Einmal meckern...


Ab und an gibt es so Tage… da muss ich mich einfach mal kurz auskotzen (entschuldigt die Wortwahl). Also wer jetzt keine schlechte Laune vertragen kann, liest das vielleicht nicht unbedingt.

Es fing eigentlich ganz gut an heute Morgen.
Ich hatte mir vorgenommen zum Friseur zu gehen und eigentlich habe ich das schon seit Ende der Klinikzeit vor, aber weil das an Unproduktivität ja kaum zu übertreffen ist, habe ich es bisher immer vor mir her geschoben. So langsam haben die Haare aber eine Länge erreicht, mit denen der Zopf zu schwer wird und sie einfach nur noch nerven.
Also stehe ich schon halb 6 Uhr auf, werkle noch etwas an den Scripten, um wenigstens schon ein bisschen etwas geschafft zu haben, ehe ich mich auf den Weg Richtung Uni und von da aus Richtung Stadt mache. Heute hätten wir mal lieber das Boot genommen. Das „Winterwonderland“ von gestern ist heute nicht mehr zu sehen, stattdessen schieben sich Bäche von Wasser den Gehweg und die Straßen entlang.

Beim Friseur muss ich eine Weile warten und rufe deshalb sofort als ich fertig bin, im Labor an und erkundige mich nach meinem Betreuer, der heute um 10 Uhr die neuen Herzen bringen wollte. Der sei bisher noch nicht da – ich könne mir Zeit lassen.

Ich konnte mir sehr viel Zeit lassen. Er sollte nämlich auch im Lauf des restlichen Tages nicht mehr erscheinen. Das ist einfach nicht lustig. Was ist so schwer daran, mal kurz durchzuklingeln, oder eine Mail zu schreiben? Ich habe so einen Zeitdruck bis Mittwoch die Scripte fertig zu kriegen – da ist jede Minute im Labor eigentlich eine Minute zu viel. Ich meine ja – ich bin gern da und ich bin auch traurig, dass es jetzt nicht mehr geht, aber wenn ich die Sachen nicht gedruckt bekomme, habe ich die Scripte nicht vollständig und damit ein echtes Problem.
Auf meine Frage hin, ob ich denn am Mittwoch schon ganz früh morgens zum Drucken erscheinen soll, gibt der MTA „Besser ist das“ zurück.
Na fantastisch… Dann habe ich jetzt also noch bis Mittwochmorgen Zeit, um die restlichen 11 Scripte zu überarbeiten und um aus den Amboss – Unterlagen über die wichtigsten Dinge ein Dokument zu erstellen.

In der Ambulanz dann dasselbe Desaster wie (fast) immer.
Auf die Frage, was in den letzten Wochen los war habe berichte ich, dass ich zunehmend Schwierigkeiten habe mit der zwar schon immer bestehenden – aber für mich in den letzten Wochen zunehmenden Diskrepanz zwischen dem „Funktioniermodus“ und meinem „Innenleben“. Dass das irgendwie zwei Leben sind, die sich nicht mehr so richtig verbinden lassen.
Zwar läuft die Uni, aber mit dem Rest gibt es eben Schwierigkeiten, weil alle Kraft eben dort – und zwar nur dort – landet.
„Also das verstehe ich noch nicht ganz. Was soll ich denn jetzt hier rein schreiben?“, fragt sie, während ihre Finger sich unruhig über die Tastatur bewegen.
Ist es mein Job mir darüber Gedanken zu machen…?

Ich verstehe nicht genau, wie sie von dort auf die Idee kommt, mich nach dem Grübeln zu befragen und daraufhin erkläre ich ihr, dass ich im Moment so aufgedreht bin, dass ich nur noch arbeite und dafür überhaupt keine Zeit mehr habe.

Es geht dann weiter mit dem Medikamententhema.
„Frau Mondkind – wollen Sie ein Medikament? Sie hatten ja jetzt genug Zeit, darüber nachzudenken.“
„Naja, ich bin mir nicht sicher. Ich muss sagen, dass ich seit dem Absetzen keine Veränderung (abgesehen vom Ausschlag) in eine positive oder negative Richtung gemerkt habe.“
„Das ist keine Antwort auf meine Frage.“ (Hach, wie habe ich es vermisst).
Ich erkläre ihr irgendwann, dass ich nicht sie bin und folglich keinen Vergleich habe was man mit anderen Patienten anstellt, denen es geht wie mir.  Sie gehört der neueren Generation von Medizinern an, aber es heißt immer noch „shared – decision – making“ und nicht „self – medication“ oder irgendetwas in der Richtung. Dann brauche ich sie ja überhaupt nicht.
Sie meint dann, dass sie es nochmal versuchen würde. Wir könnten ja einfach nochmal das Elontril nehmen. Bitte was?! Hatte ich damit nicht genug Ärger?
Ich bin schon so neben mir, weil ich mich so unverstanden fühle und mich diese ganze Gesprächsführung so aufregt, dass ich vollkommen vergesse, dass es ja nicht nur das Problem mit der Unverträglichkeit gibt (gab? – immerhin ist es jetzt eine niedrigere Dosis), sondern ich ja auch noch massiv mit Schlafproblemen zu kämpfen habe.
Wo genau soll das Elontril jetzt eigentlich helfen? Ich verstehe das nicht, ehrlich nicht. Ich ahne schon… - auch das wird wieder mehr Ärgernis als alles andere.

Zwischendurch – daran denke ich dann sogar noch – spreche ich das PJ an und erkläre, dass es sein könnte, dass ich acht Monate nicht da bin und ich mir Gedanken darüber gemacht habe, was für Regelungen man für schwierige Zeiten treffen könnte.
Sie sagt, dass sie es gut von mir findet das machen zu wollen und dass man sich da Gedanken machen muss.
Ja… - das versuche ich doch gerade? Kann man das nicht etwas konkretisieren? Ich erwarte keinen ausgefeilten Plan, aber eine Aussage, ob sich da mit der Ambulanz eine Regelung finden lässt oder nicht. Und – hier ganz klar meine Schwäche – ich frage dann nicht mehr weiter nach, weil ich denen jetzt auch keine Umstände machen möchte oder auf Gedanken bringen möchte, von denen es heißt: „Na Frau Mondkind  - wie können Sie denn so etwas erwarten? Wenn sie schon weg gehen von hier, dann müssen Sie eben allein zurechtkommen.“

Dann natürlich die abschließende Frage nach den Suizidgedanken, woraufhin ich mir angewöhnt habe, so fest wie möglich zu sagen, dass ich das im Griff habe. Ich muss irgendwo ein „eigentlich“ eingebaut haben, weshalb sie mit hoch gezogener Augenbraue noch mal das „Eigentlich“ wiederholt.
„Steichen Sie das „eigentlich“.
Und jedes Mal zerreißt es mich innerlich. In bin zwar mittlerweile tatsächlich soweit zu sagen, dass ich das im Moment den Menschen um mich herum nicht antun kann – was es aber für mich nicht einfacher macht. Natürlich sinkt dadurch die Gefahr, aber die Frage die ich mir noch nicht abschließend beantwortet habe ist die, wie viel man eigentlich für andere Menschen leiden muss.
Und so abgesehen davon bin ich immer noch der Meinung, dass es schwierig wird, wenn einmal dieser Automatismus losgeht und mein Handeln für mich allgemein nicht mehr steuerbar ist. Da wäre es schon sinnvoll mal zu überlegen, wo man vorher nochmal ein Stopp – Schild einbauen kann, dass dann auch genug wach rüttelt.
Aber dafür ist sie die falsche Ansprechpartnerin. Und ich wusste heute auch, dass ich mich auf gar keinen Fall in die Bredouille bringen darf, weil ich echt Hoffnung habe, dass die Psychosomatik noch eine Idee hat – was offensichtlich nicht funktionieren würde, wenn ich Mittwoch irgendwo anders bin.
Der Psychosomatiker hat mir heute nochmal eine ganz liebe Mail geschrieben und wenn er nur halb so lieb ist wie in der Mail, dann ist das schon viel wert.

Ich meine... - es geht mir ja wirklich nicht darum nicht ehrlich zu sein, denn eigentlich bin ich da diejenige, die etwas von denen will und nicht andersherum. Aber ich finde das einfach total anstrengend, dass sie diesem Thema überhaupt keinen Raum gibt und nur eine einzige Antwort zulässt. Natürlich muss sie das fragen, aber wenn man so rigoros und engstirnig mit der Frage umgeht, muss man sie meiner Meinung nach gar nicht erst stellen.
Letzten Endes kann man mit diesem Thema doch - gerade bei ihr - schnell um seine Selbstbestimmung gebracht werden und für mich steht derzeit einfach das Examen an erster Stelle. Zumindest solange, wie es kein besseres Konzept gibt als "Dann bleiben Sie mal ein paar Tage auf der Geschlossenen und dann sehen wir weiter."
Und deshalb mache ich das so. 

Also ich weiß es nicht… ob ich mich immer so schlecht ausdrücke, wir einfach über weite Strecken nicht zusammen passen.... Ich glaube sie und ich – wir sind schon zwei sehr verschiedene Menschen. Vielleicht für eine solche Art von Zusammenarbeit einfach zu verschieden – ich weiß es nicht.

So… - und jetzt setze ich mich mal an die Skripte, arbeite noch ein paar Stunden und versuche mich mal nicht mehr so sehr aufzuregen…

P.S. 
Ich habe mich auch immer noch nicht um die Krankenkasse gekümmert. Da muss ich irgendetwas hinschicken, aber weil ich damals noch bei meiner Mama gemeldet war, liegen die ganzen Sache dort und - wer hätte es gedacht - sind natürlich unauffindbar (sonst kommen wichtige Unterlagen eigentlich wirklich nie weg). Ich kann da jetzt einfach nicht hinterher telefonieren... - wieder so eine Sache, wofür mir gerade echt die Kraft fehlt. Erst mich mit Mama streiten, dass sie endlich die verdammten Unterlagen sucht, mich dann mit der Krankenkasse in Verbindung setzen wie genau ich das dahin schicken muss - habe ich ja noch nie gemacht. 
Und das ist richtig ungünstig, weil es da echt um viel Geld geht... 
Nee... Kopf aus bitte jetzt... 

Alles Liebe
Mondkind

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Drittes Staatsexamen - ein Erfahrungsbericht

Reise - Tagebuch #2

Von einem Gespräch mit dem Kardiochirurgen