Tag 64 / 116 Auge II und die Ambulanz
Chaos.
In mehreren Hinsichten…
In meinem Zimmer sieht es aus… mit dem ganzen
Theater mit meinem Vater habe ich tagelang nicht mehr aufgeräumt und die Wäsche
hätte eigentlich schon längst gemacht sein müssen. Ich hätte mal Staubsaugen
müssen und mal Ordnung in meine Unterlagen bringen müssen. Keine Ahnung, ob ich
hier überhaupt noch mal etwas wieder finde.
Aber auch in meinem Kopf herrscht Chaos.
Den Termin heute bei der Grafikerin nach die
Ambulanz zu legen war wirklich nicht sehr schlau. Ich wollte eigentlich nur an
meinen Schreibtisch und einfach nur ein paar Zeilen verfassen. Das Chaos
irgendwo ablegen, zur Seite legen, nicht mehr darüber nachdenken, zumindest für
den Moment.
Bezüglich Doktorarbeit – aber das ist bei den
aktuellen Ereignissen eher nebensächlich – werde ich wohl sämtliche Schnitte
von vorne mikroskopieren dürfen. Und ganz im Ernst: So bescheuert wie sich das
auch anhören mag… - es macht mich gar nicht so traurig. So kann ich mich
zumindest irgendwie ablenken zwischen Mitte April und Mitte Mai.
Ich habe es heute geschafft das Problem mit der
Ambulanz anzusprechen. Ich habe mir sogar noch sehr viele Gedanken gemacht, wie
ich das verpacke.
Und ich entschuldige mich schon jetzt, dass es extrem negativ wird.
Ich habe erklärt, dass es viele Dinge gibt, die man bei dem PJ
bedenken muss. Zum Beispiel die Frage, ob ich die Doktorarbeit so lang allein
lassen möchte. Oder ob ich meine Freunde zurück lassen möchte. Aber ein
Hauptpunkt den ich bedenken muss, ist die psychotherapeutische Betreuung und
die Frage, ob ich alleine zurechtkomme.
Ich habe erklärt, dass ich im Moment sehr dankbar
für die Termine bin, auch wenn es für mich viel Aufwand bedeutet. Die Termine
stressen mich nicht weniger als andere Termine und dennoch überwiegt in dem
Fall derzeit der Nutzen.
Natürlich ist das immer so die Frage, wie es sein
kann, dass ich auf der einen Seite mein Examen mache und auf der anderen Seite
nicht zurechtkomme. Wobei nicht zurechtkommen falsch ist. Ich sehe einfach
keinen Sinn in meinem Tun, keine Zukunft. Ich sehe nicht, dass die Tage
irgendwann weniger schwer werden und ich weiß einfach nicht, warum ich mir das
noch jahrelang antun soll, wenn es so bleibt.
Und insofern ist die Ambulanz einfach ein
Streckenposten, eine Wegbegrenzung, die die Unendlichkeit der Zeit nimmt. Und
sie vermittelt auch ganz viel Sicherheit.
Natürlich ist mir klar, dass die Ambulanz nicht der
ausschlaggebende Punkt hinsichtlich der Entscheidung sein sollte von hier weg
zu gehen oder nicht, aber es ist einfach zu überlegen, wie ich das anstellen
soll. Wie es klappen kann. Und natürlich ist es für mich auch eine Belastung,
dass es alleine eben nicht so recht funktioniert.
So viel zur Vorrede… ich habe es echt mehr oder
weniger auswendig gelernt.
Ihre Reaktion auf die ganze Sache war, dass ich
halt definitiv da runter gehen soll und wir dann jetzt eben anfangen
müssen, die Termine zu strecken. Bloß gut haben wir für den Februar schon
Termine gemacht, aber ab März dann.
Ganz im Ernst: Sehe das nur ich so? Das ist so
einfach das Ungünstigste, das man jetzt tun kann. Jetzt vor dem Examen habe ich
einfach keinen Kopf und keine Kapazitäten dafür.
Und es kann auch nicht der Weg sein, einfach die
Termine zu reduzieren. Sollte man sich nicht Gedanken machen, wie ich es
erreichen kann, dass es mir besser geht, sodass ich das irgendwann nicht mehr
brauche? Es kann doch nicht der Sinn sein, dass ich im Sommer wieder ohne alles
da stehe.
Sie meinte dann, dass ich ja ab März ohnehin nicht
mehr so viel Zeit habe… Was ist denn das für eine Aussage… ? Ich habe auch
jetzt keine Zeit und ich sitze da mit Sicherheit nicht, weil ich Langeweile
habe…
Ich habe einfach gar keine Ahnung, wie das weiter
gehen soll. Zwischen Examen und PJ könnten wir dann ja noch mal einen Termin
legen meinte sie. Ich will noch gar nicht wissen, was alles passieren wird,
wenn dieser tägliche Druck und Zwang hier weg fällt, aber ich habe im Gefühl,
dass ich dann nicht fröhlich am See liegen werde und den Sommer genießen werde…
und leider – ich wünschte es wäre anders – kenne ich mich mittlerweile und
weiß, dass es immer so endet. Die Rettung – siehe oben – wird wohl das Labor
sein…
Ich bin einfach komplett überfordert mit mir selbst
und das war jetzt einfach nicht Ziel der Aktion. Und das ist es eben - man hat
hinzunehmen, was die da entscheiden. Ich kann da nichts gegen sagen und jetzt
ist es raus und jetzt ist das der Weg.
Ich bereue es wirklich so ehrlich gewesen zu sein.
Es soll ja theoretisch gut sein. Und nachdem das in der Psychosomatik so gut
geklappt hat, war ich etwas ermutigt, dass es so schlimm vielleicht gar nicht
wird. Tja… falsch gedacht.
Letzten Endes hat mir die Ambulanz ein bisschen Zeit
verschafft. Und natürlich hatte ich immer die Befürchtung, dass es eines Tages
so endet, wie es das jetzt eben tut. Denn dass es keine Dauerlösung ist, das
ist logisch. Ich habe die Zeit gehabt irgendwie zu versuchen, etwas zu reißen.
Dafür zu sorgen, dass es mir irgendwann mal besser geht.
Geschafft habe ich es nicht. Vielleicht kann man
auch langsam einfach nichts mehr tun. Ich bekomme die Schwere nicht runter von
den Tagen – ich weiß nicht mal so recht, warum sie überhaupt da ist. Ich weiß, dass
das im Prinzip alles nicht mehr so viel bringt. Nochmal Klinik würde glaube ich
im Moment nichts nützen und die Ambulanz trägt mich lediglich über die Zeit.
Und irgendwie wird es auch Menschen geben müssen,
die durchs System fallen. Vielleicht ist es einfach zu lange, wenn man das
alles ein halbes Leben schon mit sich herum schleppt. Wenn man das, was die
anderen um einen herum gelebt haben zwar mitbekommen hat, aber es selbst nie
leben konnte. Und vielleicht – wenn man so viele Wege gegangen ist und so viel
verändert hat – denn nach dem letzten Jahr kann man nicht mehr behaupten, dass
ich es nicht versucht hätte und nicht viel ausprobiert hätte – und es trotzdem
nichts genützt hat - ist es einfach okay, wenn es irgendwann vorbei ist. Es ist
nicht so, dass ich mir wünschen würde, dass es so endet. Ich glaube, niemand
will das wirklich. Aber ich sehe einfach absolut keinen Weg gerade…
Kann mir jemand erklären, wie ich jetzt noch mein
Kapitel fertig bekommen soll…???
Mondkind
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