Tag 56 / 116 Infektionserkrankungen III / Gedanken zum Thema Verantwortung
Mein Kopf schmerzt so sehr, dass ich kaum noch
meine Augen bewegen kann. Kennt das jemand? Es reicht auf jeden Fall für heute
definitiv – auch wenn ich nicht so weit bin, wie ich gern sein würde.
Ich bin echt völlig durch und es ist nicht mal 20
Uhr. Ich versuche jetzt kurz Pause zu machen und dann noch ein bisschen
Wiederholung rein zu bekommen.
Denn bisher lief der Tag eigentlich irgendwie.
Heute Morgen war ich kurz im Labor. Heute stand ein Frühstück mit den
Mitarbeitern an und der MTA hat mir angeboten, dass ich auch kommen darf, aber
das hätte meinen Plan ja noch weiter aus den Fugen gebracht. Mal abgesehen
davon wären dann vielleicht wieder neue Ideen hochgekommen, die ich mal schnell
umsetzen soll… darauf habe ich dann mal verzichtet.
Dann war ich in der Ambulanz und danach bin ich
schnell in die Stadt gefahren, um ein paar Dinge zu erledigen. Die Zeit habe
ich wirklich super genutzt, denn am Ende war ich fünf Minuten nach Beginn der
Abgabezeit in der Kinderklinik und habe die Zettel meiner Schwester abgegeben.
Anschließend bin ich schnell nach Hause geradelt und saß
halb 12 endlich mit einem Kaffee an meinem Schreibtisch, habe noch eine Mail geschrieben und dann so schnell es
ging angefangen, die Parasiten und Würmer durchzuarbeiten. Und da ich bei der
Zusammenfassung schon keine Lust auf das Thema hatte, habe ich dazu nicht mal
eine Dokument erstellt… Da habe ich heute zumindest mal festgestellt,
wie nützlich die sind.
Am Ende… - so drei Seiten vor Kapitelschluss bin
ich über folgenden Hinweis gestolpert…
Okay... dann war es das mal für den Rest des Kapitels... ;) |
Das war dann für mich das Signal, das jetzt sein zu
lassen und zu kreuzen.
Auch das habe ich im Endeffekt also auch noch geschafft –
okay, mir fehlen drei Fragen, aber es ging wirklich gar nicht mehr und ehe ich
mich dann ärgere, weil ich alles falsch mache…
Wie gesagt, bisher lief es wirklich gut, jetzt muss
aber eigentlich noch die Wiederholung ran.
Ich überlege, wie ich morgen weiter mache. Ich
könnte dieses Elektrolyt – Kapitel einschieben – dann wäre morgen trotz
Zettelabgabe ein entspannter Tag. Aber wenn ich bedenke… Freitag muss ich auch
an die Uni und einkaufen und dann muss ich das Mathebuch noch zu meiner
Freundin bringen und wie ich sie kenne wird das am Montag wieder abends um
22:30 Uhr in einer Kuchenback – Aktion enden… Da brauche ich den Tag noch…
Vielleicht fange ich auch an mit Gyn, darin müsste ich
ja eigentlich noch halbwegs fit sein…Mal sehen, wie es mir morgen früh geht. Meine körperliche Verfassung könnte im Moment echt besser sein.
Zum Thema Ambulanz heute...
Da ging es noch mal eine Menge um die Familie.
Gerade in den letzten Tagen hat mich das immer wieder beschäftigt. Meine Mama
ist nun mal ziemlich krank, wird über kurz oder lang definitiv auf Hilfe
angewiesen sein und deshalb kommt es mir oft so vor, dass ich meine Mama und
meine Schwester dort im Stich gelassen habe.
In den Grundzügen hat meine Therapeutin schon
irgendwie Recht. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Das Eine sind
Schicksalsschläge, wie die Erkrankung, aber das Andere ist die Frage, wie man
damit umgeht. Ob man alles verdrängt, so tut als ob nichts sei, obwohl man
offensichtlich schon kaum noch den Haushalt schafft. Es ist eine Entscheidung,
ob man medizinische Hilfe weitestgehend ablehnt, weil man so tun möchte, als
habe man sein Leben perfekt im Griff, oder ob man sich zum Arzt bewegt und sich
eingesteht manchmal Hilfe zu brauchen, dafür aber die Lebensqualität steigern
zu können.
Es ist auch eine Entscheidung, wie man mit
Krankheit in Gegenwart der Kinder umgeht. Ob man hofft, dass sie irgendwann von
selbst drauf kommen und ein paar Hinweise verteilt, oder ob man damit offensiv
umgeht und planen kann, wie man für alle Beteiligten trotzdem die optimale
Lebensqualität heraus bekommt.
Und dann haben all diese Entscheidungen immer noch
nichts damit zu tun, wie man sich sonst gegenüber seinen Kindern verhält.
Dieses Telefonat zum Beispiel letztens war komplett unnötig. Ich lege hier
nicht die Füße hoch.
Jeder Mensch trifft die Entscheidungen selbst. Das
ist nicht immer einfach. Manche davon erfordern viel Mut. Erfordern es, über
den eigenen Schatten hinweg zu springen. Einzusehen, dass man sich gewisse
Dinge anders vorgestellt hätte, aber man jetzt aus der Realität das Beste
machen muss.
Ich möchte nicht sagen, dass es mir leicht fällt,
solche Entscheidungen zu treffen. Auch ich hadere gerade im Moment sehr. Warum
muss es mir passieren, dass ich ohne die Ambulanz nicht zurecht komme? Warum
habe ich es nicht geschafft, dieses „perfekte Leben“, das in unserer Familie so
eine große Rolle gespielt hat, mit zu vertreten? Warum musste ich dieses halbe
Jahr verlieren? Hätte ich es nicht doch schaffen können? Und wie geht es für mich weiter? Ist es wirklich zu viel nochmal intensive Hilfe anzunehmen und nochmal ein halbes Jahr zu verlieren? Was überwiegt da mehr für mich? Das Pflichtbewusstsein oder mein eigenes Ich?
Aber letzten Endes machen uns die Entscheidungen zu
dem was wir sind und sie spiegeln auch, wie andere Menschen mit uns umgehen.
Meine Mama sitzt im Prinzip an der Quelle. Ich kenne ein Krankenhaus, in dem
sie sehr gut aufgehoben wäre, um endlich mal die Medikamente vernünftig
einzustellen. Ich müsste nur den Oberdoc fragen. Aber das ist ihre
Entscheidung. Es steht mir nicht zu, ihr das abzunehmen. Ich kann es ihr nur
anbieten.
Und wenn sie meint, dass es ihr so besser geht,
dann ist das okay. Aber dann ist es nun mal nicht in meiner Verantwortung, was in
meinem Elternhaus alles funktioniert oder eben auch nicht.
Einen Fehler – wenn man das so sagen kann – hätte ich
nur gemacht, wenn ich nie meine Hilfe angeboten hätte.
Ich habe heute auch überlegt, ob ich das Thema „Abhängigkeit
von der Ambulanz“ anspreche. Das Ding ist nur: Wenn es ein Mal gesagt ist, dann
ist es raus. Und ich habe keine Plan, wie die auf so etwas reagieren.
Vielleicht kommt es öfter vor, als man meint. Vielleicht sehe ich das etwas zu
kritisch, weil ich so wütend auf mich selbst bin, dass ausgerechnet mir das
passiert ist, wo ich doch weiß, wie Psychotherapie funtioniert und wo die
Fallstricke liegen.
Ich habe nur die Befürchtung, dass die mich dann
definitiv die acht Monate weg schicken wollen. Und ich weiß wirklich noch nicht,
ob ich das möchte.
Ich habe aber beschlossen, dass ich erst mal einen
guten Freund dazu befrage, wie er damit umgehen würde und ob er eine Idee hat,
wie man das am Besten lösen kann. Er ist in der Materie drin, von daher kann
ich von der Seite auch einen kompetenten Standpunkt erwarten. Die Mail habe ich
heute schon los geschickt… gesehen haben wir uns auch ewig nicht mehr; das
könnte man mit Sicherheit verbinden, aber ich denke wir haben leider beide wenig Zeit…
- Fluch der Mediziner… ;)
Dann werde ich es eventuell nächste Woche versuchen
in der Ambulanz anzusprechen.
Alles Liebe
Mondkind
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