Psychiatrie #8 Unterstützung der Kollegen


Es ist noch Montagabend. Ich soll meinen Epilepsie – Oberarzt auf dem Laufenden halten über das, was hier so passiert. Und das ist auch kein Kontrollieren aka „Wann kommt Sie zurück?“, sondern ganz aufrichtiges Interesse und Sorge. Zumindest hoffe ich, dass ich nicht in das nächste Fettnäpfchen trete.

Es ist eine lange whatsApp – Konversation, die wir da führen und die ich mir in der Nacht auch immer wieder durchlese. Weil ich das einfach nicht glauben kann. „Andere Leute hier wissen Bescheid und machen sich große Sorgen, dass Du so früh wieder arbeiten willst…“, schreibt er. „Wer sind andere Leute?“, frage ich. „Mit denen Du telefoniert hast…“, erwidert er. „Mein Oberarzt – mit wem anders habe ich nicht telefoniert…“, entgegne ich. „Er war sauer, weil er dachte du wärst nicht einsichtig und verdrängst die Probleme…“ Aha…, denke ich so bei mir. Er war wirklich sauer; das war kein schönes Telefonat. Aber vielleicht ist er einer von denen, die dann richtig streng werden, wenn sie sich eigentlich nur Sorgen machen.
„Das Einzige, das Du nicht tun sollst ist jetzt, in dem Zustand zur Arbeit zu kommen. Du brauchst Dir keine Sorgen um den Job zu machen. Der Job wartet auf Dich… Du musst zuerst gesund werden…“
Und wenig später:
„Du hast keine Wahl. Kurzfristig. Wie sollst Du denn gesund werden, wenn Du den Spezialisten den Rücken kehrst. Ich verstehe, dass das unangenehm ist. Aber es ist nur vorrübergehend. Hier kann Dir keiner helfen. Deshalb sehe ich kurzfristig keine andere Alternative. Du bist noch sehr stark aufgewühlt, das kann ich spüren. Du kannst jetzt einfach mit Deinen Gedanken und Gefühlen nicht alleine bleiben. Du brauchst ärztliche und medizinische Therapie, damit es Dir schnell besser geht. Du kannst einfach nicht in der Lage sein, all diese Probleme alleine in den Griff zu bekommen. Daher musst Du diese Behandlung zulassen. Ich sehe leider keine Alternative, so leid es mir tut, dass es Dir dort so schlecht geht…“

Es ist so krass, weil das so anders ist zu allem, das ich immer kennen gelernt habe. Sonst war der Tenor immer: Bitte verstecken, bitte so tun, als sei es nicht existent. Bitte nicht Mondkind sein mit all ihren Sorgen und Problemen. Bitte die Seele nicht nach außen kehren. Bitte eine Fassade sein. Eine Schauspielfigur.
Bitte alles sein. Nur nicht Mondkind selbst. 



Und plötzlich… - plötzlich ist genau das gefordert… Das ist seltsam überfordernd. Zum ersten Mal im Leben kommt die Unterstützung auch nicht wirklich aus den eigenen Reihen, aber sie ist da. Blöd nur, dass eben dieser Kollege in wenigen Wochen gehen wird und ein leises Stimmchen fragt schon wieder, ob die mich nicht vielleicht doch los haben wollen… 
Irgendwie traue ich dem Frieden noch nicht. Dass man mir wirklich erstmalig den Boden geben will, so wirklich gesund zu werden. 

Mondkind

P.S. Ich weiß übrigens nicht, wie lange die freundliche Internet -  Unterstützung  des Mitpatienten noch anhält; das kann nach der nächsten Visite eben schon wieder ganz anders sein. Und da mein Kopf so voll ist, gibt es eben nicht "nur" abendliche Blogposts, sondern ich haue die Texte und Gedanken einfach raus, wenn mir danach ist. Ihr könnt es sonst ja irgendwann später in ruhiger Stunde mal nachlesen .

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