Tag 75 / 116 Mibi II und fehlende Noten
Ich bin ein bisschen spät dran heute.
Der Lerntag war soweit okay… naja, ich wollte eigentlich fünf Seiten
weiter sein. Allerdings merke ich langsam, dass mein Hirn Verknüpfungen
erstellt. Ich bin jetzt in Mikrobiologie bei den Bakterien und ständig springt
mir ins Hirn: Salmonella typhi – genau, wie hießen da gleich noch die
Krankheitsstadien? Das kam nämlich in Infektiologie vor. Und dann muss ich
natürlich nachschauen, ob das was mein Hirn sich da zusammen reimt, so halbwegs
stimmt und in den meisten Fällen klappt es echt gut.
Und ich weiß jetzt auch, dass Trypanosoma brucei die Schlafkrankheit
und Trypanosoma cruzei die Chagas – Krankheit und Leishmanio donvani Kala Azar
auslöst. Das hatte ich beim Kreuzen von Infektiologie noch durcheinander geschmissen.
Aber nicht mit mir Leute… - bis zum Examen kann ich auch die
abgefahrensten irgendwo in Indien oder Südamerika vorkommenden Krankheiten!
(Okay… letztere Einstellung ist vielleicht ein wenig überheblich).
Ansonsten ist die Uni gerade mal wieder ganz große Klasse. Am Freitag
endet die Nachreichfrist für die Unterlagen des LPA. Man beachte, dass das die
Nachreichfrist ist – die reguläre Frist war schon Mitte Januar verstrichen.
Aber da die Uni ja für alles immer hundert Jahre braucht, können wir erst ab
morgen unsere Leistungsnachweise holen und müssen sie dann wohl oder übel
persönlich (die Post schafft das ja gar nicht mehr) dorthin tragen.
Das Problem ist, dass bei mir immer noch eine Note nicht eingetragen
wurde. Seit Mitte Dezember stehe ich mit der Dame in Kontakt und renne allen
möglichen Noten hinterher und sie informiert mich dann immer, wenn wieder mal
eine Note da ist.
Wir haben uns jetzt geeinigt, dass sie jetzt mal Druck im Dekanat
macht, aber mich beunruhigt das schon. Am Ende scheitert es am Papierkram – ich
sehe es schon kommen…
So ein unnötiger Stress!
Ansonsten habe ich heute Abend noch mit einer Freundin telefoniert.
Das war gar nicht im Plan, aber ihr Arzt hatte ihr zum vierten Mal in Folge ein
falsches Rezept ausgestellt und deshalb war sie verständlicherweise ein wenig
aufgebracht – zumal ihr jetzt gerade die Medikamente ausgehen.
Irgendwann meinte sie dann: „Also Mondkind – manchmal liege ich abends
im Bett und frage mich wirklich, wie Du das alles machst. Meine Familie ist
zwar auch ein Stück weg, aber ich habe zumindest noch meine Oma hier und meine
Familie unterstützt mich zumindest…“
„Naja… - ich finde es oft schwer, aber was soll ich machen? Es muss ja
irgendwie so gehen“, erkläre ich.
Und nach einer kurzen Pause füge ich hinzu: „Aber man sucht sich
irgendwo seine Stützen. Bei mir war das die Ambulanz. Ich meine ganz im Ernst…
- ich bin da seit Frühling 2015. Seitdem ist mein Leben zwei Mal komplett
zusammen gebrochen und ich habe wieder von vorn angefangen und die waren immer
da und sind als Konstante immer geblieben. Natürlich wäre mir eine Familie lieber, aber notgedrungen habe ich meinen
Halt dort gefunden. Deshalb fand ich auch die Reaktion dort so schwierig für
mich, weil sich das für mich einfach aus meiner Situation so ergeben hat. Das
heißt nicht, dass es gut war oder so sein sollte, aber was hätte ich sonst
machen sollen…?“
Und sie versteht das. Sagt, dass sie das vollkommen logisch findet,
dass sie in ihrer langen Klinikzeit und dann im betreuten Wohnen Ähnliches
erlebt hat. Man findet Säulen dort, wo keine sein sollten.
„Ich kann das ja jetzt in der Ambulanz nicht mehr ansprechen“, sage
ich, „aber ich will nicht wissen, wie ich am Abend nach dem letzten Termin hier
hänge. Die verstehen das ja nicht, aber da bricht mir der größte
Stabilitätsfaktor weg und ich kann nichts dagegen sagen oder tun, weil er das
nie hätte werden dürfen…“
Sie bietet mir an, dass ich vorbei kommen kann und wir dann einen
Kuchen backen und irgendeinen Film schauen.
„Ich bin dann aber zu nichts mehr zu gebrauchen“, merke ich an.
„Das ist mir egal“, sagt sie.
Und wenn ich dann irgendwann 450 Kilometer entfernt von hier bin, wird
sie mir auch fehlen. Denn lustig sind sie schon… - unsere Kuchenbackaktionen…
Mondkind
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