambulanz – da ist nicht viel mit Regelmäßigkeit.
Das bestätigte sich dann auch wieder, als sie in ihren Plan schaute. „Was ist denn nächste Woche los?“, fragte sie sich, als sie vor ihrem PC saß. „Wann soll ich das denn alles machen?“. Das würde mich ja so nerven, meinen Terminplan nicht alleine machen zu dürfen…
Jedenfalls… in der Woche danach sieht es auch nicht besser bei ihr aus. Sie hat sich dann aber sehr viel Mühe gegeben, da noch einiges herum zu schieben und meinte dann: „Eigentlich hätte ich da etwas anderes vor, aber dann mache ich das zu einem anderen Zeitpunkt.“ Ich hatte wirklich ein schlechtes Gewissen und bedankte mich fünf Mal bei ihr, dass sie sich da solche Mühe gibt, aber sie hat mich jetzt bis März wieder im wöchentlichen Abstand irgendwie dazwischen geschoben.
Zwar sind die Zeiten dann nicht immer so günstig wie das in den letzten Wochen der Fall war, aber das ist dann eben so. Ich bin schon sehr, sehr dankbar, dass es überhaupt klappt. 
 
Und so im Endeffekt weiß ich jetzt nicht, wie es weiter geht. Ich könnte mit denen verhandeln, ob nicht vielleicht auch erstmal vier Wochen Klinik reichen, dann könnte ich das zwischen Examen und PJ stecken. Obwohl ja über die Entlassung am Ende die Stationsärzte entscheiden und die werden sicher nicht begeistert sein, wenn ich denen nochmal ein Datum vorgebe, bis wann ich raus sein muss. Und es macht ja auch mir selbst Druck und einige Themen werden dann wieder hinten runter fallen, weil ich befürchte, dass man mich nicht gehen lassen kann, wenn die einmal ausgepackt, aber nicht fertig bearbeitet sind. Und außerdem müsste ich ja nebenbei noch organisieren, dass mein Zimmer hier untervermietet wird.
Aber jetzt nochmal ein halbes Jahr verlieren…? Auf der anderen Seite ist es eine berechtigte Frage, wie das denn bald gehen soll, wenn ich bisher ein Mal in der Woche die Ambulanz brauche. Und das ist ja nicht nur mein Eindruck – die Therapeutin schmeisst ja nicht für jeden ihren Terminplan über den Haufen, dann könnte sie ja gleich in der Ambulanz zelten.

Ich weiß es einfach nicht. Und damit hören wir auf für heute… 

Alles Liebe
Mondkind

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