Tag 62 / 116 HNO II, Familie und Abhängigkeiten



Kinderlachen, das zwischen den Häusern der Siedlung hallt.
Hundegebell.
Vögel.
Die Sonne, die mein Zimmer gleich viel heller macht.
Wenn es nicht so kalt wäre, könnte man beinahe von den ersten Ausläufern des Frühlings reden.
Mein Hirn interpretiert das schon so. Es ist diese Wand zwischen der Welt und mir, die jedes Jahr im Frühling noch ein bisschen präsenter wird, als sie ohnehin schon ist.
Dieses Paradoxon zwischen den Menschen, die es wieder vor die Tür zieht und den Blumen, die wieder anfangen zu wachsen und den Vögeln, die wieder zurück kommen und mir, die sich dadurch noch mehr entrückt fühlt, als ich das ohnehin schon tue.
Wie kann etwas, das für einige so schön ist, sich für andere so schwer anfühlen?

Ich war heute morgen trotzdem einigermaßen im Rennen. Der Plan war auch heute ein wenig vorzuarbeiten, denn morgen wollte ich schon das halbe Kapitel von Donnerstag schaffen, weil da wohl nicht sehr viel werden wird. Da muss ich ja zur Ambulanz und zur Grafikerin – da wird so viel Zeit für drauf gehen…

Zwischenzeitlich war ich dann kurz einkaufen und im Anschluss habe ich ein wenig gekreuzt. Parasiten, Würmer und Protozoen waren heute dran (zwischendurch wurde mir dann klar, dass man gewisse Themen nicht kreuzen sollte, während man einen Kaffee trinkt…)
Dass wir anhand eines Blutausstriches genau beurteilen können müssen, um welche der vier Arten von Malaria es sich handelt und in welchem Entwicklungsstadium sich die Viecher befinden, finde ich ja schon arg grenzwertig.
Ob das wohl als Berufsanfänger eines der wichtigsten Dinge ist, die man können muss… ?
Aber dann auch noch alles über so Tropenkrankheiten wie Kala – Azar… Also wenn ich auf der Station für tropische Erkrankungen an der Universitätsklinik anfangen möchte zu arbeiten, kann ich mich darüber ja immer noch bilden…
Naja, da nützt alles Jammern nichts – ich werde es wiederholen müssen

Anschließend wollte ich eigentlich nochmal mit dem Script durchstarten – aber das Thema mit meinem Vater bevorzugte es in meinem Hirn herum zu spuken. Vielleicht ist es ziemlich absurd, aber manchmal denke ich mir, dass der Auslöser ja auch ich mit meinem Klinikaufenthalt gewesen sein könnte. Von der Seite kam eigentlich keine Kritik, aber man weiß es ja nicht. Seine Freundin hat sich sehr rührend um mich bemüht und andersherum ist das bei Papa und ihren Kindern nicht so der Fall und vielleicht birgt das ja Konfliktpotential.
Statt zu Lernen habe ich dann eine Mail an seine Freundin zusammen gezimmert und meine Lage erklärt. Freundlich natürlich… - obwohl ich manchmal schon glaube, dass man ruhig mal fragen könnte, warum man hier konstant als Fußabtreter genutzt wird.

Sie hat dann nach ein paar Stunden auch zurück geschrieben und meinte, dass sie sich seit Sonntag auf dem Weg der Besserung befinden, auch wenn es noch Zeit braucht. So so, seit Sonntag. Heute ist Dienstagabend…da wurde wohl jemand vergessen. In erster Linie bin ich einfach wirklich erleichtert. Zwar scheint es noch nicht okay zu sein, aber es sieht zumindest gut aus. Da habe ich mir jetzt mal weitere Kritik gespart. Das können wir dann wann anders besprechen (oder besser gesagt nie… - ich fürchte, darauf wird es hinaus laufen).

Jedenfalls… Pensum nicht geschafft; morgen warten 50 Seiten… wie soll das gehen???

Und ich muss mir morgen auch noch Gedanken wegen der Therapiestunde am Donnerstag machen. Wahrscheinlich werde ich die Familiensache wirklich raus lassen – das regelt sich ja jetzt; auch wenn man schon überlegen könnte wie ich das anstelle, in Zukunft nicht mehr ständig da mit hinein gezogen zu werden.
Wichtiger ist aber erstmal die Sache mit dem PJ. Ich habe vor ihr klar zu machen – bisher hat sie das nämlich glaube ich wirklich nicht verstanden – dass es natürlich einige kleinere Überlegungen wie Freunde oder die Doktorarbeit gibt, die mich zögern lassen so lange weg zu gehen. Das Hauptproblem ist aber ehrlich gesagt, dass ich derzeit ein Leben ohne die Ambulanztermine schlicht für nicht machbar halte. Mit den Terminen geht es irgendwie, aber ich glaube, wie sehr ich mich von Punkt zu Punkt hangele, ist ihr gar nicht klar.
Jetzt gibt es da ja verschiedene Ansichten… - der Psychosomatiker fand das im Dezember ja gar nicht so schlimm – im Gegenteil, er konnte das sogar vor meinen Hintergründen nachvollziehen.
Bei ihr weiß ich aber, dass sie das kritischer betrachtet. Irgendwann haben eine potentielle neue Therapeutin und sie mal miteinander gesprochen und die „neue“ Therapeutin, die es dann nicht geworden ist, hat mir erzählt, dass sie ihr erzählt habe, dass ich mich ja schon ganz schön lange mit irgendwelchen Institutionen herum schlage und dass sie von therapeutischer Seite bloß aufpassen solle, dass es da nicht zu einer Abhängigkeit kommt.
Warum sie mir das erzählt hat weiß ich nicht, aber damit dürfte zumindest klar sein, dass sie das auch als vorrübergehenden Zustand nicht akzeptiert.
Ich habe jetzt absolut keine Idee, wie sie darauf reagieren wird. Eine Freundin meinte zu mir, dass es ja reichlich bescheuert wäre mir jetzt das wegzunehmen, das mir im Moment das Überleben sichert, aber meine Befürchtung ist einfach, dass die mich dann sozusagen auf „kalten Entzug“ setzen wollen und mich definitiv die acht Monate da unten haben wollen.
Und deshalb drücke ich mich seit Mitte Dezember darum, das Thema anzusprechen. Mal schauen, ob mir das am Donnerstag gelingt… auf jeden Fall denke ich da auch schon die ganze Woche drüber nach und ich glaube, es würde mir ernsthaft besser gehen, wenn ich es einfach mal raus haue…

So… ich werde jetzt noch versuchen das erste Lernpakt im Schnellverfahren zu wiederholen. Meine Schwester hatte mir erklärt, HNO sei einfach… Das kam mir mit der Anzahl von Vorlesungen, die man an einer Hand abzählen konnte im gesamten Studium schon komisch vor… und leider ist es auch nicht so wenig… 

Mondkind

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